Regisseur Jürgen Flimm gelang eine teils packende, teils ironische Inszenierung

Saverio Mercadante, Didone abbandonata, Innsbrucker Festwochen der Alten Musik, 12. August 2018

Titelfoto: Didone abbandonata ©Innsbrucker Festwochen / Rupert Larl
Saverio Mercadante, Didone abbandonata,
Innsbrucker Festwochen der Alten Musik, Tiroler Landestheater,
12. August 2018

von Udo Pacolt (Online-Merker.com)

In diesem Jahr warteten die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik, die auf  Opernraritäten oder ganz selten gespielte Werke spezialisiert sind, mit einer Wiederentdeckung der besonderen Art auf. Zu Beginn der Festwochen kam im Tiroler Landestheater „Didone abbandonata“ von Saverio Mercadante zur Aufführung, eine Oper, die 1823 in Turin uraufgeführt wurde.

Saverio Mercadante (1795 – 1870) war einer der bedeutendsten italienischen Opernkomponisten zu Lebzeiten Verdis, Bellinis und Donizettis, dennoch sind seine Werke heutzutage aus dem Repertoire der Opernhäuser verschwunden. Er kam 1806 nach Neapel und war 1816 – 20 Schüler Zingarellis. Nach Erfolgen in Neapel, Rom und Mailand kam er 1824 nach Wien, wo er jedoch mit drei neuen Opern nur mäßigen Erfolg verzeichnete und bald wieder nach Italien zurückging. Nach einem Paris-Aufenthalt, wo er Meyerbeers Hugenotten kennenlernte, passte er sich dem geänderten Geschmack des Opernpublikums an und feierte in Mailand mit Il giuramento einen großen Erfolg. Noch heute gilt diese Oper als sein bekanntestes Werk (1979 wurde die Oper auch in Wien gespielt). Ab dem Jahr 1840 leitete Mercadante als Nachfolger Zingarellis bis zu seinem Tod das Konservatorium in Neapel.

Die Handlung der Oper, deren Libretto Andrea Leone Tottola nach Pietro Metastasio verfasste, spielt in Karthago, wo deren Königin Dido – wie auch ihre Schwester Selene – in den trojanischen Helden Aeneas verliebt ist. Aeneas erwidert zwar die Liebe der Königin, will aber Karthago verlassen, um ein neues Troja zu gründen. Osmidas, der Vertraute Didos, begrüßt die Abreise von Aeneas, liebt er doch ebenfalls die Königin. Der Maurenfürst Jarbas nimmt Aeneas’ Abschied zum Anlass, gleichfalls um die Hand der Königin zu werben, wobei er ihr all seine Schätze zu Füßen legen will. Da Dido Jarbas abweist, lässt der Maurenfürst Karthago in Brand stecken. Inmitten der Flammen treffen Dido und Jarbas aufeinander. Nochmals bietet Jarbas der Königin an, ihr zu verzeihen und sie zum Traualtar zu führen. Als ihn Dido erneut zurückweist, gibt er den Befehl, Karthago gänzlich zu zerstören. Dido beschließt, in den Flammen ihres Palastes den Tod zu suchen.

Regisseur Jürgen Flimm gelang eine teils packende, teils ironische Inszenierung, die auch im Bühnenbild von Magdalena Gut, das aus halbfertigen Betonbauten bestand, aus denen stählerne Gitterstäbe zum Himmel ragten, ihren Niederschlag findet. Die adretten Kostüme der Damen und grauen Uniformen der Soldaten entwarf Kristina Bell, für das passende Lichtdesign sorgte Irene Selka.


Aeneas (Katrin Wundsam) besiegt im Duell Jarbas (Carlo Vincenzo Allemano), tötet ihn aber nicht (©Rupert Larl)

Warum Jürgen Flimm im letzten Bild seiner Inszenierung auf brutale Gewalt setzte, war meines Erachtens ein Regiebruch. Just nach jenen Szenen, in denen der Maurenfürst Jarbas mit pfiffiger Ironie die Liebesbeteuerungen Didos für Aeneas aufs Korn nahm, lässt er Jarbas auf nur noch brutale Art agieren. Erst vergewaltigt er Didos Schwester Selene, ehe er Dido in  tödlicher Umarmung meuchelt. Auf solche „Regie-Gags“ kann verzichtet werden…

Dass die Aufführung von Mercadantes Oper ein sensationeller Erfolg war, lag vor allem am bestens disponierten Sängerensemble, allen voran an der litauischen Sopranistin Viktorija Miškunāité in der Titelrolle, die nicht nur stimmlich glänzte, sondern auch darstellerisch als liebende und eifersüchtige Dido überzeugte. Exzellent ihre Klage-Arie gegen Ende der Vorstellung.

Lesenswert ein Zitat aus ihrem Lebenslauf, abgedruckt im informativ gestalteten Programmheft: Viktorija Miškunāité zählt als Sängerin, Schauspielerin und Model zu den herausragenden Erscheinungen in der Öffentlichkeit ihres Heimatlandes Litauen, wo sie mit dem Titel ‚Beste Opernsängerin des Jahres 2015‘ und dem Preis ‚Golden Cross of Stage 2016‘ ausgezeichnet wurde.“

Ihr ebenbürtig – sowohl stimmlich wie schauspielerisch – war die österreichische Mezzosopranistin Katrin Wundsam in der Hosenrolle des Aeneas. Das Liebesduett der beiden zählte zu den Höhepunkten der Vorstellung. Nach ihrem Studium am Mozarteum in  Salzburg startete sie eine erfolgreiche internationale Karriere, die sie nun erstmals zu den  Innsbrucker Festwochen der Alten Musik führte.

Der italienische Tenor Carlo Vincenzo Allemano brillierte als Maurenfürst Jarbas besonders mit seinem ironischen Gesang und seiner pfiffig-komischen Rollendarstellung. Gut gefallen konnte auch die Mezzosopranistin mit britischen und französischen Wurzeln Emilie Renard in der Rolle von Didos Schwester Selene. Schauspielerisch zurückhaltend, punktete sie mit  ausdrucksstarkem Mienenspiel.

Zur guten Ensembleleistung trugen auch der italienische Bariton Pietro Di Bianco als Osmidas, Vertrauter der Königin, und der chilenische Tenor Diego Godoy als Araspe, Vertrauter des Maurenfürsten, bei. Mit kräftigen Stimmen wartete der Herrenchor des Coro Maghini (Einstudierung: Claudio Chiavazza) auf, der als Soldatentruppe einmal auch quer durch den Publikumsraum marschierte.


Die musikalische Leitung hatte Alessandro De Marchi, der Intendant der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik, inne (©Rupert Larl)

Das Orchester Academia Montis Regalis brachte die vielschichtige Partitur des Komponisten, die des Öfteren nach Rossini klang, unter der Leitung von Alessandro De Marchi, der seit vielen Jahren Intendant der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik ist, wunderbar zu Geltung. Es war übrigens ein – nicht alltägliches – Vergnügen, den Dirigenten zu den Klängen der Musik hüftenschwingend und tänzelnd am Pult zu erleben.

Das begeisterte Publikum belohnte am Schluss alle Mitwirkenden mit frenetischem, nicht enden wollendem Applaus, der vielleicht den Dirigenten dazu bewog, sein Orchester von der Bühne aus zu einer Zugabe aufzufordern. Die Musiker wiederholten den Beginn des zweiten Teils, einen launigen Militärmarsch, zu dem der Soldatenchor stimmgewaltig sang. Eine bemerkenswerte Zugabe, die auch nicht alltäglich ist.

Udo Pacolt

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