Simone Young ©Sandra Steh
Zuweilen denkt man, das Publikum der Hamburgischen Staatsoper wisse nicht zu schätzen, was man gerade hat. Simone Young hat das 2011 in einem Gespräch mit dem NDR auf den Punkt gebracht: Es sei schon hart, hier an der Oper ausgebuht zu werden, während sie überall sonst auf der Welt als Dirigentin stürmischen Beifall bekommen. Erst als die Ära Young ausklang, da wusste man zu schätzen, was man an Simone Young hatte. Nämlich eine großartige Anwältin für Werke der deutschen Spätromantik. Das Gras ist eben immer auf der andern Seite grüner.
Richard Strauss, Salome
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Alexander Soddy, Dirigent
Hamburgische Staatsoper, 7. Juni 2025
von Jörn Schmidt
Als die Süddeutsche Zeitung 2024 titelte: „Mehr Anmut geht nicht – Simone Young debütiert bei den Bayreuther Festspielen und dirigiert als erste Frau den Ring. Der Jubel ist enthusiastisch…“. Da konnten die Hamburg-Hanseaten behaupten:
Youngs Hamburger Ring – ich war dabei. Man habe damals schon gewusst, wie gut Frau Young ihren Wagner könne. Dann ihr Hamburger Bruckner-Zyklus. Ebenfalls großartig.
Auch Youngs Messiaen mit den Berliner Philharmonikern wird plötzlich gelobt. Der Tagesspiegel schreibt 2023: „Liebe liegt in der Luft: Die australische Dirigenten Simone Young interpretiert mit den Berliner Philharmonikern Olivier Messiaens grandiose Turangalila-Sinfonie. Ein Ganzkörpererlebnis.“
Apropos Messiaen, den eine tiefe Freundschaft mit Kent Nagano verband. Ich möchte wetten, mit Kent Nagano wird es sich ähnlich verhalten. Wenn er sich diesen Sommer verabschiedet, wird man ihm nachtrauern [Andreas Schmidt, der Herausgeber von Klassik-begeistert, möge an dieser Stelle gerne gegenhalten].
Als ob es gestern gewesen wäre, erinnere ich, wie Alexander Soddy Simone Young einst die Partitur aufs Pult gelegt hat. Das war 2005 und Alexander Soddy frisch gebackener Korrepetitor an der Hamburgischen Staatsoper.

Wenig später wurde Soddy erster musikalischer Assistent von Generalmusikdirektorin Simone Young, 2010 bis 2012 dann Kapellmeister an der Hamburgischen Staatsoper. Die beiden sind übrigens immer noch Weggefährten…
…und verantworten den aktuellen Ring-Zyklus an der Mailänder Scala. Simone Young dirigiert die Mailänder Siegfried-Premiere am 6. Juni sowie zwei weitere Vorstellungen, Soddy übernimmt am 16. und 21. Juni 2025. Offensichtlich eint Young und Soddy weiterhin die Liebe zu Wagner und Strauss.
Was Soddy von Young gelernt hat, und wie er dies zu einem eignen Stil weiterentwickelt hat, war heute an der Hamburgischen Staatsoper zu erleben. Es gelang eine schwelgerische Salome-Sinfonie, ein orchestraler Rausch der großen Gefühle.
Simone Young hätte dem Orchester vermutlich mehr Wärme verordnet. Aber das Gespür für die großen Bögen. Der Mut, Dynamik, Schmelz und Schmerz an die Grenze zu treiben. Dies nie zu Lasten kleinster Details und mit untrüglichem Gespür, wo Akzente zu setzen sind.
Das war ein Stück weit Simone Young 2.0.
Gesungen wurde auch. Christopher Maltman als Jochanaan hatte ein tief sitzendes Selbstvertrauen in seinen Bariton, wurde so zum Anker des Ensembles. Die Litauerin Vida Miknevičiūtė dagegen war vielleicht zu sehr damit befasst, es ihrer Landsmännin Asmik Grigorian gleich zu tun.
Grigorian war die Premieren-Salome dieser Inszenierung von Dmitri Tcherniakov, brillierte seinerzeit als Prinzessin. Miknevičiūtė konnte ihr nicht das Wasser reichen, produzierte eine Art Hebammen-Sopran. Angestrengt und zu oft gepresst.
Soddy fegte ungerührt drüber hinweg, seine Salome war zugleich eine grandiose Hommage an die Hamburger Zeit von Simone Young.
Jörn Schmidt, 7. Juni 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Staatskapelle Berlin, Simone Young, Dirigentin Philharmonie Berlin, 20. April 2025
Richard Wagner, Lohengrin, Andreas Schager, Simone Young, Wiener Staatsoper
Auf den Punkt 60: CSO, Jaap van Zweden / Dirigent Elbphilharmonie, 17. Mai 2025
Auf den Punkt 59: Vorverkauf und Kaffee Hamburgische Staatsoper, 17. Mai 2025