Viel Ravel und wenig Eitelkeit: Die Saison-Eröffnung in der Elbphilharmonie begeistert

NDR Elbphilharmonie Orchester, Krzysztof Urbański, Bertrand Chamayou,  Elbphilharmonie Hamburg

Foto: Marco Borggreve (c)
Elbphilharmonie Hamburg
, 1. September 2018
NDR Elbphilharmonie Orchester
Krzysztof Urbański, Dirigent
Bertrand Chamayou, Klavier
Maurice Ravel, Daphnis et Chloé / Fragments symphoniques, deuxième série
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 G-Dur
Guillaume Connesson, Les Cités de Lovecraft
Maurice Ravel, Boléro

von Sebastian Koik

Saisoneröffnung in der Elbphilharmonie. Und es wird eine gelungene, prachtvolle Saisoneröffnung mit zwei begeisternden Höhepunkten!

Fast jeder liebt den Sommer, doch für einen Musik-Fan, der seine tägliche Dosis Hochqualitäts-Musik braucht, ist der Sommer nicht die beste Zeit. Die Hamburgische Staatsoper hat geschlossen, das Hausorchester des angesagtesten Musiktempels der Welt, das wunderbare NDR Elbphilharmonie-Orchester, ist ebenfalls quälend lange nicht in der Elbphilharmonie zu hören.

Jetzt geht es also endlich wieder los. Thomas Hengelbrock, sehr reich an Verdiensten für das Orchester und die Stadt, ist nicht mehr da. Doch wenn ein Orchester über einen Ersten Gastdirigenten vom Format eines Krzysztof Urbański verfügt, braucht man sich zumindest musikalisch keinerlei Sorgen um Gegenwart und Zukunft zu machen. Die Saisoneröffnung wird auch nach Thomas Hengelbrock und vor dessen Nachfolger als Chefdirigent, Alan Gilbert, unter Urbański zum vollen Erfolg.

Der Start in die neue Saison ist an Schönheit nicht zu überbieten. Die Ballettmusik „Daphnis et Chloé“ von Maurice Ravel steht zu Beginn eines französischen Abends auf dem Programm. Die gespielte zweite Suite beginnt mit einer eindrucksvollen Darstellung des Tagesanbruchs.

Die Orchesterbesetzung ist groß, die Bühne randvoll mit Musikern. Und dann geht es los, und man ist als Zuhörer sofort verzaubert. Die Komposition ist reich an Licht und Farben, malt anschauliche musikalische Bilder. Es hört und fühlt sich tatsächlich wie ein Tagesanbruch an. Ein beeindruckendes Vibrieren ist in der Luft. Die großartige Komposition von Ravel setzen die brillanten Musiker des NDR Elbphilharmonie Orchesters hochmusikalisch, spannungsreich, einfach ganz wunderbar um. Der Streicherklang ist höchst edel, die in diesem Stück sehr beschäftigten Querflöten bezaubern und malen Töne in den Saal, die an singende Vögel erinnern. Die Dynamik des Orchesters ist fantastisch: Wie aus dem Nichts wird es immer wieder plötzlich laut und mächtig. Die Musik ist höchst lebendig, voller Bewegung und Naturbilder – und tanzt. Der Vortrag ist dramatisch, das Blech und die Perkussion sind hochpräzise. Das macht gewaltigen Spaß.

Besser kann man diese Musik nicht spielen! Man wollte ewig in diesen traumhaft schönen Klängen baden! Was für ein Start!

Das zweite Stück ist Ravels Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 G-Dur, mit Bertrand Chamayou als Solisten. Sowohl der Franzose am Flügel als auch das Orchester bieten viele Momente der Innerlichkeit und empfindsamer Tiefe. Oft klingt das Stück jazzig. Der Vortrag ist sehr sensibel, doch stellenweise wünschte man sich ein wenig mehr Spritzigkeit und Leichtigkeit vom Orchester. Herrlich schön sind die Soli von Klarinette, Querflöte und Oboe.

Guillaume Connesson wird kaum jemand kennen. Sein Stück “Les Cités de Lovecraft” wurde erst vor knapp einem Jahr uraufgeführt. Schlecht ist das nicht, doch wirklich packend ist das Stück auch nicht. Man bleibt als Zuhörer ein wenig zu unbeteiligt. Zurück zu Ravel.

Der nächste ganz große Höhepunkt des Abends französischer Kompositionen ist Maurice Ravels bekannter und geliebter „Boléro”. Bevor das Stück erklingt, bewegt sich Krzysztof Urbański von der Bühne und setzt sich ins Parkett. Gänsehaut im ganzen Saal! Was für eine Geste! Die Musiker sollen wohl ganz auf den Rhythmus der Trommeln hören, der Dirigent erklärt sich hier für entbehrlich. Welch’ eine wundervolle, vertrauensvolle und bescheidene Geste von Krzysztof Urbański, den Boléro ganz in die Hände des Orchesters zu legen und sich uneitel zurückzuziehen. Dass er ihn grandios mit den Musikern einstudiert hat, wird man allerdings hören!

Dann legt sie los, die erste kleine Trommel! Zwei kleine Trommeln sind die Hauptdarsteller und das pochende Herz des Stückes. Später setzen erst die Klarinette und dann die Querflöte mit der Melodie ein. Die Aufmerksamkeit im Saal ist wahnsinnig groß. Die vielen Geiger und Bratschisten zupfen ihre Instrumente in Gitarren-Haltung, das Zupfen steigert sich kontinuierlich und ganz langsam in der Intensität. Die Musik geht immer tiefer. Der Rhythmus packt einen und lässt einen nicht mehr los. Repetition in feiner Variation. Die geniale Schönheit des Einfachen!

Das ist unwiderstehlich mitreißend. Die Atmosphäre wird immer leidenschaftlicher, fiebriger, feuriger, schwüler. Alle, besonders das Streicher-Kollektiv, präsentieren sich grandios. Das Finale wird zur begeisternden Entladung. Die Musiker und das Publikum sind glücklich.

Nach einer Zugabe des Boléro-Endes, diesmal von Urbański dirigiert, gibt es Standing Ovations vom gesamten Saal.

Sebastian Koik, 2. September 2018, für
klassik-begeistert.de

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