Sir John Eliot Gardiner (Foto: Sim Canetty Clarke)
Philharmonie Berlin, 17. März 2022
Johannes Brahms
Schicksalslied op.54
Felix Mendelssohn Bartholdy
Symphonie Nr.2 op.52 „Lobgesang“
Berliner Philharmoniker
Sir John Eliot Gardiner Dirigent
Lucy Crowe Sopran
Ann Hallenberg Mezzosopran
Werner Güra Tenor
von Peter Sommeregger
Mancher mag denken, in Zeiten der immer noch nicht ausgestandenen Pandemie und eines verstörenden Krieges beinahe vor der Haustüre gäbe es andere Prioritäten als einen Konzertbesuch. Wer so denkt, unterschätzt die spirituelle Wirkung der Musik. Obwohl lange geplant, ist die Auswahl der Werke für dieses Konzert von erstaunlicher Aktualität, auch wenn sich das auf den ersten Blick nicht erschließt.
Brahms‘ Komposition für gemischten Chor auf einen Text Hölderlins thematisiert die menschliche Bedrängnis und stellt als Gegenbild die Götterwelt gegenüber. Das vom Monteverdi-Chor optimal vorgetragene, nur 15 Minuten dauernde Werk stimmt nachdenklich und führt das Publikum sanft aus den Sorgen des Alltags in die spirituelle Welt der Musik.
Hauptwerk des Abends ist die 2. Symphonie Mendelssohns. Ungewöhnlich ist die Form der Komposition, von Mendelssohn selbst als Symphonie-Kantate bezeichnet. Der Chor und die drei Solisten setzen erst nach drei rein instrumentalen Sätzen ein, was Assoziationen zur 9. Symphonie Beethovens weckt. Gesungen werden Texte aus der Bibel, die eindringlich nicht nur das Gotteslob zum Inhalt haben, sondern besonders die aus dem Glauben gewonnene Zuversicht der Seele thematisieren. Der Satz „Die Nacht ist vergangen“ kann man aktuell als Ausdruck der Hoffnung auf eine Bewältigung der gegenwärtigen Bedrohungen verstehen.
Mit feierlichem Ernst und großer Kompetenz widmet sich Sir Gardiner diesem komplexen Werk. Der Spezialist für Alte Musik zeigt sich auch bei diesem Werk der Romantik als sensibler Interpret. Der Monteverdi-Chor punktet mit der erstaunlichen Qualität seiner Einzelstimmen, die sämtlich Solisten-Qualitäten besitzen. Luxuriös besetzt auch das Trio der Solisten. Lucy Crowe, Ann Hallenberg und Werner Güra glänzen mit dem Wohlklang ihrer Stimmen, wobei Lucy Crowe mit ihrem engelsgleichen Timbre und der leuchtenden Höhe ihres Soprans den stärksten Eindruck hinterlässt.
Am Ende kann man beobachten, wie das Werk mit seiner lebensbejahenden Aussage dem Publikum viel gegeben hat. Einmal mehr kann man konstatieren, wie sehr gute Musik unseren Seelenzustand positiv beeinflussen kann. Herzlicher, langer Applaus dankt allen Beteiligten.
Peter Sommeregger, 18. März 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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