Buch und CD-Rezension:
Die Wolfserzählung
Lebenserinnerungen des Dessauer
Heldentenores Dr. Horst Wolf
Kamprad Verlag
Die wiederentdeckte Stimme
Heldentenor Dr. Horst Wolf
5 CDs Querstand VKJK 2207
von Peter Sommeregger
Im Jahr 2020 erschien die Autobiographie des Sängers Dr. Horst Wolf, zu diesem Zeitpunkt war der promovierte Techniker und Heldentenor aber bereits vierzig Jahre tot. Wolf, der in seiner sängerisch aktiven Zeit ein umfangreiches Rollenspektrum abdeckte, machte aber hauptsächlich in den Heldentenor-Partien Richard Wagners Furore. Es ist erstaunlich genug, dass es für den Sänger nicht zu einer internationalen Karriere kam. Freilich gastierte er immer wieder an bedeutenden Häusern wie Wien und Dresden, am Ende blieb Wolf aber doch seinem Stammhaus, dem Landestheater Dessau treu.
In seinen „Wolfserzählung“ betitelten Erinnerungen erklärt er auch, warum er lieber an einem mittleren Haus die Vorteile der Mitgliedschaft in einem stabilen Ensemble genoss, als sich an großen Opernhäusern permanenten Konkurrenzkämpfen auszusetzen. Seine Schilderung des Alltags in der so genannten Provinz ist aufschlussreich, man ist erstaunt, wie viele kleine und mittlere Theater in Ost- und Mitteldeutschland sich auch der Oper widmeten. Heldentenöre waren zu allen Zeiten Mangelware, also wurde Wolf sehr häufig auch an andere Häuser gerufen, was zu einer regen Reisetätigkeit des Tenors führte. Seine Karriere dauerte von 1920 bis 1960, aber auch danach gab er häufig noch Gastspiele und Konzerte.
Seine manchmal erschöpfende Schilderung der Verhältnisse an den Theatern vor, während und nach dem zweiten Weltkrieg lässt auch viele der damaligen Partner, Dirigenten und Regisseure nicht unerwähnt. Das holt viele dieser Künstler wieder aus dem Vergessen und ist schon daher von dokumentarischem Wert. Befremdet ist der Leser allerdings von der völligen Ausblendung der politischen Ereignisse in dieser Zeit. Hitlers Machtergreifung, der Ausbruch des zweiten Weltkrieges, der 20. Juli 1944 und die Teilung Deutschlands werden entweder gar nicht, oder nur sehr am Rande erwähnt. Man vermutet, dass Horst Wolf seine Memoiren eventuell in der damaligen DDR veröffentlichen wollte, und darum das heikle Thema Politik ausklammerte.
Das erfüllte Leben Horst Wolfs endete im Jahre 1980 tragisch. Bei einem Brand seines Hauses kam seine zweite Ehefrau ums Leben, er selbst konnte sich retten, starb aber nur wenige Wochen später.
Ursprünglich dachte man, Wolfs Stimme wäre für die Nachwelt verloren, aber 2022 erschien eine Box mit 5 CDs, die Wolf in seinen großen Wagnerpartien, aber auch anderem Repertoire erlebbar machen. Quelle waren Tonbänder, die Wolf privat während Opernvorstellungen auf seinem Tonbandgerät mitschneiden ließ, und die ursprünglich nur für den privaten Gebrauch des Sängers gedacht waren. Eine Vielzahl der Bänder wurde durch den Hausbrand zerstört oder unbrauchbar, aber dem Restaurator Christian Zwarg gelang es in mühsamer Arbeit, einige dieser Bänder wieder anhörbar zu machen und so die Veröffentlichung zu ermöglichen.
Die Kraft und Souveränität des Vortrags von Wolf ist erstaunlich. Er vereint viele Tugenden wie Textverständlichkeit, Ausdruck und Gesangstechnik in einem Maße, wie man sie sonst nur bei den ganz großen ihres Faches findet. Die Qualität von Wolfs Stimme ist umso erstaunlicher, als diese Aufnahmen sämtlich kurz vor, aber auch deutlich nach Wolfs 60. Geburtstag entstanden. Es scheint, als müsste man die Geschichte des Heldentenors im 20. Jahrhundert um ein weiteres Kapitel erweitern!
Peter Sommeregger, 11. März 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
„Revival Drei Tenöre“ , Enrico-Caruso-Gala, Teatro San Carlo, Neapel klassik-begeistert.de