In Neapel lässt man die drei Tenöre wieder hochleben

„Revival Drei Tenöre“ , Enrico-Caruso-Gala, Teatro San Carlo, Neapel klassik-begeistert.de

Foto: Teatro San Carlo, Enrico-Caruso-Gala © Jürgen Pathy

Teatro San Carlo, Neapel, 19. September 2021
Enrico-Caruso-Gala

Francesco Meli, Tenor
Francesco Demuro, Tenor
Xabier Anduaga, Tenor
Orchestra del Teatro di San Carlo

von Jürgen Pathy (Text und Foto)

Authentischer geht es nicht. „’O sole mio“ in einem italienischen Opernhaus, geleitet von einem Italiener, begleitet von einem italienischen Orchester. Beinahe auch noch von drei italienischen Tenören gesungen. Um das zu erleben, bleibt einem nur die Reise nach „Bella Italia“, wo nicht nur das „Dolce vita“ ruft, sondern auch die Heimat des Belcantos, des italienischen Schöngesangs. Neapel bietet das alles.

Neben der besten Pizza der Welt, steht hier auch das geschichtsträchtige Teatro San Carlo. Ein Juwel, das 1737 eröffnet wurde. Im Schatten des Vesuvs gelegen, nur einen Katzensprung vom Golf von Neapel entfernt, war es einst das größte Opernhaus Europas. Hier huldigte man am Sonnabend dem wohl größten Sohn der Stadt: Enrico Caruso. Mit Gassenhauern, Arien und Liedern, die den Weg des für viele größten Tenors aller Zeiten ebneten. Von „La donna è mobile“ aus Verdis „Rigoletto“, über „Amor ti vieta“ aus Giordanos Oper „Fedora“, bei der Caruso an der Uraufführung 1898 mitwirkte. Von „È la solita storia del pastore“ aus Cileas Oper „L’arlesiana“, bis hin zum schicksalsträchtigen „Una furtiva lagrima“ aus Donizettis „Liebestrank“, bei deren Aufführung er Blut spukte, weil er sich zuvor eine Rippenfellentzündung zuzog, die 1921 zu Carusos Tod führte.

Dass es letztendlich nicht drei Italiener geworden sind, die gesungen haben, war nur dem Zufall geschuldet. Freddie De Tommaso, seit kurzem im Ensemble der Wiener Staatsoper, musste kurzfristig absagen. Wegen „Unbehagen“, wie der Homepage des Teatro San Carlo zu entnehmen war. Das konnte der Faszination in keiner Weise einen Abbruch tun. Denn Xabier Anduaga, ein blutjunger Spanier, der kurzfristig in die Bresche sprang, rettete nicht nur den Abend, sondern blühte im Kreise seiner beiden arrivierten Tenor-Kollegen regelrecht auf.

Während Francesco Meli, der bereits mit Größen wie Anna Netrebko auf der Bühne stand, seine Parade-Arien teilweise zu lautstark in den neapolitanischen Himmel schmetterte, packte Anduaga die feine Klinge aus. Nicht nur, dass er beim „Je crois entendre encore“, einer Arie aus Bizets „Perlenfischer“, in der Lage war, die langen Phrasierungen mit weichem Ton geschmeidig fast ins Endlose zu ziehen. Auch beim ebenso berühmten „E lucevan le stelle“, bei dem Anduaga auch Anflüge von Spinto-Qualitäten offenbarte, war stets eine intensive Spannung zu spüren. Irgendwie lag da immer ein gewisser Zauber in der Luft. Eine Stärke, die man nur ganz selten erlebt.

Das war einerseits natürlich seiner feinen Belcanto-Kunst zu verdanken. Auf der anderen Seite allerdings auch dem subtilen Dirigat Marco Armiliatos. Der unprätentiöse Italiener, der nach jeder Arie übers ganze Gesicht strahlte, weiß wie man Spannung erzeugt und mit den Sängern atmet. Keine Phrase zu lang, kein Ton des Orchestra del Teatro di San Carlo zu laut. Eine Meisterschaft, die dazu geführt hat, dass Armiliato auch oft zur Stelle ist, wenn Stars wie Netrebko, Kaufmann & Co auf der Bühne stehen.

Davon profitierte an diesem Abend auch Francesco Demuro. Der Sarde, der das Gesangstrio komplettierte, hatte zwar ordentlich zu kämpfen mit dem „Salut, demeure chaste et pure“ aus Gounods „Faust“, lies seine Stärken allerdings anderswo aufblitzen. Mit seinem Italianità, seinem Feuer, seinem Temperament, räumte er die imaginären Wellenbrecher aus dem Weg. War der Applaus zuvor noch verhalten, zog nach Cileas „È la solita storia del pastore“ eine Eruption der Euphorie durchs Haus. Und während des Da Capos des Gassenhauers „’O sole mio“, das vom Trio gemeinsam zelebriert wurde, brachen überhaupt alle Dämme. Beinahe nach jeder Strophe wurde applaudiert und lautstark kommentiert.

Das Gefühl, dass hier nicht nur Caruso gedacht wurde, sondern auch die „Drei Tenöre“ ein Revival erlebten, war mehr als nur präsent. Ein Abend der Superlative. Ein Erlebnis, das man so schnell nicht vergessen wird. Um das zu erleben, muss man vielleicht nicht unbedingt nach Neapel. Wer allerdings die italienische Seele, die brodelnde Energie – ähnlich des Vesuvs – hautnah spüren möchte, dem bietet sich wohl kein besserer Ort als das märchenhafte Teatro San Carlo. Dort, wo das Publikum bebt und selbst die Damen im feinen Zwirn eine sympathische Nonchalance ausstrahlen.

Jürgen Pathy, 23. September 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

 

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