Neumeiers Ballett Endstation Sehnsucht hat doch etwas von der Zeitlosigkeit seiner anderen Choreographien verloren

Ana Torrequebrada (Stella), Matias Oberlin (Stanley Kowalski), Ida Praetorius (Blanche DuBois), Christopher Evans (Harold Mitchell), Jacopo Bellussi (Allan Gray) (Foto: RW)

Man musste schon genau hinschauen, um Louis Musins großartige Spagatsprünge und die mit hohem Drehspin gezeigten Tours en l’air im Bühnenhintergrund wahrnehmen zu können. Sein im wahrsten Sinne unter den anderen Tänzern herausragendes technisches Können und seine in anderen Balletten gezeigte intensive Darstellungskunst prädestinieren ihn geradezu zum Ersten Solisten.

Endstation Sehnsucht, Ballett von John Neumeier
nach Tennessee Williams

Musik: Sergej Prokofjew und Alfred Schnittke

Choreographie, Inszenierung, Bühnenbild, Kostüme und Lichtkonzept: John Neumeier

Pianist: Ondrej Rudčenko, und Musik vom Tonträger

Hamburg Ballett, Hamburgische Staatsoper, 2. Mai 202

von Dr. Ralf Wegner

John Neumeiers Endstation Sehnsucht zählt für mich nicht zu seinen stärksten Werken, anders als seine ebenfalls auf einem Stück von Tennessee Williams basierende Glasmenagerie. Im Gegensatz zu Blanche in der Endstation ist die sich ebenfalls in einer Traumwelt verlierende, aber dennoch ihr Schicksal ohne Harm oder Hass annehmende Hauptfigur Laura in der Glasmenagerie psychologisch tiefer empfunden und berührt die Seele, gerade weil ihr jeder mitleidheischende Effekt abgeht. „Endstation Sehnsucht, Ballett von John Neumeier
Hamburgische Staatsoper, 2. Mai 2025“
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Meuterei beim Hamburg Ballett? Die Offiziere gehen von Bord

Madoka Sugai und Alexandr Trusch 2017 (Don Quixote) und 2024 (Schwanensee) (Fotos: RW)

Was macht die Weltgeltung des Hamburger Balletts aus? Sicher nicht die austauschbaren, auf die Bühne gehobenen Mehrteiler und auch kaum die Handlungsballette anderer Choreographen. Die Weltgeltung basiert vielmehr auf dem unerschöpflichen choregraphischen Schatz, den John Neumeier hier hinterlassen hat und auf den von ihm gehegten und gepflegten phantastischen Tänzerinnen und Tänzern.

Eine Betrachtung von Dr. Ralf Wegner

Als Meuterei bezeichnet man im Allgemeinen den gemeinschaftlichen Widerstand gegen eine Anordnung der Schiffsführung mit Androhung oder Anwendung von Gewalt. Die Kündigung von 5 Ersten Solisten beim Hamburg Ballett ist demzufolge keine Meuterei, denn es wurde sich weder gemeinschaftlich einer Anordnung widersetzt noch Gewalt angedroht. „Betrachtung: Kündigung von 5 Ersten Solisten des Hamburger Balletts
Hamburgische Staatsoper, 18. April 2025“
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John Neumeier wird nach der Wiederaufnahme seines tragischen Balletts Tod in Venedig für sein Lebenswerk geehrt

John Neumeier, Peter Schmidt, Edvin Revazov, Jacopo Bellussi, Silvia Azzoni, Alexandre Riabko, Xue Lin, die Tanzjournalistin Dr. Dorion Weickmann und Demis Volpi (Foto: RW)

Am Ende war es sekundenlang mucksmäuschenstill im Saal. Erst als der Vorhang die Bühne völlig verdunkelt hatte, brach sich der angestaute Jubel des Publikums Bahn. Zahlreiche Blumensträuße flogen auf die Bühne und John Neumeier wurde mit stehenden Ovationen gefeiert.

Tod in Venedig
Ein Totentanz von John Neumeier nach der Novelle von Thomas Mann

Musik: Johann Sebastian Bach und Richard Wagner

Choreographie, Inszenierung und Lichtkonzept: John Neumeier

Bühnenbild: Peter Schmidt

Hamburg Ballett in der Staatsoper Hamburg, 9. Februar 2025

91. Vorstellung seit der Premiere am 07. Dezember 2003


von Dr. Ralf Wegner

Bei John Neumeiers Ballett Tod in Venedig stimmt einfach alles, eine geniale Choreographie, ein auf das Wesentliche reduziertes Bühnenbild, welches den Tänzerinnen und Tänzern genügend Raum lässt, ein ausgezeichnetes Tanzensemble und nicht zuletzt eine herausragende Klavierbegleitung durch David Fray. „Tod in Venedig, Ballett von John Neumeier
Staatsoper Hamburg, 9.Februar 2025“
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Das Hamburg Ballett tanzt herausragend

Ida Praetorius (Jane Eyre), Nathan Brock (musikalische Leitung), Artem Prokopchuk (Edward Rochester), Ana Torrequebrada (Junge Jane)

… trotzdem bleibt Cathy Marstons Ballett Jane Eyre nach dem Roman von Charlotte Brontë inhaltlich eine Schmonzette

Äußerlich und auch im Herzen jünger und deutlich weniger arrogant tanzte Artem Prokopchuk den Part des Edward Rochester leichtfüßig und darstellerisch mit großer Sensibilität. Das übertrug sich sichtbar auf seine Partnerin Ida Praetorius. Zwischen ihnen stimmte die Chemie. Vor allem der weiße Liebes-Pas de deux am Ende des ersten Aktes geriet zum tänzerischen Höhepunkt.

Jane Eyre, Ballett von Cathy Marston

Musik von Fanny Hensel, Felix Mendelssohn Bartholdy und Franz Schubert

Choreographie und Inszenierung: Cathy Marston
Bühnenbild und Kostüme: Patrick Kinmonth

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Musikalische Leitung: Nathan Brock

Hamburg Ballett, 16. November 2024

von Dr. Ralf Wegner

Eines muss man Cathy Marston lassen, sie schuf für ihr Ballett drei Rollen für Tänzer und dreimal so viele für Tänzerinnen. Und die Männerrollen sind mit dem bösartigen Heimleiter Mr. Brocklehurst, dem steifen Geistlichen St John Rivers sowie dem vermeintlichen Bigamisten Edward Rochester zudem nicht sonderlich sympathisch. „Jane Eyre, Ballett von Cathy Marston
Hamburg Ballett, 16. November 2024“
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John Neumeiers letztes Ballett Epilog zeigt Tiefenspannung und enthusiasmiert das Publikum

Vorn Aleix Martínez und Lennard Giesenberg, dahinter Anna Laudere, Jacopo Bellussi, Madoka Sugai, Alexandr Trusch und Xue Lin, links im gelben Hosenanzug Ana Torrequebrada (Foto: RW)

John Neumeiers Ballett Epilog handelt von der Liebe. Es ist eine tröstliche, empathische Liebe, es ist die Liebe der Eltern zu den Kindern, es ist eine freundschaftliche und auch die romantisch erlebte Liebe, es ist die Empathie der Gruppe ihren Einzelgliedern gegenüber.

Epilog, Ballett von John Neumeier

Choreographie, Bühnenbild und Licht: John Neumeier
Kostüme: Albert Kriemler

Musik: Franz Schubert und Richard Strauss, vom Band Simon & Garfunkel

Hamburg Ballett, Staatsoper Hamburg, Vorstellung am 7. November 2024

von Dr. Ralf Wegner

Verglichen mit dem jüngst auf die Bühne gehobenen handlungsfreien Vierteiler The Times Are Racing wurde erneut klar, mit welcher unvergleichlichen künstlerischen Kraft John Neumeier sein hiesiges letztes Werk choreographiert hat. Da stimmte einfach alles, nicht nur die Leistungen der herausragenden Tänzerinnen und Tänzer, auch das Bühnenbild und die Kostüme, die Schuberts Klavierstücke spielenden Pianisten Michal Bialk und Piotr Machnik sowie die begnadet die vier letzten Lieder von Richard Strauss zu Gehör bringende Christiane Karg. „Epilog, Ballett von John Neumeier
Hamburg Ballett, Staatsoper Hamburg, 7. November 2024“
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"The Times Are Racing" – die dritte Aufführung ist häufig die beste, so auch dieses Mal

Das Ensemble nach dem das Publikum mitreißenden Stück von Justin Peck The Times Are Racing. In der Mitte Ida Praetorius, Gabriel Barbosa und Ida Stempelmann (Foto: RW)

Die anderen drei Stücke von Hans von Manen, Demis Volpi und Justin Peck beeindruckten dafür umso mehr. Es gibt zwar bei keinem der Werke dieser Choreographen eine erkennbare Handlung, es wird aber im Gleichklang mit der Musik getanzt, und zwar ganz fabelhaft.

Ballettabend mit Werken von Pina Bausch, Hans von Manen, Demis Volpi und Justin Peck

Adagio, Variations for Two Couples, The thing with feathers, The Times Are Racing

Musik u.a. von Gustav Mahler, Benjamin Britten, Astor Piazzolla, Richard Strauss und vom Band: Dan Deacon

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Leitung Vitali Alekseenok

Hamburg Ballett, Staatsoper Hamburg, 17. Oktober 2024, dritte Vorstellung seit der Premiere vom 28. September 2024

von Dr. Ralf Wegner

Sprechen wir nicht von dem ersten Stück von Pina Bausch, das war wie bei der Premiere langweilig anzuschauen. Selbst die Musik von Mahler konnte da nichts retten. Denn das Bühnengeschehen, also die Bewegungen der Tänzerinnen und Tänzer, ließ jeden Bezug zur Leistung im Orchestergraben vermissen. Wie sollte man auch zu Mahler Gehen oder Laufen, wie von Bausch choreographiert. Die anderen drei Stücke von Hans von Manen, Demis Volpi und Justin Peck beeindruckten dafür umso mehr. Es gibt ja bei keinem der Werke dieser Choreographen eine erkennbare Handlung, es wird aber im Gleichklang mit der Musik getanzt, und zwar ganz fabelhaft. „Ballettabend mit Werken von Pina Bausch, Hans von Manen, Demis Volpi und Justin Peck
Hamburg Ballett, 17. Oktober 2024“
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Demis Volpi, Nachfolger von John Neumeier, gibt erste Einblicke in sein zukünftiges Schaffen

Demis Volpi mit den Tänzerinnen und Tänzern des Hamburg Balletts (Foto: RW)

Es war also die Aufgabe von Jo Ann Endicott gewesen, das Stück, in dem sie vor 50 Jahren auch getanzt hatte, zu rekonstruieren. Das sei ihr möglich, da sie eine innere Verbindung zwischen sich und der Oben weilenden Pina verspüre.

242. Ballett-Werkstatt seit dem 9. September 1973

Ballett-Werkstatt I, The Times Are Racing

Ballettintendant Demis Volpi spricht über die erste Ballettpremiere der Spielzeit

Hamburg Ballett, Staatsoper Hamburg, 15. September 2024

von Dr. Ralf Wegner

Dass er vom Hamburger Ballett-Publikum nicht mit Wärme und Wohlwollen empfangen worden sei, wird Demis Volpi später nicht sagen können. Vorschusslorbeeren gab es genug und seine jungenhafte lockere Art kam auch gut beim Publikum an. Es war die 242. Ballettwerkstatt seit 1973 und, darauf wies Volpi zweimal hin, seine erste.

Um zu zeigen, dass es damals neben John Neumeier oder John Cranko noch andere Auffassungen über Tanz gab, wolle er mit einem frühen Stück von Pina Bausch beginnen. Deshalb habe er sich für seine erste Premiere ihr Adagio nach Gustav Mahlers 10. Sinfonie ausgesucht. „Ballett-Werkstatt I, The Times Are Racing
Hamburg Ballett, Staatsoper Hamburg, 15. September 2024“
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Geburt und Tod, dazwischen das pralle Leben – John Neumeier zeigt seine Sicht auf unsere Existenz

John Neumeier mit seinem Ensemble (Asmik Grigorian, Matias Oberlin, Caspar Sasse, Anna Laudere, David Fray, Jacopo Bellussi, Madoka Sugai, Alina Cojocaru, Alexandr Trusch, Louis Musin, Silvia Azzoni, Alessandro Frola und Christopher Evans) (Foto: RW)

Als Caspar Sasse schließlich John Neumeier auf die Bühne holte, sprang das begeistert applaudierende Publikum unisono auf, also nicht nur im Parkett, sondern, soweit ich sehen konnte, auch in den Rängen. So wurde John Neumeier die Ehre für seine jüngste Ballett-Kreation erwiesen.

Epilog, Ballett von John Neumeier
Musik von Franz Schubert, Simon & Garfunkel sowie Richard Strauss

Choreographie und Bühnenbild: John Neumeier
Kostüme: Albert Kriemler
Filme: Kiran West
Klavier: David Fray, Emmanuel Christien, Sopran: Asmik Grigorian

Hamburg Ballett, Uraufführung, 30. Juni 2024

von Dr. Ralf Wegner

Der Orchestergraben war zwecks Erweiterung der Tanzfläche abgedeckt. Links stand ein Flügel; dort nahm der Pianist David Fray Platz. Auf der Tanzfläche lag nur ein gekippter Stuhl. Der sich öffnende Bühnen­vorhang gab den Blick auf ein mehrgeschossiges, nach vorn und rechts offenes, turmartiges Holzgerüst frei. Im ersten Stock war ein langer, weit in die Tiefe reichender Gang zu sehen. Von dort näherte sich langsam ein Tänzer, der schließlich eine Etage tiefer durch die Tür schritt. „Epilog, Ballett von John Neumeier, Musik von Schubert, Simon & Garfunkel sowie Richard Strauss
Hamburg Ballett, Uraufführung am 30. Juni 2024“
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Neumeiers letzter Schwanensee: Wird sich dieses tänzerische Niveau unter der neuen Intendanz von Demis Volpi halten lassen?

Madoka Sugai (Prinzessin Natalia) und Alexandr Trusch (Der König) nehmen den Jubel des Publikums entgegen (Foto: RW)

 Neumeiers Schwanensee- Choreographie greift auf klassisches Vokabular, hier von Lew Iwanow und Marius Petipa, zurück, ebenso wie in seinen anderen klassisch orientieren Balletten Giselle, Dornröschen oder Nussknacker. Nur letzteres Ballett wurde von dem neuen Intendanten Demis Volpi in seine erste Hamburger Saison übernommen. Das ist schade. Denn brauchen die Tänzerinnen und Tänzer nicht die ständige Auseinandersetzung mit den klassischen Stücken, um auch langfristig das hohe tänzerische Niveau zu halten?

Illusionen – wie Schwanensee

Ballett von John Neumeier
mit Choreographien nach Lew Iwanow und Marius Petipa

Bühnenbild und Kostüme: Jürgen Rose
Musik: Peter Tschaikowsky

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg

Musikalische Leitung: Nathan Brock, Solovioline: Daniel Cho
182. Vorstellung seit der Premiere am 2. Mai 1976

Staatsoper Hamburg, Hamburg Ballett, letzte Vorstellung, 7. Juni 2024


von Dr. Ralf Wegner

Vorerst war dies der letzte Schwanensee, und es war eine Freude zu sehen, wie gut getanzt wurde. Der weiße Schwanenakt geriet perfekt, mit einer überzeugenden Anna Laudere als Odette. Grazie und Anmut zeichneten ihren Tanz aus, mit ihrer Aura betörte sie nicht nur das Publikum, sondern auch den König (Alexandr Trusch), den sie erst erstaunt, später mit zunehmendem Interesse an sich zu binden suchte. „Illusionen – wie Schwanensee, Ballett von John Neumeier
Staatsoper Hamburg, Hamburg Ballett, 7. Juni 2024“
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Endlich sind sie zurück – „Tanzfeuerwerk“ von John Neumeier und dem Hamburg Ballett

Das überdachte Podium auf dem Rathausmarkt, im Hintergrund der Turm der Petrikirche (Foto: RW)

Die großartigen Tänzerinnen und Tänzer des Hamburger Balletts

Wir kamen etwa 20 Minuten vor Beginn, schätzungsweise weitere 2.000 Zuschauer hatten sich wie wir hinter der Absperrung eingefunden. Um es vorweg zu sagen, wir blieben, wie gebannt von Neumeiers zweistündiger Führung durch sein umfangreiches Werk, bis zum Schluss, als langanhaltender Jubel die Mitwirkenden immer wieder auf die Bühne rief.

Hamburger Rathausmarkt
Open-Air-Veranstaltung am 3. September 2022

von Dr. Ralf Wegner

Angekündigt war kostenfreies Open-Air-Ballett ab 20 Uhr auf dem Rathausmarkt anlässlich der 50-Jahre-Jubiläumsspielzeit Neumeiers. Das Ganze lief unter dem Titel Tanzfeuerwerk und umfasste zehn Ausschnitte aus dem umfangreichen Oeuvre des Hamburger Ballettintendanten, darunter Schlüsselwerke wie Nussknacker, Nijinsky oder Kameliendame. „„Tanzfeuerwerk“ von John Neumeier und dem Hamburg Ballett
Hamburger Rathausmarkt Open-Air-Veranstaltung am 3. September 2022“
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