Staatsoper Hamburg: Ein Sängerfest der Superlative

Staatsoper Hamburg, 23. Februar 2020
Georg Friedrich Händel, Alcina
Foto: © Westermann

Ulrich Poser berichtet über die Aufführung von Georg Friedrich Händels „Alcina“ in der Hamburgischen Staatsoper vom 23. Februar 2020.

Ein fantastischer Abend. Bereits die Inszenierung von Händels Märchen-Ballettoper über die Zauberin Alcina, die verflossene Liebhaber in Tiere, Pflanzen und Steine verwandelt, war mehr als unterhaltsam und kurzweilig. Christof Loy (Inszenierung) und Herbert Murauer (Bühnenbild und Kostüme) haben hier wunderbar kooperiert. Ein schlichtes, modernes Bühnenbild, in dessen Zentrum meist Alcinas riesiger Palast steht. Ein solch beeindruckendes geschmackvolles Bühnenbild mit geschickt dramatischer Ausleuchtung und mit teilweise nach hinten offener Bühne wünschte man sich bei anderen Inszenierungen auch; etwa für Teile des ersten Aktes der „Götterdämmerung“ von Richard Wagner. „Georg Friedrich Händel, Alcina,
Staatsoper Hamburg, 23. Februar 2020“
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Das war weitgehend Bayreuth-Niveau!

Foto: © Westermann / Staatsoper Hamburg

Hamburgische Staatsoper, 21. Februar 2020

Richard Wagner, Der fliegende Holländer

von Ulrich Poser

Andrzej Dobber

Schon die Antrittsarie „Die Frist ist um“ von Andrzej Dobber in der Titelrolle ließ Großes erahnen. Hier steht ein Heldenbariton der absoluten Weltklasse auf der Bühne: Stimmgewaltig, glasklar, textverständlich, rabenschwarz und schauspielerisch erstklassig. Besser und überzeugender kann man diese Partie wohl kaum singen und darstellen. Sein professionelles Schauspiel und die mächtige Erscheinung, die an Jon Vickers erinnert, trugen dazu bei, dass hier ein beeindruckendes Gesamtkunstwerk dargeboten wurde. Dieser Holländer lebte. Nach dieser grandiosen Leistung von Herrn Dobber besteht kein Zweifel daran, dass Katharina Wagner zeitnah zum Telefonhörer greifen wird. Dieser Mann gehört auf den Grünen Hügel! Eine solche Einladung sollte ihn aber bitte nicht davon abhalten, so oft wie möglich in Hamburg zu gastieren. Das Haus an der Dammtorstraße braucht solche Helden dringend.

„Richard Wagner, Der fliegende Holländer,
Hamburgische Staatsoper, 21. Februar 2020“
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Stell Dir vor, es ist Oper, und jeder fünfte Platz bleibt frei.....

Die Spielzeit 2020/21 der Staatsoper Hamburg, des Hamburg Balletts John Neumeier und des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg

von Andreas Schmidt

Jeder fünfte Platz blieb in der Saison 2018/19 in der Staatsoper Hamburg leer. Das Haus an der Dammtorstraße hat die Auslastung an diesem Montag mit 80 Prozent angegeben. 

Besser sieht es beim Hamburg Ballett John Neumeier aus: Das Ausnahme-Ensemble darf sich über eine Auslastung von 92 Prozent freuen. Wenn man Oper und Ballett addiert, liege die Auslastung in HH bei 86 Prozent.

Nach Ansicht von klassik-begeistert.de können die Verantwortlichen in der „Musikstadt Hamburg“ keinesfalls mit diesen Zahlen zufrieden sein. Die Auslastung in der Wiener Staatsoper betrug – bei erheblich mehr Aufführungen – in der letzten Saison bei den Sitzplätzen 99,1 Prozent (Bei 281 !!! Vorstellungen auf der Hauptbühne der Wiener Staatsoper wurde diese phantastische Sitzplatzauslastung erreicht.) Die Bayerische Staatsoper in München konnte sich über eine Auslastung von 96,6 Prozent freuen. Und die Staatsoper Unter den Linden in Berlin über 90 Prozent im Jahr 2019.

Zudem ist die Angabe von 80 Prozent Auslastung (Vorsaison: 74 Prozent) für den Opernbetrieb in HH nach Angaben von Mitarbeitern der Staatsoper Hamburg leicht „geschönt“. Etwa 10 Prozent der Opernkarten gehen in vielen Aufführungen umsonst oder sehr kostengünstig an Mitarbeiter, family and friends, an Studenten, Schüler und Auszubildende sowie an sozial schwächere Menschen. „Staatsoper Hamburg, Spielzeit 2020/21, Auslastung
klassik-begeistert.de“
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"Lulu" von Alban Berg steht auf dem Programm... und die Staatsoper Hamburg ist wieder mal nur halb voll

Mit Alban Berg wird offenbar das Publikum heutzutage verschreckt. Das Haus war nur etwa zur Hälfte besetzt. Es müssen aber zahlreiche Berg-Liebhaber anwesend gewesen sein, denn der Beifall war lang andauernd und besonders herzlich für Veronica Eberle, Mojca Erdmann und Kent Nagano. Eine gegen die Gefühle der Oper gerichtete Inszenierung wird von einem angehängten Violinkonzert unterlaufen.

Staatsoper Hamburg, 5. Februar 2020
Alban Berg, Lulu
Foto: Kent Nagano, © Felix Broede

von Dr. Ralf Wegner

Vor drei Jahren erlebten wir die Premiere B dieser Marthaler-Inszenierung in den akzeptablen Bühnenbildern von Anna Viebrock, die allerdings auch für die hässlichen Kostüme der männlichen Sänger verantwortlich zeigte. Sie waren alle in lange Unterhosen gekleidet. Das Orchester spielte unter der musikalischen Leitung von Kent Nagano unverändert gut, emotional berührend klang wieder Veronica Eberles Violine in dem die Oper abschließenden Bergschen Violinkonzert.

Dies war jetzt meine 6. gesehene Lulu-Aufführung in der 4. erlebten Inszenierung. Sie ist mit dreieinviertel Stunden Nettospielzeit auch die längste und von der Spannung her die durchhängendste. Marthaler hat der Oper die ihr innewohnende Emotionalität ausgetrieben. Das Beziehungsgeflecht zwischen Lulu und den ihr sexuell und/oder in Liebe Verfallenden wird nicht betont, sondern ihm durch eine analytische, vom Sprechtheater übernommene Herangehensweise die unmittelbare, eigentlich operntypische Gefühlsebene genommen. „Alban Berg, Lulu,
Staatsoper Hamburg, 5. Februar 2020“
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Ein absolutes Meisterwerk: John Neumeier erzählt Tennessee Williams’ „Glasmenagerie“ eindringlich, transzendierend und voller Wehmut

Foto: © Kiran West

Hamburgische Staatsoper, 31. Januar 2020

Ballett von John Neumeier nach Tennessee Williams’ „Die Glasmenagerie“

„Ein Ballett der Erinnerungen“

von Dr. Holger Voigt

Schon lange hatte sich der Intendant des Hamburg Balletts mit dem Gedanken getragen, Tennessee Williams’ „Glasmenagerie“ zu choreografieren. Dieses Werk des US-amerikanischen Schriftstellers prägte John Neumeiers Vita in ganz persönlichem Sinne. Der Regisseur der von ihm 1956 besuchten Vorstellung, Father John Walsh S.J., wurde ein enger Freund und Mentor des sich gerade erst entwickelnden Tänzers und späteren Choreografen und blieb es bis zu seinem Tode. Nun, mit 80 Jahren, realisierte John Neumeier diesen immer präsenten Wunsch, die innersten Welten der Protagonisten des Dramas in die Räume von Bewegungssprache hinein zu erweitern: Wo das Wort endet, beginnt der Tanz. „John Neumeier, Die Glasmenagerie,
Hamburgische Staatsoper, 31. Januar 2020“
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Genial und berührend: John Neumeiers "Glasmenagerie" in Hamburg

Zwischen Anfang und Ende passiert viel. So viel, dass man es nach einem Besuch noch nicht vollständig fassen kann. Neumeier hat hier ein geniales Werk vorgelegt, das in dieser Dichte, Eindringlichkeit und auch Schönheit im Detail seinesgleichen sucht.

John Neumeier, Die Glasmenagerie (nach Tennessee Williams)
Hamburg Ballett
Staatsoper Hamburg, 31. Januar 2020
Die neunte Vorstellung seit der Premiere

von Ralf Wegner

Die Kritiken zu dieser Uraufführung am 1. Dezember letzten Jahres waren ja überschwänglich. Deshalb war ich zunächst skeptisch, wurde aber gleich zu Beginn des Stücks emotional überrollt. Nie habe ich einen so wunderbaren Beginn eines Bühnenstücks gesehen. Links steht ein eiserner Treppenturm in der Art der Feuerleitern von New York, in der Mitte wird eine schräge Wand mit blauen Wellen bespielt. Wir befinden uns am Mississippi. Tennessee Williams Stück spielt in St. Louis in Missouri, einem Ort, an dem man nicht bleibt, sondern von dem es in die Fremde, vor allem gen Westen geht. Letztlich hält es auch Tom, einer der Protagonisten, in der Enge der Familie und der Stadt nicht aus. Er verlässt am Ende des Stücks seine träumerische Mutter Amanda und die gehbehinderte Schwester Laura. „John Neumeier, Die Glasmenagerie (nach Tennessee Williams), Hamburg Ballett,
Staatsoper Hamburg, 31. Januar 2020“
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Junge Talente aus Neumeiers Ballettgarten präsentieren ihr Können

Bildquelle: Staatsoper Hamburg (c)

Staatsoper Hamburg, 26. Januar 2020
Ballettwerkstatt „Debüt“

Hamburg Ballett
John Neumeier

von Ralf Wegner

John Neumeier lud am Sonntagvormittag zur 229sten Ballett-Werkstatt ein. Wie je­des Jahr gab er seinen Tänzerinnen und Tänzern die Möglichkeit, einmal mit einer Wunschpartie aufzu­tre­ten. Jeder, egal ob Aspirant oder Erster Solist, durfte bei ihm einen Zettel mit der oder den entsprechenden Rollen einreichen; von manchen wünschte sich aber auch Neu­meier selbst die Einstudierung neuer Partien. Insgesamt wurden Soli, Pas de deux und Pas de trois sowie Gruppen­tänze aus 13 Choreografien des Hamburger Ballettin­tendanten gezeigt, zum Teil noch mit leichter Anfänger­ner­vosität, sonst aber auch bei den Gruppentänzerinnen und -tänzern auf sehr hohem Niveau. „Hamburg Ballet, John Neumeier,
Hamburgische Staatsoper, 26. Januar 2020“
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Das Hamburg Ballett überzeugt in John Neumeiers Choreographie zu Glucks "Orphée et Euridyce"

Foto: © Kiran West

Staatsoper Hamburg, 24. Januar 2020

Christoph Willibald Gluck, Orphée et Eurydice

Inszenierung, Choreografie, Bühnenbild, Kostüme und Licht: John Neumeier

von Ralf Wegner

Gluck komponierte diese Oper 1762 für Wien und 1774 ab­ge­ändert für Paris, mit ergänzender Ballettmusik und um­ge­schrieben für einen ho­hen Tenor. Am Freitag errei­chte der russische Tenor Dmi­try Korchak als Orphée zwar die hoch gelegenen Töne der Partie, allerdings, wenn er nicht die Kopfstimme einsetzte, mit engem und leicht grellem Klang. Die Koloraturen der dramatischen Arie am Ende des ersten Ak­tes klangen mir zu verschliffen. Auch in der Mittel­lage fehl­te es Korchak für mein Empfinden an Klang­fülle und an einer mitempfin­denden gesanglichen Gestal­tungsfähigkeit. Vielleicht hat es der Regisseur gewollt, dass sein Orphée so nach innen ge­kehrt, fast autistisch wir­kend die Szenerie durchmaß. „Christoph Willibald Gluck, Orphée et Eurydice,
Staatsoper Hamburg, 24. Januar 2020“
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Musikalisches Feuerwerk überstrahlt unausgegorene Inszenierung: „Falstaff“ an der Staatsoper Hamburg

Staatsoper Hamburg, 19. Januar 2020
Giuseppe Verdi, Falstaff
(Premiere)

Ida Aldrian, Maija Kovalevska, Elbenita Kajtazi, Nadezhda Karyazina.
Foto: Monika Rittershaus ©

von Guido Marquardt

Verdis Alterskomödie gerät in Hamburg zu einer gelungenen Charakterzeichnung mit sehr guten bis herausragenden Gesangsleistungen. Der Regie mangelt es unterdessen an einer überzeugenden Gesamtidee, sie verliert sich in einer Mischung aus milder Provokation, leerer Dekonstruktion, fehlender Detailgenauigkeit und einigen gelungenen Einfällen. Das Publikum honoriert die musikalischen Leistungen, lässt die Inszenierung aber durchfallen.

„Tutta nel mondo è burla, l’uom è nato burlone.“ Alles ist Spaß, wir alle sind Narren: Wenn die letzte Oper eines Komponisten mit einer solchen Diagnose der Titelfigur endet, ist man natürlich geneigt, Rückschlüsse auf den Verfasser zu ziehen. Nun steht ja der überwältigende Großteil von Verdis Werk eher weniger unter humoristischen Vorzeichen. Lange hatte er nach einem geeigneten Stoff gesucht, um nach dem komplett gefloppten „Un giorno di regno“ noch ein weiteres Mal eine komische Oper auf die Bühne zu bringen. Die Vorgeschichte ist ein Thema für sich – festzuhalten bleibt, dass Verdis Librettist Arrigo Boito eine meisterhafte Verdichtung des Shakespeareschen Materials aus drei Theaterstücken gelang, von denen wiederum nur eines den Komödien zuzurechnen ist. „Giuseppe Verdi, Falstaff (Premiere),
Staatsoper Hamburg, 19. Januar 2020“
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Ein großer Wurf: Die Ambrogio-Maestri-Show begeistert in Hamburg

Vermutlich kann den Falstaff derzeit keiner besser singen und spielen als der italienische Bariton Ambrogio Maestri. Mit einer mächtigen Stimme baritonalen Wohlklangs artikuliert er die Feinheiten seiner Partie auf höchstem sängerischen Niveau: Wandlungsfähig, dynamisch und glasklar brilliert er hier in seiner Paraderolle.

Fotos: Ambrogio Maestri © Monika Rittershaus

Ulrich Poser berichtet über die Premiere des „Falstaff“ von Giuseppe Verdi in der Staatsoper Hamburg vom 19. Januar 2020

Was für ein wunderbarer Abend!

Dem Falstaff-Libretto von Arrigo Boito liegt auch Shakespeares Werk „Die lustigen Weiber von Windsor“ zugrunde; ein eher krudes Tür-auf-Tür-zu-Verwirrstück um einen verfressenen, liebeshungrigen, dicken Mann, in dem sich die Protagonisten „spaßeshalber“  gegenseitig ins Bockshorn jagen.

In musikalischer Hinsicht gehört Verdis zweite komische Oper und letztes Bühnenwerk zu den Stücken, deren kompositorische Schätze man erst beim zweiten und anschließenden Hören entdeckt. Es fehlen typische Verdi-Gassenhauer, was der Genialität und Qualität dieser italienischen Meistersinger-Anleihe aber keinen Abbruch tut. Feinste Orchestrierung, atemberaubender Satzgesang und wunderschöne Melodien sind die herausragenden Elemente dieser betörenden Musik, bei deren Komposition Verdi noch einmal tief in seine Trickkiste gegriffen hat. Nach und nach offenbart sich hier ein geniales Meisterstück.

„Giuseppe Verdi, Falstaff,
Staatsoper Hamburg, 19. Januar 2020“
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