Opernfestival im Römersteinbruch (Burgenland, Österreich): Hier ermordeten SA-Nazis etwa 100 ungarische Juden

Menschen, die Informationen über die Opfer des Holocaust beitragen können oder Informationen geben können, wenden sich bitte an Yad Vashem https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de

Ritterbands Klassikwelt 22: Der Schauplatz dieses Nazi-Massakers ist in diesen Tagen die imposante Kulisse des jährlichen Opernspektakels „Oper im Steinbruch St. Margarethen“ – und es wundert und schmerzt den informierten Beobachter, dass zweifellos kein einziger der Zuschauer des großartigen Historiendramas über die biblischen Hebräer („Nabucco“ von Giuseppe Verdi)  auch nur eine Ahnung hat, dass sich genau hier und nicht im zeitlich und geografisch fernen Babylon ein viel schlimmeres Drama abgespielt hat, möglicherweise unter Billigung oder gar aktivem Zutun seiner Vorfahren.

von Dr. Charles E. Ritterband (Text und Foto)

Jahr für Jahr werden im Römersteinbruch nahe des burgenländischen Weinstädtchens St. Margarethen spektakuläre Freiluft-Opernproduktionen mit erstklassigen Sängern, einem hervorragenden Orchester und aufwändigem, in die schroffe Felslandschaft des Steinbruchs raffiniert integriertem Bühnenbild gezeigt. Zu dieser größten Naturbühne Europas strömen jeden Sommer Tausende von Besuchern, vor allem aus dem knapp eine Autostunde entfernten Wien.

Wie auf der Seebühne Bregenz, am westlichen Ende Österreichs, gibt man den großen, allseits bekannten Opern mit umfangreichen Chören und berühmten Arien den Vorzug, und dieses Jahr wurde Verdis „Nabucco“ (in der Inszenierung von Francisco Negrin), dieses biblische Freiheitsepos der geknechteten Hebräer, zur Aufführung gebracht – mit Sängerinnen und Sängern der Weltklasse. „Opernfestival im Burgenland: Hier ermordeten SA-Nazis etwa 100 ungarische Juden
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Ritterbands Klassikwelt 21: Sensationeller Fund in einem Keller in San Francisco – Uraufführung nach 89 Jahren

© Andreas Lander

Eugen Engel     Grete Minde

Oper in drei Akten
Libretto von Hans Bodenstedt nach Theodor Fontanes
gleichnamiger Novelle
Uraufführung

von Charles E. Ritterband

Am Theater Magdeburg ist am 13. Februar 2022 eine Oper uraufgeführt worden, deren Geschichte berührender und dramatischer ist als der Inhalt der Oper selbst: „Grete Minde“ wurde im Jahr 1933, nach der Machtergreifung Hitlers, vom Komponisten, dem deutsch-jüdischen Textilkaufmann und musikalischen Autodidakt Eugen Engel fertiggestellt. Das Werk konnte damals aus bekannten Gründen nicht aufgeführt werden. Die komplette handschriftliche Partitur reiste 1941 im Koffer der Tochter auf ihrer Flucht in die USA – und ging in einem Keller ihres Hauses in San Francisco vergessen.

Zwei Jahre später wurde der Vater, der vergeblich auf Aus- und Einreiseerlaubnisse gewartet hatte, um der Tochter nachzufolgen, von der SS in Amsterdam aufgegriffen, ins Vernichtungslager Sobibor verschleppt – und dort im Alter von 67 Jahren ermordet. Keines seiner acht Geschwister überlebte die Shoah. Aber sein Werk überlebte! „Ritterbands Klassikwelt 21: Die verschollene Oper eines Holocaust-Opfers“ weiterlesen

Ritterbands Klassikwelt 20: Lockdown auf der Insel

„Das Insulare des Lockdown, wo man unweigerlich auf sich selbst zurückgeworfen ist, wird durch die Geographie der Insel verstärkt, potenziert – und manchmal nahezu unerträglich.“

von Charles E. Ritterband

Ein Lockdown ist, wie wir inzwischen alle wissen, keine einfache Sache. Alles, was einem lieb, teuer und wichtig war, ist nun plötzlich schwierig, unerreichbar – oder schlicht verboten: Oper, Konzerte, Reisen, spontane Flirts, Familienbesuche, gemeinsame Mahlzeiten mit Freunden. Aber auf einer Insel ist das alles noch viel schwieriger. Inseln können als ausbruchssichere Gefängnisse fungieren – von Alcatraz bis zur Teufelsinsel in Französisch-Guayana, auf die Hauptmann Dreyfus 1895 schuldlos verbannt wurde. Inseln können auch Orte der Inspiration sein: Heinrich Böll beispielsweise verbrachte seine Sommerferien in den 50er Jahren gerne auf der Insel Achill im Westen Irlands. Und Paul Gauguin suchte paradiesische Exotik auf Tahiti. „Ritterbands Klassikwelt 20: Lockdown auf der Insel“ weiterlesen

Ritterbands Klassikwelt 19: Die singenden Wände von Petworth House

„Einmal besuchte eine musikalische Gruppe – ein Chor – das Herrenhaus. Als sie im „Carved Room“ Purcells geschnitzte Partitur entdeckten, nahmen die Sänger Aufstellung – und sangen die „Fairy Queen“ vom Blatt der vom niederländischen Künstler Gibbons in Lindenholz verewigten Purcell-Partitur.“

von Charles E. Ritterband

Vor einigen Wochen, als man noch reisen konnte, fuhr ich in die englische Grafschaft West Sussex und besuchte das mächtige, der prunkvollen Architektur von Versailles nacheifernde Schloss Petworth House aus dem späten 17. Jahrhundert: Weit über die Grenzen Großbritanniens hinaus berühmt wegen seiner einmaligen Gemälde- und Skulpturensammlung. Diese, im „Goldenen Zeitalter“ des Schlosses 1774 – 1779 zusammengetragen von dem Eigentümer und ambitiösen Kunstmäzen, dem 3. Earl of Egremont, wirkt auf den heutigen Besucher allerdings weniger ästhetisch als vielmehr wegen ihrer gewaltigen Fülle und Dichte geradezu beängstigend – man will am ehesten sofort die Flucht ergreifen. Doch die hier an der Wand hängenden Gemälde und die mit Minimalabstand aufgestellten Skulpturen sind, für sich genommen, einzigartig. Der 3. Earl hatte nicht nur eine Unmenge Kunstwerke angehäuft – sondern auch unzählige Mätressen, von denen er nicht weniger als 43 Kinder hatte… „Ritterbands Klassikwelt 19: Die singenden Wände von Petworth House“ weiterlesen

Ritterbands Klassikwelt 18: Lob der Stille

„Wir haben uns daran gewöhnt, Musik laut zu hören. Viel zu laut, eigentlich. Und dann gehen wir ins Opernhaus zur Live-Vorstellung und wundern uns, dass uns die Stimmen dort gefallen, ja begeistern und entzücken – aber längst nicht mehr zur Ekstase treiben. Wir sind, sozusagen, akustisch blasiert.“

von Charles E. Ritterband

„The Sound of Silence“ – die Klänge der Stille: Poetischer war selten ein Paradoxon! Und doch – wer je die Stille der Wüste erfahren hat, der weiß, dass die Stille Klänge hervorbringt, dröhnende Töne, das Pulsieren unseres eigenen Blutes in den Ohren. „Sound of Silence“ betitelte Paul Simon seine im Oktober 1964 geschaffene Komposition. Sie blieb unbeachtet. Vorerst. Denn ein knappes Jahr später, am 13. September 1965 erschien eine überarbeitete Fassung als Single. Von da an ging es senkrecht hinauf mit dem „Klang der Stille“. Denn im Jahr darauf schaffte diese Single in den USA die Spitzenposition in den Charts – und eroberte bald auch die österreichische und die deutsche Musikszene. „Ritterbands Klassikwelt 18: Lob der Stille“ weiterlesen

Ritterbands Klassikwelt 17: „Rule Britannia“ ohne Worte – Misstöne in Britanniens inoffiziellen Nationalhymnen

Rule Britannia, Jerusalem und Land of Hope and Glory werden, Covid und Political Correctness zum Trotz, weiterhin unverzichtbarer Bestandteil des britischen Sommers bleiben – auch wenn nach dem unvermeidbar kommenden nächsten schottischen Unabhängigkeitsreferendum Großbritannien nur noch aus England und Wales besteht.“

von Charles E. Ritterband

Das Zusammentreffen der Corona-Pandemie und der Protestwelle unter dem Motto „Black Lives Matter“ („schwarze Leben zählen“) hat zu neuen Varianten von „political correctness“ geführt. Teils mit spektakulären, teils aber auch skurrilen Ergebnissen: So hat sich die Fast-Food-Kette KFC („Kentucky Fried Chicken“) von ihrem seit 64 Jahren in den mehr als 20.000 Filialen hochgehaltenen Slogan verabschiedet, der behauptet, ihre frittierten Hühnerteile seien „finger lickin‘ good“ (so gut, dass man danach die Finger abschlecken möchte) – denn in Zeiten von Corona widerspreche solches Verhalten krass sämtlichen ärztlichen Empfehlungen. „Ritterbands Klassikwelt 17: „Rule Britannia“ ohne Worte – Misstöne in Britanniens inoffiziellen Nationalhymnen“ weiterlesen

Ritterbands Klassikwelt 15: Miss Marple und Mozart

von Dr. Charles E. Ritterband

Foto: Margaret Rutherford als Mrs. Marple (c) pinterest

Was ist der Zusammenhang zwischen Miss Marple und Mozart? Agatha Christie ist nach wie vor Englands beliebteste Krimi-Autorin, und ihre Hauptfigur, Miss Marple aus dem Dörfchen St. Mary Mead, die der lokalen Polizei zwar chronisch auf die Nerven , aber den Profis  stets eine Nasenlänge voraus ist, ist seit 92 Jahren „Kult“. Mindestens acht verschiedene Generationen von Schauspielerinnen haben die pfiffigste „Spinster“ („alte Jungfer) der Krimi-Geschichte verkörpert. Meine persönliche Favoritin: die schrulligste von allen, Margaret Rutherford, Miss Marple von 1961 bis 1964 – aber von der Autorin Agatha Christie wurde sie nicht sehr geschätzt, und in einer Publikumsumfrage wurde Joan Hickson zur beliebtesten Miss Marple gekürt. Samstagabend amüsierte ich mich mit einer BBC-Verfilmung des 31. Kriminalromans von Agatha Christie unter dem Titel „The Body in the Library“ (Die Leiche in der Bibliothek) Februar 1942.

Pace, pace mio Tesoro

Was aber hat Miss Marple mit Mozart zu tun? Der Fall ist, wie immer vertrackt: Wie kommt die Leiche der jungen Frau in die Bibliothek im Landhaus des pensionierten Offiziers Mr. Bantry? Und handelt es sich bei der Toten bei der tatsächlich um die vermisste Ruby Keene? Miss Marple kommt den Tatsachen auf die Spur, als sie mit ihrer Freundin Dolly, der Gattin jenes Offiziers auf der Esplanade von Bournemouth entlang promeniert. Die (etwas dümmliche und allzu geschwätzige) Dolly pfeift unwillkürlich die Melodie vor sich hin, welches das Salonorchester des Grand Hotels am Abend zuvor intoniert hatte: Es ist das wunderschöne Terzett (Figaro, Susanna, Graf Almaviva) aus dem letzten Akt von Mozarts „Hochzeit des Figaro“ – „Pace, pace mio dolce tesoro“. „Ritterbands Klassikwelt 15: Miss Marple und Mozart
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Ritterbands Klassikwelt 14: Topfpflanzen im Zuschauerraum und stumme West-End-Musicals

von Charles E. Ritterband

Die Corona-Krise beschert uns traurige, aber bisweilen auch skurrile Bilder: Orchester, die in leeren Häusern spielen – die Konzerte werden via Internet „gestreamt“ oder, wie die beliebten Lunchtime-Konzerte in der renommierten Londoner Wigmore Hall, auf dem Klassik-Sender BBC 3 im Radio übertragen. Oder Opernhäuser, in denen von Zuschauer zu Zuschauer zwei Plätze leer zu bleiben haben – selbstverständlich besteht in vielen Häusern Masken-Pflicht, Gummihandschuhe werden auf den Toiletten übergestülpt.

Das ehrwürdige Gran Teatre del Liceu an den Rambles in Barcelona geht einen anderen Weg: Es öffnet am Montag nach der Corona-Zwangspause wieder seine Pforten – aber nicht für Zuschauer der Species Homo Sapiens, sondern für Topfpflanzen in artenreicher Vielfalt. Immerhin 2292 Pflanzen werden den eleganten goldenen Saal bevölkern und passenderweise den wunderbar verträumten Klängen von Puccinis Streichquartet „I Crisantemi“ (Die Chrysanthmen). Das Konzert steht unter dem Titel „Concierto Para El Bioceno“ Das Konzert wird am Montag um 17 Uhr via Livestream aus dem Teatro Liceu Barcelona zu sehen sein. „Ritterbands Klassikwelt 14
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Ritterbands Klassikwelt 13: Mozarts kruder Humor – but Margaret Thatcher was not amused

Mozarts berühmter sechsstimmiger Kanon „Leck mich im Arsch“ (KV 213), der übrigens musikalisch auf dem letzten Satz von Haydns Symphonie No. 3 in G-Dur beruht, vermag diesseits des Ärmelkanals wohl niemanden mehr in Erstaunen oder gar Empörung zu versetzen. Anders die frühere Premierministerin Margaret Thatcher (mit der ich übrigens in den 90er Jahren als NZZ-Korrespondent für Großbritannien ein ausführliches Interview geführt hatte). Sie schaute sich im Londoner West End das damals sehr beliebte Theaterstück „Amadeus“ von Peter Shaffer an – das ja ziemlich großzügig mit den biographischen Fakten umgeht.

von Charles E. Ritterband

Unbelehrbare Premierministerin

Der Regisseur von „Amadeus“, Peter Hall – Gründer übrigens der Royal Shakespeare Company – erinnert sich an den Theaterbesuch der Iron Lady: „Sie war nicht erfreut. In ihrem berüchtigten Gouvernanten-Stil tadelte sie mich heftig dafür, Mozart als Lausbub mit einer Vorliebe für obszöne Kraftausdrücke auf die Bühne zu bringen. Es sei doch undenkbar, argumentierte Thatcher, dass ein Mann, der so exquisite und elegante Musik geschaffen habe, derart unsägliche Dinge gesagt und geschrieben haben soll. „Ritterbands Klassikwelt 13: Mozarts kruder Humor – but Margaret Thatcher was not amused“ weiterlesen

Ritterbands Klassikwelt 12: „Va Pensiero“… Die Fortsetzung

„In manchen Jahren der NS-Schreckensherrschaft wurde Verdi öfter aufgeführt als Wagner. Doch „Nabucco“ mit den unterdrückten, am Ende gegen die babylonische Übermacht (die man ohne weiteres als das NS-Reich hätte identifizieren können…) triumphierenden Juden – das ging ebenso wenig wie die Polin, welche die Reize aller Frauen in sich vereine.“

von Charles E. Ritterband

In „Klassikwelt“ 11 hatte ich über die Bedeutung des wohl berühmtesten Opernchors aller Zeiten – „Va Pensiero“ – aus „Nabucco“ nachgedacht. Ich stellte mir damals die keineswegs originelle Frage, ob – je nachdem – der Gefangenenchor oder die Freiheitshymne an zentraler Stelle in Verdis berühmter Oper als „geheime Nationalhymne Italiens“ als Fanal zur Abschüttelung der Habsburgischen Herrschaft betrachtet werden kann. Es ist, zweifellos, ein emotionsgeladenes Stück, das besonders den Italienern unverzüglich ans Herz und an die Tränendrüsen geht.

Ritterbands Klassikwelt 11: „Va pensiero“ im Cyberspace statt auf „Goldenen Schwingen“

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