Schweitzers Klassikwelt 138: Verkleidungsposse: Ein Bariton mutiert zum Tenor


Bild: Original Score Cover, Mailand 1892

Ein aufdringlich hergerichteter Tonio tritt vor den Vorhang und beginnt den Prolog. Die berüchtigte Höhe bleibt spannungslos. Wir mussten bei der Interpretation nicht aufgeregt mit leben. Es klang nicht nach Bravour eines Baritons mit guter Höhe. Es war ja auch Canio, der Tenor, der gegen Schluss des Prologs die Maske abnahm.

von Lothar und Sylvia Schweitzer

Warum haben wir nicht gleich Verdacht geschöpft? Adam Plachetka hat wie auch viele eben international bekannt gewordene Baritone ein zu wenig charakteristisches Timbre. Mächtigkeit der Stimme geht, wie in letzter Zeit bei Nabucco und Macbeth erfahren, vor Einzigartigkeit. Wir sind uns bewusst, dass diese Verteidigung auf tönernen Füßen steht, und wir sind beschämt unsren Liebling Jonas Kaufmann nicht erkannt zu haben. Journalistenkollegen trösteten uns, wir bräuchten nicht zerknirscht zu sein, wir waren nicht die Einzigen.    „Schweitzers Klassikwelt 138: Verkleidungsposse
klassik-begeistert.de, 27. Mai 2025“
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Schweitzers Klassikwelt 137: Mit Händen und Füßen die Begeisterung ausdrücken

Foto ©  BR Bayerischer Rundfunk / Franziskus Büscher

In Österreich heißt es in der Mundart „mit Händ’ und Fiaß“. Meine Frau liebt es nicht, wenn ich im besonderen Fall beim Applaus zu trampeln beginne, obwohl es nach Meinung einer ehemaligen Soubrette die höchste Auszeichnung für die Künstlerin oder den Künstler bedeutet.

 von Lothar und Sylvia Schweitzer

Schon die Römer in der Antike hatten in der Zirkusarena eine genau festgelegte Applausordnung. Zunächst wedelten sie mit dem Zipfel der Toga, bei etwas mehr Begeisterung schnippten sie mit den Fingern – und wenn sie völlig aus dem Häuschen waren, dann klatschten sie in die hohlen Hände.

Römisches Theater in Pula © Lothar Schweitzer

Zur Zeit Beethovens durfte man noch zwischen den Sätzen einer Symphonie klatschen. Es könnte doch der eine Satz gefallen, der andere weniger. Dagegen darf in der Oper nach einer Arie geklatscht und auch gerufen werden. „Schweitzers Klassikwelt 137: Begeisterung zeigen
klassik-begeistert.de, 13. Mai 2025“
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Schweitzers Klassikwelt 136: Sind Buhrufe gerechtfertigt?

Foto: Christoph Bosch

„Mit zunehmendem Alter wird man milder.“ Diesen Ausspruch eines Professors knapp vor seinem Ausscheiden aus dem Universitätsdienst ist mir nach einer Prüfung im Gedächtnis geblieben und wir glauben als Opernkritiker heute dieselbe Erfahrung zu machen.

von Lothar und Sylvia Schweitzer

Für meine Frau und mich galt aber von Anfang an bezüglich akustischen Missfallenskundgebungen als bindende Regel: Niemals gegenüber Frauen und bei Männern nur, wenn es sich um eine selbst gewählte falsche Partie handelt. So geschehen, als ein Bariton als Sarastro auftrat und ein verdienter Kurwenal als Großinquisitor. Wenn der Wotan in der „Walküre“ nicht die Wotanstiefe besitzt, fehlt  uns bei ansonsten ausgezeichneter Besetzung etwas und wir gehen unzufrieden nach Hause. „Schweitzers Klassikwelt 136: Buhrufe
klassik-begeistert.de, 29. April 2025“
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Schweitzers Klassikwelt 135: 11 aus 45 - unsere Auswahl an Höhepunkten in der Wiener Staatsoper


6 aus 45 heißt es im österreichischen Lotto. Die Wiener Staatsoper bietet in dieser Saison ebenfalls zufällig 45 verschiedene Opern. Wir haben uns für ein Viertel des Opernangebots interessiert. Beim Lotto verbanden wir die vorgeschrieben sechs Zahlen mit persönlichen Lebensdaten, auch mit Mehrfachem der Lieblingszahl Neun. Nicht bedacht hatten wir, dass wir dadurch gezwungen sind lebenslang weiter zu spielen. Und was waren die Beweggründe in dieser Spielzeit gerade diese elf Opern zu wählen?

 von Lothar und Sylvia Schweitzer

Von unsrer eindrucksvollsten Konstanze Lisette Oropesa erhofften wir eine „Befreiung“ von Ileana Cotrubaş, dem Violetta-Idol aus den Siebzigerjahren. Aber der wunderschöne, edle Klang ihrer Stimme war für diese „vom Wege Abgekommene“ zu mädchenhaft.

Lisette Oropesa © Steven Harris

Am Ende eines langen und erfahrungsreichen Studiums äußerte der Professor beim letzten Colloquium vor dem Abschlussrigorosum: „Meine Herren, Sie denken zu kompliziert.“ Mit diesem Vorwurf wollten wir die neue Così fan tutte – Inszenierung in einer Rezension abschließen. Aber es kam aus Krankheitsgründen nicht dazu.

Ganz im Gegenteil verließen wir uns bei „Le nozze di Figaro“ auf die guten Kritiken und wollten diese Oper und ihre vielversprechende Besetzung einfach genießen. „Schweitzers Klassikwelt 135: 11 aus 45
klassik-begeistert.de, 15. April 2025“
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Schweitzers Klassikwelt 134: Wie geht es weiter mit unseren jungen Ensemblemitgliedern?

Wiener Staatsoper © Michael Pöhn

Der „Thema“- Moderator Christoph Feurstein des ORF hat einmal gesagt, dass sie die Menschen der gebrachten Porträts, ohne dass davon in den Sendungen mehr geredet wird, weiter begleiten. Das wollen wir uns heute zum Vorbild nehmen und nachsehen, wie es einigen unserer Künstlerinnen und Künstler aus den Klassikwelten „Vom Mitglied des Opernstudios zum Ensemblemitglied“ geht.

von Lothar und Sylvia Schweitzer

Beginnen wir mit der Mezzosopranistin Isabel Signoret, die sich an der Wiener Staatsoper sehr wohl fühlt und hier ihr künstlerisches Zuhause sehen möchte.

Als neue Rollen sind die Minerva in Monteverdis „Il ritorno d’Ulisse in patria“ und die wissbegierige und verunsicherte Ziege Muriel in Alexander Raskatovs „Animal Farm“ hinzugekommen. Der russische Komponist (*1953) liebt stimmliche exzentrische Ausschweifungen. Wir konnten uns selbst überzeugen, dass diese Partie ihren Mezzo dankenswerterweise ruhig strömen lässt. „Schweitzers Klassikwelt 134: Unsere jungen Ensemblemitglieder
klassik-begeistert.de, 1. April 2025“
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Schweitzers Klassikwelt 133: Werden wir weiter Opernfans bleiben können? Unsere Vorstellung von Operngesang

Deckenbeleuchtung Teatro la Fenice (Venezia) © Lothar Schweitzer

von Lothar und Sylvia Schweitzer

Ein Operngenuss kann vielgestaltig sein. Als Heimoper analog dem Heimkino über das Fernsehen oder über den Hörfunk. Studioaufnahmen auf Compact Discs weichen immer mehr Live-Mitschnitten auf DVDs, was ehrlicher ist, denn die Studio-Aufnahmetechnik vermag auszugleichen. Freunde leisten sich da kostspielige Wiedergabegeräte.

„Schweitzers Klassikwelt 133: Werden wir weiter Opernfans bleiben können?
klassik-begeistert.de, 18. März 2025“
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Schweitzers Klassikwelt 132: Die nahezu unendliche Zahl an Opern

© by Florian Noetzel Verlag, zweite, stark erweiterte Auflage 1991

„Das große Handbuch der Oper“ verdient seine Beifügung „groß“ im wahrsten Sinn des Worts, enthält es doch über 1800 Werke.

 von Lothar und Sylvia Schweitzer

„Handbuch“ ist da mehr bildlich zu verstehen. Im in „Schweitzers Klassikwelt 99“ gelobten Opernführer „OPERA Komponisten. Werke. Interpreten“ zählen wir bloß rund 440 Opern, ein knappes Viertel. Dafür aber werden wir nicht nur über die handelnden Personen, ihre Stimmlage und den Inhalt informiert, sondern der Band ist mit mannigfachen historischen Aufnahmen illustriert und enthält aufschlussreiche Kommentare. Im Opernführer des Reclam Verlags, der kostengünstig Weltliteratur in Kleinformat druckt, zählten wir noch weiter reduziert etwa 250 Opern. „Schweitzers Klassikwelt 132: Die nahezu unendliche Zahl an Opern
klassik-begeistert.de, 4. März 2025“
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Schweitzers Klassikwelt 131: Dietrich Fischer-Dieskau betrachtet das Leben seines Meisters – Teil 2

Umschlaggestaltung P. Agentur für Markengestaltung – nach einer Grundkonzeption von Mediabureau Di Stefano, Berlin  Titelbild: Hugo Wolf nach einer Fotografie um 1895        

Es fällt auf, dass im zweiten Abschnitt des Werks unter dem Titel „Die großen Liedfolgen“ das Kapitel „Mörike“ den weitaus größten Umfang einnimmt. Und wieder entdecken wir Vergleichsmöglichkeiten zu einem anderen Buch, einer Art Biografie über den „Sänger seiner Lieder“, Leonard Cohen.

von Lothar und Sylvia Schweitzer

Sind es im Fall Hugo Wolfs zwei Personen, der Dichter Eduard Mörike und der Komponist Hugo Wolf, so ist bei Leonard Cohen der Übergang vom Genre des Gedichts zu dem des Lieds fließend und geschieht in Personalunion. „Schweitzer Klassikwelt 131: Hugo Wolf –  Teil 2
klassik-begeistert.de, 19. Februar 2025“
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Schweitzers Klassikwelt 131: Dietrich Fischer-Dieskau betrachtet das Leben seines Meisters – Teil 1

Umschlaggestaltung: P. Agentur für Markengestaltung – nach einer Grundkonzeption von Mediabureau  Di Stefano, Berlin  Titelbild: Hugo Wolf nach einer Fotografie um 1895  

Fast haben wir Hemmungen, die große Bedeutung der musikhistorischen Werke Dietrich Fischer-Dieskaus hervorzuheben, als wäre sein begnadetes Sängerleben nicht genug. Wir müssen vonseiten des Künstlers ein sehr gewissenhaftes und zeitraubendes Quellenstudium für so viele wertvollen Einzelheiten aus dem Leben des Komponisten Hugo Wolf annehmen.

von Lothar und Sylvia Schweitzer

Auf Umwegen kamen wir dazu, das inzwischen nur mehr antiquarisch erhältliche Buch aus dem Henschel Verlag wieder aufzuschlagen. Auch im Roman „Cilia“ des Autors Matthias Mander wird ein Lebensabschnitt Hugo Wolfs erwähnt. Aber erfundene Hauptfigur ist in diesem Roman eine schwanger allein gelassene junge Frau, deren Selbstfindung zum Plädoyer für das Leben wird.

„Schweitzers Klassikwelt 131: Hugo Wolf Teil 1
klassik-begeistert.de, 17. Februar 2025“
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Schweitzers Klassikwelt 130: „People with special needs“ (Menschen mit besonderen Bedürfnissen) in den Opern

Foto: Chorégies d´Orange, Rigoletto/forumopera.comi

Ich sehe ihn noch in die Szene hereinhinken: Aldo Protti als missgestalteter Hofnarr. Aber seiner mächtigen Stimme waren keine Hindernisse gesetzt. Ähnliche Gestalten kennen wir als Skulpturen aus dem Salzburger Zwergelgarten:

Sie traten in vergangenen Jahrhunderten bei Hof auch in Komödien auf. Das alles empfinden wir heute zwiespältig. Einerseits wurden auf diese Weise Menschen, die es im Leben schwer hätten, in die Gesellschaft integriert, andrerseits waren sie „homerischem Gelächter“ ausgesetzt. Wie buhlt Rigoletto beim Herzog liebedienerisch um Anerkennung! Gleichzeitig führt er ein moralisches Doppelleben. „Schweitzers Klassikwelt 130: „People with special needs“
klassik-begeistert.de, 4. Februar 2025“
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