„Katja Kabanowa“ in Berlin: Wir hören gemeinsam, wir sehen gemeinsam – wir leiden gemeinsam, wir feiern gemeinsam.

Knapp zwei Stunden ohne Pause hat uns dieses Gesamtkunstwerk in den Bann geschlagen. Dann schließt der Vorhang nicht richtig und kaum einer traut sich anfangs zu klatschen – bis Jubel losbricht über diesen fesselnden Abend. Im Theater, sagt Kosky, ist so viel Liebe. Man mag das kitschig finden. Aber es stimmt. Oh, Barrie. We love you, too.

Komische Oper Berlin, 27. November 2021 (PREMIERE)

Fotos: Katja Kabanowa, KOB, © Jaro Suffner

Leoš Janáček, Katja Kabanowa

von Sandra Grohmann

Berlins neue „Katja Kabanowa“ an der Komischen Oper Berlin hat das Publikum so in den Bann geschlagen, dass der Jubel über diesen in jeder Hinsicht (und jedem Hinhorch) gelungenen Abend sich erst nach und nach einstellen will. Barrie Kosky, der seine Premierenrede in diesen Zeiten nicht im Foyer halten kann, sagt es am Ende von der Bühne sprechend so: „In the Theater, it’s a Wir.“ Besser kann man nicht zusammenfassen, was an Abenden wie diesem mit uns allen geschieht, die wir vor, auf und mutmaßlich auch hinter der Bühne gepackt werden. Wir hören gemeinsam, wir sehen gemeinsam. Wir leiden gemeinsam, wir feiern gemeinsam. Fast hätte ich geschrieben: Wir fiebern gemeinsam mit, aber das lassen wir mal lieber. „Leoš Janáček, Katja Kabanowa
Komische Oper Berlin, 27. November 2021 (PREMIERE)“
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Bedrohlich und düster: Kosky inszeniert Brecht/Weills „Mahagonny“ an der Komischen Oper Berlin

Foto: Iko Freese / drama-berlin.de

Diese Oper ist absolut kein Wohlfühlstück, wie es vielleicht ein Teil des Publikums erwartet hat. In Koskys spannender, atmosphärisch dichter Inszenierung wirkt es wie ein Menetekel für das heraufziehende Unheil in der Entstehungszeit.

Kurt Weill/Bertolt Brecht
Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny

Nadine Weissmann   Witwe Begbick
Allan Clayton   Jim Mahoney
Alma Sade   Jenny Hill
Barrie Kosky   Regie
Ainārs Rubiķis   Dirigent

Komische Oper Berlin. Besuchte Aufführung 9. Oktober 2021

von Peter Sommeregger

Weills Oper ist aus dem  erweiterten „Songspiel Mahagonny“ hervorgegangen, das der Komponist noch vor der „Dreigroschenoper“ auf Texte von Bertolt Brecht vertonte. Beide Werke stehen für die Zeit der Depression, der politischen Krisen und der moralischen Orientierungslosigkeit der Zwischenkriegszeit. Mahagonny nimmt auch erschreckend deutlich eine Vorahnung des heraufziehenden Dritten Reiches in seinen teilweise menschenverachtenden Texten vorweg. Drei Jahre nach der Uraufführung kamen die Nazis an die Macht und Kurt Weill verließ Deutschland in Richtung USA.

Barrie Kosky legt seine Regie stark stilisiert an, die Handlung lässt er zwischen Spiegelwänden spielen, was sehr eindrückliche Bilder schafft. Der Verzicht auf Requisiten verdichtet noch die Intensität der Abläufe, die wie immer bestens disponierten Chorsolisten des Hauses werden diesmal auch als Darsteller stark gefordert, so verschwimmt eindrucksvoll die Grenze zwischen Chorist und Solist einmal mehr.

„Rezension: Kurt Weill/Bertolt Brecht, Mahagonny
klassik-begeistert.de“
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Enescus „Œdipe“ an der Komischen Oper Berlin: Tragödie am Beckenrand

 

Foto: Monika Rittershaus

Komische Oper Berlin, Premiere 29. August 2021
von Peter Sommeregger

Gut 25 Jahre arbeitete der rumänische Allroundmusiker George Enescu an seiner Oper „Œdipe“, ehe das vieraktige Werk 1936 in Paris uraufgeführt wurde. Ein Repertoirestück ist die Oper nicht geworden, dazu ist sie zu anspruchsvoll für Ausführende und Publikum. Einig ist sich die Fachwelt allerdings in ihrer Einschätzung des Werkes als bedeutende Komposition.

Nach längerer Abstinenz von Berliner Bühnen stellt die Komische Oper das Werk eindrucksvoll auf die Bretter. Das Einheitsbühnenbild für die pausenlose Aufführung stellt einen abstrakten steinernen Saal da, in dessen Mitte sich ein großes Becken befindet. Die Aktionen der Darsteller finden hauptsächlich am Rand des Beckens statt. Der russische Regisseur Evgeny Titov entwickelt in diesem geometrischen, strengen Raum ein intensives Kammerspiel, wobei er die klaustrophobische Unentrinnbarkeit des Raumes geschickt nutzt.

„George Enescu, Œdipe,
Komische Oper Berlin, 29. August 2021“
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Die Komische Oper Berlin spielt einen politisch korrekten „Zigeuner“baron

Foto: © Monika Rittershaus

Komische Oper Berlin, 26. Juni 2021

Johann Strauß, „Der Zigeunerbaron“

„Warum man dieses Stück überhaupt noch spielt, beantwortet Johann Strauß’ geniale Musik. Jede Nummer ist ein Schlager und das darin erzeugte Temperament peppt den ansonsten etwas drögen Spielfluss gehörig auf.“

von Peter Sommeregger

Die lange erwartete und angekündigte Premiere von Johann Strauß’ „Zigeunerbaron“ an der Komischen Oper stand unter keinem glücklichen Stern. Am Anfang stand die Debatte, ob man den heute als rassistisch konnotierten Begriff „Zigeuner“ überhaupt noch verwenden dürfe. Nun, man tut es, allerdings in einer etwas verdrucksten Form: das Wort des Anstoßes wird mit Anführungszeichen versehen. Auch in der vom Regisseur Tobias Kratzer neu erstellten Dialogfassung wird zu Erklärungen angesetzt, welche „die Kuh vom Eis holen“ wollen, letztlich aber wenig zur Sache beitragen. „Johann Strauß, „Der Zigeunerbaron“,
Komische Oper Berlin, 26. Juni 2021“
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Barrie Kosky und die Komische Oper Berlin: Aufbruch und Rückblick

Foto: © Jan Windszus

Als Barrie Kosky an diesem Montag die neue Saison der Komischen Oper Berlin vorstellt, ist dies seine letzte Jahres-Pressekonferenz. Mit der Spielzeit 2021/22 geht für das Haus an der Behrenstraße eine zehnjährige, fruchtbare Ära zu Ende. Erleichtert wird der Abschied von Kosky dadurch, dass er dem Haus auch über das nächste Jahr hinaus als Hausregisseur verbunden bleiben wird.

von Peter Sommeregger

Nicht ohne Stolz kann der scheidende Intendant darauf hinweisen, dass in den zehn Jahren seiner Intendanz sein Haus im Ranking der Berliner Opernhäuser stark aufgeholt hat, für nicht wenige Berliner steht es inzwischen an erster Stelle der Publikumsgunst. Die Corona-Pandemie hat auch dieses Haus praktisch eine gesamte Spielzeit gekostet, einem geschickten Management und Timing ist es aber zu verdanken, dass nahezu alle wegen Corona gestrichenen Produktionen in der kommenden Spielzeit nachgeholt werden können. Das bedeutet, dass diese Spielzeit prall gefüllt mit Premieren und Wiederaufnahmen sein wird. „Spielzeit 2020/21 Komische Oper Berlin, Barrie Kosky“ weiterlesen

Komische Oper Berlin: Alles, außer „klein“ und „reduziert“

Barrie Kosky verbreitet Optimismus und Kreativität

Foto: Komische Oper Berlin (c)

von Peter Sommeregger

 „Hope for the best- expect the worst° hat sich der quirlige Intendant der Komischen Oper Berlin für diese durch Corona auf den Kopf gestellte Theaterwelt vorgenommen. An diesem sommerlichen Donnerstag präsentiert er auf der verwaisten Bühne seines Hauses die nötig gewordenen Änderungen im Spielplan für die Monate bis Dezember 2020.

Kreativität ist gefragt, um unter den gegebenen Umständen so etwas wie ein Programm zu kreieren, dass den strengen behördlichen Auflagen gerecht wird, und trotzdem für das Publikum attraktiv ist. Kosky wäre nicht der, den die Berliner für seine Quirligkeit und seine originellen Einfälle lieben, hätte er nicht innerhalb weniger Wochen einige sehr respektable Kaninchen aus dem Hut gezaubert. Zwei Wörter hat er in diesem Zusammenhang zu Unwörtern erklärt, nämlich „klein“ und „reduziert“. „Komische Oper Berlin, Spielplan bis Dezember 2020
Komische Oper Berlin“
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Die Komische Oper Berlin wagt einen optimistischen Ausblick auf die Saison 2020/21

Foto: © Jan Windszus Photography

Komische Oper Berlin, 23. März 2020

von Peter Sommeregger

Nichts geschieht augenblicklich nicht nur im Berliner Kulturbetrieb wie gewohnt, die besonderen Zeiten, die uns das Corona-Virus beschert hat, erfordern den Verzicht auf lieb gewonnene Dinge, wie z.B. die launige jährliche Spielplan-Präsentation durch Barry Kosky, den Intendanten der Komischen Oper.

Nun, Kosky hat auch durch Corona seinen Humor nicht verloren, er präsentiert in einem nahezu halbstündigen Video die Details der kommenden Spielzeit, garniert mit kurzen Statements von Mitwirkenden neuer Produktionen. Sein Optimismus wirkt einmal mehr ansteckend, er lässt keinerlei Zweifel daran aufkommen, dass die Saison 2020/21 so stattfinden wird, wie er sie ankündigt. Und er hat sich und seinem Haus ein sehr starkes Programm verordnet. „Vorstellung der Spielzeit 2020/21
Komische Oper Berlin, 23. März 2020“
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Barrie Kosky hat die Rolle der Mimi Nadja Mchantaf auf den Leib geschnitten

Foto: Iko Freese / drama-berlin.de

Komische Oper Berlin, 27. Januar 2019
Giacomo Puccini, La Bohème

von Friederike Walch

Es kracht, zwei junge Männer klettern unter der Bühne hervor. Mit dem lauten Schlag der Dachbodenluke auf die Bretter, die in den nächsten zwei Stunden Leben und Tod bedeuten, wird das Publikum in die Mansarde der jungen Bohémiens ins Paris des 19. Jahrhunderts katapultiert.

Die Neuinszenierung von Giacomo Puccinis „La Bohème“ durch Barrie Kosky treibt die Akteure auf der Bühne der Komischen Oper Berlin zu schauspielerischen Höchstleistungen an. Die vier Künstlerfreunde im ersten Bild sprühen nur so vor Lebendigkeit, Leichtsinn und schöpferischen Ambitionen. Trotz der Mittellosigkeit der Protagonisten nimmt Kosky deren artistisches Streben spürbar ernst. Der Maler Marcello, in dieser Inszenierung ein Pionier der Daguerreotypie – einem frühen Fotografie-Verfahren, das in den 1830er-Jahren entwickelt wurde – arrangiert hingebungsvoll seine Bilder. In authentischer Dramatik verkokelt Dichter Rodolfo sein neuestes Manuskript. Als kurz darauf der Musiker Schaunard mit Proviant eintrifft, paffen die Sänger die mitgebrachten Zigarren in den Publikumssaal, in dem es inzwischen riecht, als könnte die Wurst, die auf der Bühne verspeist wird, mit dem Dunst im Raum ein zweites Mal geräuchert werden. „Giacomo Puccini, La Bohème, Komische Oper Berlin, 27. Januar 2019“ weiterlesen

„Liebt euch! Die Zeit ist kurz wie ein Traum!“ – Cendrillon an der Komischen Oper Berlin

Foto: © Monika Rittershaus
Komische Oper Berlin
, 19. Dezember 2018
Jules Massenet, Cendrillon (Aschenputtel)

von Sarah Schnoor

Draußen ist es eisig kalt. Doch betritt man den Saal der Komischen Oper Berlin, ist alles warm, rot und herzlich. Der vorweihnachtliche Großstadttrubel mit den Menschen, die noch Weihnachtsgeschenke suchen, Glühwein trinken oder eilig ihre Sachen packen, um über die Feiertage nach Hause zu fahren, wird schnell vergessen. Eingehüllt von der Wärme und Stille, sieht man eine alte Frau auf die Bühne kommen. Sie hat ihre alten Spitzenschuhe in der Hand. Alle schauen ihr gebannt zu. Sie herzt die Schuhe und setzt sich resigniert hin. Die Musik beginnt.

Fast jeder kennt das Märchen Aschenputtel. Der französische Komponist Jules Massenet machte daraus eine rührselige Oper, die in der Inszenierung von Damiano Michieletto abseits vom Kitsch wunderschön interpretiert wurde. Aschenputtel kann nicht mehr tanzen. Sie ist eine im Krankenhaus liegende Balletttänzerin, deren Vater hausmeisterlich daherkommt und deren neue Stiefmutter, die Ballettschulleiterin, eine grausame Diva ist. „Jules Massenet, Cendrillon (Aschenputtel),
Komische Oper Berlin“
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Dagmar Manzel bringt das Haus zum Wackeln – als Cleopatra in der Komischen Oper Berlin

Foto: © Iko Freese / drama-berlin.de
Komische Oper Berlin,
13. Dezember 2018
Oscar Straus, Die Perlen der Cleopatra

von Gabriel Pech

Auch zwei Jahre nach der Premiere ist Dagmar Manzels Humor noch frisch wie am ersten Tag. Die Sänger-Schauspielerin treibt dem Publikum Lachtränen in die Augen und man fragt sich, was eigentlich passiert, wenn die liebe Dame einmal krank ist. Würde es irgendjemand anderem gelingen, diese unverstaubte, berlinernde Cleopatra auf die Bühne zu bringen? Wäre jemand in der Lage, als Schauspielerin, Sängerin und Bauchrednerin gleichermaßen zu brillieren?

Na gut, da gibt es Abstufungen: Ihr Gesang ist zwar gut, doch eher zweckmäßig und Barrie Kosky bezeichnet sie schon im Programmheft als »eine wirklich schlechte Bauchrednerin«. Wichtig ist, dass ihr Gesamtpaket überzeugend ist, und das kann man ohne Einschränkungen so unterschreiben. Bezeichnend für diese einzigartige Leistung ist der Eindruck, dass ihre Pointen immer noch improvisiert sein könnten – und das in der 25. Vorstellung! „Oscar Straus, Die Perlen der Cleopatra,
Komische Oper Berlin“
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