Theater an der Wien, 19. März 2018 Ludwig van Beethoven, Fidelio,
Giovanni Antonini, Musikalische Leitung Klaus Florian Vogt, Florestan Emma Bell, Leonore/Fidelio Regula Mühlemann, Marzelline Sebastian Holecek, Don Pizarro Stefan Cerny, Rocco Matthias Winckhler, Don Fernando Patrick Grahl, Jaquino Kammerorchester Basel
von Jürgen Pathy
Mit einer exquisiten Solisten-Riege und dem Kammerorchester Basel unter der Leitung des Mailänders Giovanni Antonini hat Intendant Roland Geyer, 65, den „Fidelio“ in einer konzertanten Aufführung zurück an die Stätte seiner Anfänge geholt. „Ludwig van Beethoven, Fidelio, Theater an der Wien“ weiterlesen
Foto: Werner Kmettich (c)
Gottfried von Einem, Der Besuch der alten Dame
Theater an der Wien, 18. März 2018
von Mirjana Plath
Im dritten Akt wird ein Schuss fallen. Darauf weist das Theater an der Wien vorsorglich hin, wenn die Besucher durch die Eingangstüren strömen. In Gottfried von Einems Oper „Der Besuch der alten Dame“ von 1971 kommt der drohende Tod immer näher und trifft am Ende sein Opfer. Der Komponist arbeitete bei der Oper eng mit Friedrich Dürrenmatt zusammen, daraus entsprang eine enge Orientierung an der Textvorlage. „Gottfried von Einem, Der Besuch der alten Dame, Theater an der Wien“ weiterlesen
Fotos: Herwig Prammer (c)
Claude Debussy, Pelléas et Mélisande,
Theater an der Wien in der Kammeroper, 26. Februar 2018
von Mirjana Plath
Claire Levacher, Musikalische Leitung Thomas Jonigk, Inszenierung Lisa Däßler, Ausstattung Franz Tscheck, Licht Julian Henao Gonzales, Pelléas Anna Gillingham, Mélisande Matteo Loi, Golaud Florian Köfler, Arkel Anna Marshania, Geneviève Quentin Retzl, Yniold/junger Pelléas Lana Matić, junge Mélisande Wiener KammerOrchester
Die Kammeroper in der verschachtelten Altstadt von Wien ist ein heimeliges Theater. Ihr Eingang befindet sich ganz versteckt in einer schmalen Seitengasse vom Fleischmarkt. In den Räumen hängen noch dicke Rauchschwaden aus vergangenen Zeiten, auch wenn das vergilbte „Rauchen verboten“-Schild schon seit vielen Jahren zum Verzicht ermahnt. Im Theatersaal ist man allem sehr nah. Man könnte die Sänger auf der Bühne ohne große Anstrengung berühren, wenn man in der ersten Reihe sitzt. Ein Symphonieorchester hat keinen Platz in diesem Graben. Hier muss man experimentieren, Neues wagen.
Diesen Ort hat das Theater an der Wien für seine Neuproduktion von Claude Debussys „Pelléas et Mélisande“ gewählt. Wie die Bühne selbst, ist auch das Orchester auf eine Kammerbesetzung geschrumpft. Die Partitur bearbeitete dafür Annelies van Parys. Ihre Version der Musik klingt intim und zierlich. Debussys Zwischenspiele wurden größtenteils gestrichen. Damit nähert sich diese Fassung wieder mehr an Debussys ursprünglichen Gedanken an, die Akte ohne Verbindung nebeneinander stehen zu lassen.
Zu einem etwas provisorischen Theaterraum wie der Kammeroper gehört offensichtlich auch, dass die Technik nicht immer das tut, was sie soll. Ein lautes Rauschen, gleich zweimal in den ersten Minuten der Vorstellung, störte die Musik und übertönte alle anderen Kunstklänge. Professionell reagierten jedoch alle Künstler auf die Unterbrechung. Sie führten unbeirrt ihre Vorstellung fort. Dirigentin Claire Levacher unterstützte die zarten Klänge in Debussys Musik. Die feingliedrigen Solostimmen fügten sich unter ihrer Leitung zu einem filigranen Klangkunstwerk zusammen. Sie umrankten die Gesangsstimmen und gaben ihnen eine beseelte Grundlage.
Die Inszenierung von Thomas Jonigk hat ähnliche Wesenszüge wie die Textvorlage der Oper von Maurice Maeterlinck: Verschlüsselte Symbole werfen Fragen auf und geben Raum zur Interpretation. Der Regisseur lässt mehrere Mélisandes auf der Bühne erscheinen. Ein kleines Mädchen und auch eine zweite, erwachsene Frau wandeln manchmal um die reale Mélisande herum. Golauds Sohn Yniold zeigt sich zeitweise auch als junger Doppelgänger von Pelléas. Das Schicksal, die Geschichte um Eifersucht und unglückliche Liebe, wird sich endlos wiederholen, sagt diese Produktion. Die Jungen werden die gleiche Tragödie wie die Alten erleben. Dann noch das Symbol des Bärenkopfes. Golaud trägt ihn als ständigen Begleiter bei sich. Einmal setzt er ihn auch auf. Ein Zeichen für die Jagd, auf die er sich begibt? Und warum trägt Mélisande ihre goldenen Schuhe nicht? Gleich in der ersten Szene zieht sie sie aus. Mit solchen Gedanken wird man sich nach dem Theaterbesuch noch länger beschäftigen können.
Lisa Däßler hat die Ausstattung für die Produktion übernommen. Sie reduziert die Kulisse auf ein Minimum. Alles spielt sich in einem schwarzen Kasten ab. Nur die Figuren füllen diese Leere mit Leben. Die alte Generation von König Arkel und Geneviève trägt Kleidung aus der Zeit der Jahrhundertwende um 1900. Golaud charakterisiert ein spielzeughaftes Aussehen. Mit seiner goldbesetzten Uniform scheint er aus einer noch früheren Zeit zu stammen. Zusammen mit seinem Plüschbärenkopf und der selbst gebastelten Krone wirkt er fremd in der Umgebung. Er scheint zu sehr bemüht zu sein, in die Fußstapfen seines Großvaters zu treten. Mit seinem übergroßen Eifer wird er zur Witzfigur. Pelléas und Mélisande stellen zu der verstaubten Adelswelt einen modernen Gegensatz dar.
Getragen wird die Vorstellung vom Jungen Ensemble des Theaters an der Wien. Die jungen Stimmen tun dem Werk gut. Kein schwächelndes Zittern im Gesang, stattdessen prägen klare und mutige Stimmen den Abend. Diese Künstler sind vielversprechende Talente, allen voran die Sopranistin Anna Gillingham als Mélisande. Sie präsentiert eine selbstbewusste, sinnliche Mélisande, die sich ihrer Vorzüge sehr wohl bewusst ist. Sie verführt aktiv den Bruder ihres Ehemannes und setzt dafür ihren schönen Körper ein. Gillingham ist beinahe ununterbrochen auf der Bühne. Sie trägt das Stück mit ihrer starken Bühnenpräsenz.
Juan Henao Gonzales (Tenor) ist ein sehr lebensfroher Pelléas. Seine wache und aktive Spielweise auf der Bühne ersetzt die Melancholie und Schüchternheit der Rolle. Matteo Loi spielt Mélisandes Mann Golaud. Der Bariton zeigt den schleichenden Übergang vom fürsorglichen Ehemann zum misstrauischen Eifersüchtigen sehr überzeugend. Florian Köfler zeigt seine hervorragende Bassstimme in der Rolle von Arkel. Er grummelt nicht düster vor sich hin, sondern trägt seine Gesangslinien ausdrucksvoll vor. Auch die Mezzosopranistin Anna Marshania als Geneviève zeigt eine voluminöse Stimmkraft. Sie füllt den Raum mit ihrer Partie aus, ohne die anderen Sänger zu übertönen oder sich selbst zu wichtig zu nehmen.
Musikalisch eine tolle Vorstellung, die Inszenierung gibt noch Futter zum Nachdenken. Nach zwei Stunden stapft man aus dem kuscheligen Theatersaal wieder durch die Wiener Eiseskälte nach Hause. Während die weißen Atemwolken in den nachtblauen Himmel steigen, ist man schon auf den nächsten Vorstellungsbesuch in der Kammeroper gespannt.
Mirjana Plath, 27. Februar 2018
für klassik-begeistert.de
Joseph Haydn, Armida, Theater an der Wien, 21. Februar 2018
René Jacobs, Musikalische Leitung Birgitte Christensen, Armida Thomas Walker, Rinaldo Robin Johannsen, Zelmira Anicio Zorzi Giustiniani, Ubaldo Magnus Staveland, Clotarco Riccardo Novaro, IIdreno
Kammerorchester Basel
von Jürgen Pathy
Viva la Joseph Haydn! Hoch lebe der Meister der Wiener Klassik, der zu Unrecht ein Dasein im Schatten seiner Kollegen Ludwig van Beethoven und Wolfgang Amadeus Mozart fristet. Viel zu selten werden die unzähligen Meisterwerke des Altmeisters aus den verstaubten Tiefen der Schatzkisten gehievt, viel zu selten wird es ihnen vergönnt sich im Glanz der großen Bühnen zu sonnen. Zum Glück beschreitet das traditionsreiche Theater an der Wien seine eigenen Pfade und beschenkte das zahlreich erschienene Publikum mit der erfolgreichsten aller Haydn Opern: „Armida“ „Joseph Haydn, Armida, Theater an der Wien, 21. Februar 2018“ weiterlesen
Foto: Werner Kmettich (c)
Georg Friedrich Händel, Saul Theater an der Wien, 16. Februar 2018
Von Charles E. Ritterband
Musikalische Leitung, Laurence Cummings
Inszenierung, Claus Guth
Ausstattung, Christian Schmidt
Choreographie, Ramses Sigl
Video, Arian Andiel
Licht, Bernd Purkrabek
Dramaturgie, Yvonne Gebauer
Saul, Florian Boesch
David, Jake Arditti
Merab, Anna Prohaska
Michal, Giulia Semenzato
Jonathan, Andrew Staples
Abner / High Priest / Doeg, Marcel Beekman
Witch of Endor, Ray Chenez
Amalekite, Quentin Desgeorges
An evil spirit, Paul Lorenger Freiburger Barockorchester Arnold Schoenberg Chor (Leitung, Erwin Ortner)
Wie immer verlässt man das historische Theater an der Wien erschöpft – aber vor Begeisterung über das Gebotene, das ausnahmslos Weltniveau hat. So auch diese phänomenale Inszenierung eines schwer (oder gar nicht) inszenierbaren Stücks, das bereits bei seiner Uraufführung als Oratorium am 16. Januar 1739 im Londoner King’s Theatre am Haymarket umjubelt wurde – ebenso wie die Premiere im Theater an der Wien am 16. Februar 2018. Selbst seine Majestät, der König, sowie Angehörige des Hochadels waren damals im Haymarket-Theater im begeisterten Publikum. Doch das Oratorium war dennoch kein Publikumshit – es wurde nach der triumphalen Uraufführung nur noch sechsmal aufgeführt und blieb bis heute im Schatten des ungleich populäreren „Messias“. Im 19. Jahrhundert bemühten sich selbst Beethoven und Brahms um das großartige aber unterschätzte Werk und organisierten Aufführungen. Szenische Darbietungen folgten erst viel später – nämlich ab 1920. „Georg Friedrich Händel, Saul Theater an der Wien, 17. Februar 2018“ weiterlesen
Theater an der Wien, 27. Januar 2018 Niccolò Antonio Zingarelli, Giulietta e Romeo
George Petrou, Musikalische Leitung
Ann Hallenberg, Giulietta
Yuriy Mynenko, Romeo
Daniel Behle, Everardo
Xavier Sabata, Gilberto
Irini Karaianni, Matilde
Sebastian Monti, Teobaldo
Armonia Atenea, Orchester
Arnold Schönberg, Chor
von Jürgen Pathy
Kastraten waren mit ihren engelsgleichen Stimmen die Stars des 17. und 18. Jahrhunderts – verehrt, beneidet und mit exorbitanten Gagen überschüttet. Niccolò Antonio Zingarellis „Giueletta e Romeo“, eine Tragedia per musica in drei Akten, wurde bereits bei der Uraufführung 1796 an der Mailänder Scala zu einem großen Erfolg. In der männlichen Titelpartie begeisterte damals der italienische Kastrat Girolamo Crescentini. Kann dieses Werk auch heute noch das Publikum von den Sitzen reißen?
Was haben die ehrwürdige Wiener Staatsoper und das kleine, aber feine Theater an der Wien in diesen Tagen und Wochen gemeinsam? Beide Wiener Opernhäuser lassen mit Neuproduktionen zweier erfolgreicher Opern des österreichischen Komponisten Gottfried von Einem aufhorchen, der heute seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte.
Foto: W. Kmettich (c)
Theater an der Wien, 21. Januar 2018 Gaetano Donizetti, Maria Stuarda Paolo Arrivabeni, Musikalische Leitung
von Mirjana Plath
Elisabetta erschlägt Maria mit einer Axt. Sie hält die scharfe Klinge hoch über ihren Kopf und genießt die Machtlosigkeit des Opfers. So endet Christof Loys Inszenierung von Gaetano DonizettisMariaStuarda am Theater an der Wien. Die Schlussszene mit der erhobenen Axt ist ein erschütterndes Schlussbild: Maria Stuarda liegt wehrlos am Boden, Elisabettas Rache findet ihr Ziel. „Gaetano Donizetti, Maria Stuarda, Theater an der Wien“ weiterlesen
Foto: Theater an der Wien / Kmettich (c)
Theater an der Wien, 15. Dezember 2017 Ludwig van Beethoven, Egmont
Laurence Equilbey Musikalische Leitung Insula Orchestra Orchester Séverine Chavrier Inszenierung Leonard Hohm Graf Egmont Sheva Tehoval Klara Doga Gürer Wilhelm von Oranien Charles Morillon Herzog von Alba Stefan Kinsman Ferdinand
von Jürgen Pathy
Mit der szenischen Neuinszenierung des „Egmont“ hat das Theater an der Wien für einige erzürnte Gemüter gesorgt. Das Bühnen-Drama, eine Zusammenarbeit des Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe und des einzigartigen Ludwig van Beethoven, wurde auf fünf junge Charaktere reduziert, teils mit neuem Text versehen und das Bühnenbild auf den zeitgenössischen Schauplatz des Majdan – dem zentralen Platz der ukrainischen Hauptstadt Kiew – verlegt. „Ludwig van Beethoven, Egmont, Theater an der Wien“ weiterlesen
Die Ring-Triologie Theater an der Wien, 1. Dezember 2017
Musik und Text von Richard Wagner – in einer Fassung von Tatjana Gürbaca, Bettina Auer und Constantin Trinks
von Jürgen Pathy
Unter der Regie von Tatjana Gürbaca bringt das Theater an der Wien eine Neuinszenierung des mächtigen „Ring des Nibelungen” von Richard Wagner auf die Bühne. Die gebürtige Berlinerin, von der Fachzeitschrift Opernwelt zur Regisseurin des Jahres 2013 gewählt, erweckt diesen gigantischen Opernzyklus zu neuem Leben – zusammen mit dem deutschen Dirigenten Constantin Trinks und der Dramaturgin Bettina Auer. Aus dem fünfzehn Stunden dauernden Original-Ring wird eine beinahe halbierte, neunstündige Neufassung zu sehen sein. „Richard Wagner, Die Ring-Triologie, Theater an der Wien“ weiterlesen