Das neue Format des Theaters Lübeck, seinem Publikum Appetit auf eine neue Produktion durch eine Matinée oder, wie jetzt im Falle der „Salome“ von Richard Strauss, durch eine Soirée und eine anschließende öffentliche Probe zu machen, bewährt sich – und begeistert.
Die folgenden drei Vorstellungen dieser vielseitigen Revue mit Garantie für gute Laune sind am 12. November, am 3. und am 16. Dezember 2022.
Sing mich um den Verstand! Operetten- und Musical-Revue
Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck Chor des Theaters Lübeck
Paul Willi-Förster, Dirigent Bernd Reiner Krieger, Idee und Realisation
Theater Lübeck, 29. Oktober 2022
von Dr. Andreas Ströbl
Eine „Mischung aus höherem Blödsinn und großen Gefühlen“ nennt Bernd Reiner Krieger, stellvertretender Operndirektor des Lübecker Theaters, seine Operetten- und Musical-Revue. Die ist so bunt wie das Herbstlaub, aber bei weitem nicht so melancholisch wie der Jahresausklang. Dieses Potpourri aus berühmten und weniger bekannten Stücken zaubert schlichtweg gute Laune, spielt zuweilen mit starken Emotionen und bricht sie dann komödiantisch wieder. „Sing mich um den Verstand! Operetten- und Musical-Revue Theater Lübeck, 29. Oktober 2022“ weiterlesen
Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck Chor des Theaters Lübeck Stefan Vladar, Dirigent
Michael Wallner, Inszenierung
Theater Lübeck, 28. Oktober 2022
von Dr. Andreas Ströbl
Darf man in diesen Zeiten Operetten aufführen? Darf man sich ohne schlechtes Gewissen amüsieren, in Wiener Walzerseligkeit schwelgen und über die Schwächen von harmlosen Trotteln und selbstgefälligen Machos lachen, während die Welt täglich mehr in Chaos und Gewalt versinkt?
Das Theater Lübeck hat sich gerade jetzt entschlossen, die Operette schlechthin, Johann Strauß’ „Fledermaus“ in einer Inszenierung von Michael Wallner auf den Spielplan zu setzen. Nach einer gefeierten Premiere am 14. Oktober 2022 gab es auch bei der zweiten Aufführung den ersten begeisterten Applaus gleich nach der Ouvertüre. Die ist in der Tat nicht zu unterschätzen, weil sie kompositorisch ausgesprochen anspruchsvoll ist, schließlich wechseln hier in rascher Folge Dynamik und Rhythmen, damit Stimmungen und musikalische Bilder. „Die Fledermaus, Operette von Johann Strauß Theater Lübeck, 28. Oktober 2022“ weiterlesen
Stefan Vladar, Dirigent Chor und Extrachor des Theater Lübeck Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck
von Dr. Klaus Billand
Vom Regisseur Anthony Pilavachi ist man in der Hansestadt Lübeck, an dem Theater, wo Thomas Mann seinen Wagner kennenlernte, immer Gutes gewohnt. Von 2007-09 inszenierte er hier einen „Ring des Nibelungen“ der sich international sehen lassen konnte, trotz einiger Ungereimtheiten, wie der Tatsache, dass Erda mit der kleinen Brünnhilde schon im „Rheingold“ auftritt und der Wanderer Erda im „Siegfried“ erwürgt. Aber so etwas ist ja mittlerweile fast schon zur Regel des Wagnerschen Regietheaters geworden, obwohl es keinen Sinn macht. 2012 und 2013 inszenierte Pilavachi noch einen gelungenen „Parsifal“ und ebenso eindrucksvoll „Tristan und Isolde“. So gab es also guten Grund, erneut die doch relativ weite Reise von Wien an die Ostsee anzutreten, um seine Premiere des „Lohengrin“ zu sehen und zu hören. Und grosso modo wurde man auch nicht enttäuscht. „Richard Wagner, Lohengrin Theater Lübeck, 4. September 2022 PREMIERE“ weiterlesen
Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck Chor und Extrachor des Theaters Lübeck Stefan Vladar, Dirigent Anthony Pilavachi, Inszenierung
von Dr. Andreas Ströbl
Als „furchtbar großartig“ empfand Richard Wagner die Figur der Ortrud, der düsteren Gegenspielerin der lichtvollen, aber leider an der Unvereinbarkeit von Traum und Realität scheiternden Elsa von Brabant.
„Furchtbar großartig“ ist in der Tat der „Lohengrin“ am experimentierfreudigen Theater Lübeck, das mit dieser Produktion aufs Neue bewiesen hat, dass dieses Haus auf höchstem Niveau arbeitet. Dessen Strahlkraft geht weit über die Region hinaus und so hörte man bereits im Premierenpublikum am 4. September 2022 auch dänische und englische Stimmen. „Richard Wagner, Lohengrin Theater Lübeck, 4. September 2022 PREMIERE“ weiterlesen
Foto: Motiv auf Basis einer Illustration von santoelia shutterstock.com
Seit vielen Jahren erfreuen sich die sogenannten Kostproben im Lübecker Theater großer Beliebtheit. Bei diesen Veranstaltungen gibt es ein bis zwei Wochen vor der Premiere eine kostenlose Einführung in die Inszenierung, danach kann das Publikum an einer Szenenprobe teilhaben.
Theater Lübeck, 21. August 2022
Einführungsmatinee zu
Lohengrin Romantische Oper von Richard Wagner Premiere 4. September 2022
von Dr. Andreas Ströbl
Das experimentierfreudige Haus hat dieses Format jetzt erweitert, zumindest für ausgewählte Produktionen wie den seit Jahren langersehnten „Lohengrin“ unter der Regie von Anthony Pilavachi und der musikalischen Leitung von GMD Stefan Vladar.
Dieses „langersehnt“ darf auf zweierlei Weise verstanden werden, denn einerseits war die Aufführung dieser Oper wegen der Corona-Beschränkungen verschoben worden, andererseits hatte Pilavachi, der Regisseur des preisgekrönten „Rings“ am Lübecker Theater, nach einem Zerwürfnis mit der vorigen Leitung jahrelang nicht dort inszeniert. Das war ausgesprochen bedauerlich für diejenigen, die seine Arbeit zu Recht schätzen, denn der Mann ist ein echter Zauberer. Ja, so haben auch die Kinder Thomas Manns ihren Vater genannt und daher sei dieser kleine Querverweis in der Mann-Stadt Lübeck erlaubt.
Die Liebe der drei Könige – „L’amore dei tre re“ Oper von Italo Montemezzi
Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck Chor des Theaters Lübeck
Stefan Vladar Dirigent
Effi Méndez Inszenierung
von Dr. Andreas Ströbl
„Warum wird dieses Juwel so selten aufgeführt?“ – In Gesprächen vor dem Lübecker Theater nach der bejubelten Premiere von Montemezzis „Die Liebe der drei Könige“ mischte sich Begeisterung über die bravourös geglückte Umsetzung einer opulenten Oper mit völligem Unverständnis einer so mageren Rezeption.
Tatsächlich war der 1913 komponierte Dreiakter ein echtes Kriegsopfer, zumindest was die europäischen Spielpläne betrifft. In den USA feierte die Oper echte Erfolge, die Kritiker überschlugen sich in Superlativen. Aber bis auf, im Vergleich mit den Beispielen der sogenannten „großen“ Opernliteratur, wenige Ausnahmen war dieses Meisterwerk des „decadentismo“ in den vergangenen 100 Jahren kaum zur Aufführung gekommen. Auch die Zahl nennenswerter Einspielungen ist überschaubar; die Aufnahme mit Anna Moffo, Plácido Domingo, Pablo Elvira und Cesare Siepi (Leitung: Nello Santi) sticht dabei heraus.
Auch in so vielbeachteten Publikationen wie von Alex Ross (The Rest is Noise – Das 20. Jahrhundert hören, München 2009) und Bernd Feuchtner (Die Oper des 20. Jahrhunderts in 100 Meisterwerken, Hofheim 2020), die mit Detailkenntnis und Hinweise auf vergessene Kompositionen aufwarten, sucht man Werk und Schöpfer vergebens. Um so glücklicher dürfen sich also erneut die Lübecker schätzen, deren innovatives und experimentierfreudiges Theater diesen wahren Schatz gehoben und entsprechend inszenatorisch umgesetzt hat. „„L’amore dei tre re“, Oper von Italo Montemezzi Theater Lübeck, 13. Mai 2022“ weiterlesen
Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck Takahiro Nagasaki musikalische Leitung
Stephen Lawless Inszenierung
Photos: Jochen Quast
von Dr. Andreas Ströbl
Wie einen schützenden Vorhang legt die verwundete Psyche sich oft einen dämmenden Filter zu, um Ängste und Verletzungen unter der Oberfläche zu halten. Es geht ums eigene Überleben, in der ständigen Furcht, dass der Vorhang sich öffnet und die Dämonen dahinter sichtbar und mächtig werden.
Ein Vorhang ist auch das erste, was in der Lübecker Produktion zu sehen ist. Er verbirgt das Bühnenbild zuerst, ist aber auch Teil davon. Die Assoziation mit dem Duschvorhang aus Hitchcocks „Psycho“ ist dabei gewollt, denn Regisseur Stephen Lawless hat bereits bei der in Lübeck üblichen „Kostprobe“, in der es ungefähr zwei Wochen vor der Premiere eine Einführung und anschließend eine öffentliche Szenenprobe gibt, auf die ästhetische Nähe seiner Inszenierung zu den Filmen des „Master of Horror“ verwiesen.
Dieser Vorhang enthüllt nie die ganze Wahrheit, sondern öffnet den Blick in ein beklemmendes Szenario, das von unbestimmten Ängsten, Gespenstern und verdrängten Traumata bestimmt wird. Diese diffuse und auch in der Darstellung schwer zugängliche Thematik erfordert einen hochsensiblen Zugang und eine künstlerische Umsetzung von höchstem Anspruch. Dem genügt die Lübecker Produktion in jeder Hinsicht, es ist eine erneute Glanzleistung dieses experimentierfreudigen Hauses. „Benjamin Britten,The Turn of the Screw, Theater Lübeck, 11. März 2022 PREMIERE“ weiterlesen
Dass dies alles bis zur letzten Note phantastisch umgesetzt wurde, dankte das Lübecker Publikum mit begeistertem Beifall. Zu Castillos Applaus standen bereits viele im Saal, aber als Stefan Vladar und das Orchester gefeiert wurden, hielt es tatsächlich niemanden mehr auf den Sitzen. Das hat man in Lübeck selten erlebt.
Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck Chor des Theater Lübeck
Statisterie des Theater Lübeck
Stefan Vladar Dirigent
von Dr. Andreas Ströbl
Das Piktogramm zur Lübecker „Madama Butterfly“ transportiert in gewohnter intelligenter Weise den Inhalt der Oper in eine Graphik, die in ihrer Einfachheit dem Reduktionismus entspricht, der sowohl für die japanische Kunst als auch die Inszenierung von Ezio Toffolutti charakteristisch ist. Für die Auswärtigen: Zu jeder Produktion des Lübecker Theaters gibt es eines dieser Piktogramme, das begleitend in den Vorankündigungen, Programmheften und Flyern erscheint. Diesmal ist es ein aufgespießter Origami-Schmetterling, dessen kantige Flügel auch an die strengen Formen traditioneller japanischer Kleidung erinnern.
In der Tat durchzieht die ganze Inszenierung eine reduzierte Ästhetik und ein erklärt zurückgenommenes Bühnenbild, das außer einer halbrunden Apsis und je zwei flankierenden Wänden aus weißen Stoffbahnen nur aus einer Art offener Hütte aus einer gefalteten ockerfarbenen Plane besteht. In dieser Origami-Behausung und um das Faltwerk herum findet die ganze Handlung statt, die Kostüme orientieren sich bewusst an traditionellen Vorbildern der Entstehungszeit der Oper, also der Wende zum 20. Jahrhundert.
(c) Jochen Quast
So ist diese „Butterfly“ alles andere als experimentelles Musiktheater, aber die Botschaft Toffoluttis, der hier gleichzeitig als Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner firmiert, ist ohnehin eine andere. Es geht ihm um die Darstellung Cio-Cio-Sans als starker und kluger Frau, die selbständig über ihr Leben entscheidet und diesmal eben nicht Opfer ihrer Gefühle, des Betrugs Pinkertons und letztlich ihrer Tradition wird, aufgrund derer Gesetzmäßigkeiten sie nur durch Seppuku, also ehrenrettenden Suizid der Schmach und ihrem eigenen Elend entflieht. „Giacomo Puccini, Madama Butterfly, Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck, Theater Lübeck, 28. Januar 2022 PREMIERE“ weiterlesen
Werke von Humperdinck, Rheinberger, Cornelius, Vasks, Mendelssohn Bartholdy, Rossini, Strauss und Wagner
Takahiro Nagasaki Dirigent Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck
Theater Lübeck, 25. Dezember 2021
von Dr. Andreas Ströbl
Das kann nur Weihnachten: Die perfekte Kombination von Tradition und Überraschung. Weihnachten ist nur dann auch wirklich Weihnachten, wenn liebe Rituale entsprechend gepflegt werden und es unter dem Baum Geschenke gibt, mit denen man nicht gerechnet hat und die einem verraten, dass die oder der Schenkende sich wirklich was dabei gedacht hat.
Die Verantwortlichen im Lübecker Theater haben wieder einmal bewiesen, dass sie sich hingebungsvoll Gedanken gemacht haben, wie sie die klingende Bescherung am 1. Weihnachtsfeiertag gestalten sollten.
Im Zentrum stand Engelbert Humperdinck und mit dem kann man zu Weihnachten ohnehin nichts falsch machen. Aber es gab diesmal nicht nur „Hänsel und Gretel“, sondern gleich zu Beginn das Vorspiel aus seinem „Dornröschen“. „Märchenhaft verträumt“ sollte der Abend werden – das versprach der Dramaturg Christian Münch-Cordellier in seiner kleinen Einführung – und die romantische Stimmung aus diesem selten gespielten Werk passte programmatisch ganz hervorragend. Diese Oper, die Humperdinck selbst als „Ausstattungsstück mit allerhand Musik“ bezeichnete, orientiert sich zwar am Grimm-Märchen, aber Handlung und Personal sind deutlich erweitert. In jedem Falle „wagnert“ es, wie bei „Hänsel und Gretel“ auch in dieser Musik sehr und es werden spätromantische, rückwärtsweisende Bilder aufgebaut, die tatsächlich träumen lassen. „Weihnachtskonzert, Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck, Theater Lübeck, 25. Dezember 2021“ weiterlesen