Eine Entdeckung: Kammermusik von Paul Ben-Haim

Foto: National Library of Israel

Großer Konzertsaal der Hochschule für Musik und Theater,
München, 11. Februar 2022

Rezension Konzert »Ben-Haim – Resonanzen«

von Frank Heublein

Sie kennen Paul Ben-Haim nicht? Da hatten wir etwas gemeinsam bis zum heutigen Abend. Bis zu dieser Aufführung in der Hochschule für Musik und Theater München. Studierende der Hochschule führen Werke von Paul Ben-Haim auf. Der wurde als Paul Frankenburger in München 1897 geboren. Er studierte an dieser Hochschule. Er war in den 1920ern Assistent von Bruno Walter in München. Es gibt einige Gründe, warum das Ben-Haim-Forschungszentrum als gemeinsame Initiative der Hochschule für Musik und Theater München und der Landeshauptstadt München im März 2020 gegründet wurde.

In der Anmoderation beschreibt der Leiter Dr. Tobias Reichard des Ben-Haim-Forschungszentrums, dass der Komponist musikalische Synthesen etwa von romantischer Musik und Jazzkomponenten oder in seinen Jahren in Israel von orientalischen und westlichen Klängen. Auf dem Programm stehen vier kammermusikalische Stücke, komponiert zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Lieder erinnern mich zuweilen an das Liedgut eines Richard Strauss. Beim Streichtrio kommt mir Erich Wolfgang Korngold in den Sinn, wenn auch Paul Ben-Haim wie Filmmusik klingt. „Rezension Konzert »Ben-Haim – Resonanzen«,
Großer Konzertsaal der HS für Musik und Theater, München, 11. Februar 2022“
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Das Hagen Quartett rockt den Mozart Saal

Foto: Hagen Quartett © Andrej Grilc

Wiener Konzerthaus, Mozart Saal, 3. Februar 2022
Hagen Quartett, Schostakowitsch-Streichquartette

von Jürgen Pathy

Hypnotisierend, düster und verrückt. Musik, die einfach überrascht, teilweise auch rockt. Damit wäre Dmitri Schostakowitschs Musik im Grunde fast schon beschrieben. Dass der Sachverhalt sich natürlich nicht so banal erklären lässt, ist klar. Schostakowitsch ist viel mehr. Ein Gigant, ein Philosoph und Rock ’n’ Roller zugleich, der in ungeahnte Tiefen und Wirren der Seelenwelt entführt. Dieser Schatz muss natürlich geborgen werden. Um das zu schaffen, benötigt es Musiker von Weltrang. Das Hagen Quartett, das nun seit rund 40 Jahren um die Welt tourt, hat dieses Potenzial. Das haben die vier Musiker am Donnerstag im Wiener Konzerthaus eindrucksvoll bewiesen.

Das war nicht immer so. Auch, wenn man es meinen könnte. Mozarts G-Dur Streichquartett und das „Stadler-Quintett“ wirkten ein wenig abgeklärt – damals, im Oktober 2020 –, zu wenig verspielt, beinahe schon behäbig, um dieses böse Wort ins Rennen zu schmeißen. Das war aber ein anderer Tag, ein anderes Konzert. Da wurden noch zwei Konzerte an einem Abend verlangt, mit demselben Programm, um den Aufwand zu rechtfertigen. Durften doch nur begrenzt Zuschauer in den Mozart Saal, wenn ich mich recht erinnere. „Hagen Quartett, Schostakowitsch-Streichquartette,
Wiener Konzerthaus, Mozart Saal, 3. Februar 2022“
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Auferstehung in trüben Zeiten

Konzerthaus Wien, Großer Saal, 27. Januar 2022

Gustav Mahler:

Symphonie Nr. 2 in c-moll für Sopran, Alt/Mezzosopran, Chor und Orchester
„Auferstehungs-Symphonie“

Christina Landshamer, Sopran
Anna Lucia Richter, Mezzosopran
Wiener Singakademie

Bamberger Symphoniker – Bayerische Staatsphilharmonie
Dirigent: Jakub Hrůša

von Herbert Hiess

In der lausigen und lästigen Corona-Hochphase, wo viele Orchester aktuell reihenweise Absagen verkünden (so auch die Wiener Philharmoniker bei einer Kurztournee), schaffte es das Wiener Konzerthaus, ein Riesenensemble (Chor und Orchester) für dieses monumentale Werk aufs Podium zu bringen. Und es hat sich allemal ausgezahlt.

Mit den Bamberger Symphonikern als großartiges Orchester hat man ein Ensemble mit einer bewegten Gründungsgeschichte am Podium, das nicht umsonst einen „böhmischen Klang“ hat. 1946 wurde das Spitzenorchester größtenteils von Flüchtlingen aus dem Osten, vor allem jenen aus der Deutschen Philharmonie Prag, gegründet. Diese brutale Vertreibung, die so gern mit dem Wort „Kriegswirren“ höflich umschrieben wird, ist ja eigentlich bis heute nie restlos aufgearbeitet worden. „Gustav Mahler, „Auferstehungs-Symphonie“, Bamberger Symphoniker – Bayerische Staatsphilharmonie, Jakub Hrůša Dirigent,
Konzerthaus Wien, 27. Januar 2022“
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Ein märchenhaftes Konzert mit märchenhaften Werken

Foto: © Alexander Shapunov

Dieses Konzert war schlichtweg großartig. Maestro Gergiev versteht es, den Musikern alle Reserven zu entlocken und sie zu motivieren.

Konzerthaus Wien, Großer Saal, 19. Januar 2022

Claude Debussy:
Prélude à l’après-midi d’un faune

Maurice Ravel:
Daphnis et Chloé (2. Suite)

Nikolai Rimiski-Korsakow:
Scheherazade (Suite Symphonique)

Solovioline: Albena Danailova

Wiener Philharmoniker
Dirigent: Valery Gergiev   

von Herbert Hiess

Eigentlich interessant, wie sehr die Konzertprogrammierung indirekt Einfluss auf die Qualität eines Konzertes nehmen kann. Ob Zufall oder nicht – die Werke dieses Abends, der anlässlich der Wiener „Residenz“ des Stardirigenten Valery Gergiev zustande kam, war nicht nur von den Werken her mit märchenhaftem Bezug. Der Konzertabend war insgesamt – trotz coronabedingter Ausfälle im Orchester – einfach großartig.

Zuerst das Prelude von Debussy, das Gergiev in seinem allerersten Konzert mit den Wiener Philharmonikern spielen ließ, das eine Vertonung des märchenhaften Gedichtes von Stéphane Mallarmé ist. Hier wird das Erwachen des Fauns erzählt, der aus seinem Nachmittagsschlaf aufwacht und zwei Nymphen beobachtet. Seine Panflöte wird von der Querflöte und auch von der Altflöte dargestellt; unvergleichlich gespielt von den Musikern der Philharmoniker. Wie auch alle anderen Instrumente; aber allen voran die Holzbläser. Debussys Erzählung des „Nachmittages des Fauns“ wird gerne für Ballettaufführungen verwendet.

Ravels Erzählung von „Daphnis et Chloé“, komponiert als Ballettmusik, steht nur selten auf den Spielplänen der Opernhäuser. Unvergessen die legendären Aufführungen unter Lorin Maazel in der Wiener Staatsoper –  mit den Wiener Philharmonikern. „Wiener Philharmoniker, Valery Gergiev, Debussy, Ravel, Rimski-Korsakow,
Wiener Konzerthaus, 19. Januar 2022“
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Sakari Oramo lässt die Korken im Wiener Konzerthaus ordentlich knallen

Foto: Wiener Symphoniker © Wolfgang Beck

Wiener Konzerthaus, Großer Saal, 31. Dezember 2021

Ludwig van Beethoven, Symphonie Nr. 9 d-moll op. 125 
(1822-1824)

Wiener Symphoniker
Wiener Singakademie

Sakari Oramo Dirigent

von Jürgen Pathy

Ein verfrühtes „Prosit Neujahr“. Das gibt es im Wiener Konzerthaus nicht immer, aber bereits seit den späten 1970er-Jahren das Silvesterkonzert der Wiener Symphoniker. Letztes Jahr coronabedingt noch abgesagt, durften dieses Jahr zumindest bis zu 999 Personen dabei sein – der 2G-Plus-Regelung sei Dank. Auf dem Programm, bereits traditionell: Beethovens Neunte. Am Pult: Ein in unseren Breiten relativ unbekannter Finne, der allerdings umso gewaltiger eingeschlagen hat.

Das lag nicht nur daran, dass Sakari Oramo zu Ende der Galavorstellung einen zwar nicht ganz korrekten, aber charmanten Neujahrsgruß in den Saal entsandt hatte, sondern vor allem an seinen Qualitäten als Musiker und Dirigent. Auch wenn vereinzelte Stellen ein wenig inniger hätten klingen können, in Summe hat der robuste Finne bewiesen, dass er genau der Richtige war, um dieses Jahr mit Beethovens Hymne an die Brüderlichkeit ausklingen zu lassen.

Immerhin war es kein einfaches Jahr. Von der Pandemie geplagt und ständig im Ungewissen, ob Termine abgesagt oder verschoben werden, ein Jahr der Unsicherheit. Nicht zu sprechen von all dem Leid, das viele Personen, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesundheitlich erlitten haben. Da können Trost und Aufmunterung nicht schaden.

„Wiener Symphoniker, Sakari Oramo, Ludwig van Beethoven, Symphonie Nr. 9 d-moll op. 125,
Wiener Konzerthaus, 31. Dezember 2021“
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Jonas Kaufmann im Wiener Konzerthaus: Ein ausgezeichneter „Bariton" feiert Weihnachten

Foto: Jonas Kaufmann © Gregor Hohenberg / Sony-Classical

Wiener Konzerthaus, Großer Saal, 22. Dezember 2021
Jonas Kaufmann, Great Voices
Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz
Jochen Rieder,
Dirigent

von Jürgen Pathy

Jonas Kaufmann vs. Michael Bublé. Sieger des weihnachtlichen Schmalzgefechts: die Kassen beider Künstler. Während der kanadisch-italienische Grammy-Preisträger aus der Konserve herhalten muss, gibt sich der zurzeit gefragteste Tenor der Welt ein Stell-Dich-Ein im Wiener Konzerthaus. Mit im weihnachtlichen Rucksack: eine Menge traditioneller Weihnachtslieder in deutscher Sprache, aber ebenso einige Arrangements bekannter Lieder aus den angelsächsischen Breitengraden.

„Jonas Kaufmann, Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, Jochen Rieder
Wiener Konzerthaus, Großer Saal, 22. Dezember 2021“
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Triumphaler Schostakowitsch Abend mit Valery Gergiev – Teil 3

Foto: © Kai Bienert

Mariinski Orchester St. Petersburg

Valery Gergiev  Dirigent

Emmanuel Tjeknavorian Violine

Dmitri Schostakowitsch: Violine und Orchester Nr. 1 in a-moll op.77

Symphonie Nr. 8 in c-moll op. 65

von Herbert Hiess

Das triumphale Gastspiel des Mariinski-Ensembles fand ein Ende mit einem Abend „in Moll“. Zuerst brachte der junge österreichische Geiger mit armenischen Wurzeln Emmanuel Tjeknavorian das erste Violinkonzert in a-moll und danach zelebrierten die Russen einen symphonischen Koloss – nämlich die Symphonie Nr. 8 in c-moll.

Foto: Emmanuel Tjeknavorian (c) Lukas Beck

Der mittlerweile 26jährige Emmanuel Tjeknavorian ist das, was man als Wunderkind bezeichnet. Er spielt nicht nur (technisch) ausgezeichnet Violine, sondern ist auch als Radiomoderator und Dirigent recht umtriebig. Und man hat ihm natürlich alle Türen geöffnet und Wege geebnet; so konnte er schon eine CD mit den Niederösterreichischen Tonkünstlern veröffentlichen. „Mariinski Orchester St. Petersburg, Valery Gergiev , Dmitri Schostakowitsch,
Konzerthaus Wien, Teil 3, 14. Dezember 2021“
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Triumphaler Schostakowitsch Abend mit Valery Gergiev – Teil 2

Foto: © Alexander Shapunov

Konzerthaus Wien, Großer Saal, 13.  Dezember 2021

Mariinski Orchester St. Petersburg
Valery Gergiev  Dirigent

Gautier Capuçon Violoncello

Dmitri Schostakowitsch:
Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 Es-Dur op. 107

Symphonie Nr. 7 in C-Dur op. 60 „Leningrader”

von Herbert Hiess

Es ist etwas über drei Monate her, dass Valery Gergiev mit dem Supercellisten Gautier Capuçon genau dieses Konzert zelebrierte https://klassik-begeistert.de/muenchner-philharmoniker-valery-gergiev-grafenegg-festival-2021-konzert-am-3-september-2021-im-wolkenturm-grafenegg/

Damals spielten die Münchner Philharmoniker open air im Wolkenturm von Grafenegg, während an diesem Abend das mittlerweile unschlagbare Mariinski-Orchester St. Petersburg im Konzerthaus spielte. Lustigerweise war die Zugabe jetzt in Wien die gleiche wie in Grafenegg und zwar die Bearbeitung des Prélude I aus den fünf Stücken für Klavier und zwei Violinen für Celli. Bezeichnend für den Solisten war, dass er sich niemals hervortat, sondern als „Primus inter Pares“ (Anm.: der Erste unter Gleichen) mit den vier Cellisten des Orchesters ein musikalisches Universum beschrieb. Und wie immer stand Maestro Gergiev ganz bescheiden beim seitlichen Ausgang und lauschte der Zugabe. Andere Dirigenten lassen sich bei einer Zugabe höchst selten blicken. „Mariinski Orchester St. Petersburg, Valery Gergiev, Dmitri Schostakowitsch
Konzerthaus Wien, Teil 2, 13. Dezember 2021“
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Triumphaler Schostakowitsch-Abend mit Valery Gergiev – Teil 1

Foto: Valery Gergiev, (c) Marco Borggreve

Konzerthaus Wien, Großer Saal, 12. Dezember 2021

Mariinski Orchester St. Petersburg
Valery Gergiev Dirigent

Denis Matsuev  Klavier

Dmitri Schostakowitsch:
Symphonie Nr. 1 in f-moll op. 10
Konzert für Klavier und Orchester in F-Dur op. 102

Symphonie Nr. 4 in c-moll op. 43

von Herbert Hiess

Valery Gergiev und sein Mariinski-Orchester sind eigentlich ein Blue-Chip, wie man in der Aktionärssprache sagt. Also kurz gesagt ein Garant für Sternstunden. Insbesondere für das russische Repertoire. Der mittlerweile 68-jährige russische Maestro und Karajanpreisträger (2006) ist ein Weltklassedirigent, der nicht nur jedes Mal sein hohes Niveau beweist, sondern sich selbst oft übertrifft.

So auch an diesem ersten Abend des dreitägigen Schostakowitsch-Gastspiels im Wiener Konzerthaus. Hier wurde mit der ersten Symphonie ein Frühwerk des 18jährigen Komponisten mit zwei späteren Werken gekoppelt. Schon in der ersten Symphonie zeigte der Glasunow-Schüler, was in ihm steckt. Orchestermäßig neigt er natürlich zur Monumentalität; in dieser ersten Symphonie hört man bereits seine große Kunst der Instrumentation. Und man hört auch sein Abwenden von der klassischen Formenlehre. Absichtlich verliert er sich in eine gewisse „Formlosigkeit“ und reiht Sequenzen und Themen aneinander. Aber seine grandiosen Übergänge fügen dann die Werke wieder zu einem beeindruckenden Ganzen. „Gastspiel Mariinski Orchester St. Petersburg, Valery Gergiev,
Konzerthaus Wien, Teil 1, 12. Dezember 2021“
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Tragend und eindringlich: ein Piano wie aus einer anderen Welt

Besonders hervorzuheben sind dabei die Nuancen, die Lisiecki verstand dem Pianoklang des Steinway-Flügels zu entlocken, mit denen er eine Intimität im Großen Saal kreierte, die einem zeitweilig das Gefühl gab, nicht im Wien des 21. Jahrhunderts, sondern einem kleinen Pariser Salon des 19. Jahrhunderts zu sein.

Es war ein wohltuender Abend mit vielen leisen Klängen, die tragender und eindringlicher nicht hätten sein können.

Wiener Konzerthaus, 5. November 2021

Jan Lisiecki, Klavier
Werke von Frédéric Chopin

von Kathrin Schuhmann

Es war ein reiner Chopin-Abend, zu dem Jan Lisiecki am 5. November in den Großen Saal des Wiener Konzerthauses geladen hatte. Das Interesse war riesig: weder im Parkett noch in den Rängen blieben mehr als ein paar wenige Restplätze unbesetzt. Kein Wunder, gibt es doch wohl kaum einen Komponisten, der sich unter den Freunden romantischer Klaviermusik einer größeren Beliebtheit erfreuen dürfte als der „französische“ Pole Chopin. Egal ob es sich um monumentale Gattungen wie die des Klavierkonzertes oder der Sonate handelt oder doch um kleinere Gattungen wie die der Mazurka oder des Préludes: Chopin gefällt, berührt, umhüllt, belebt. „Jan Lisiecki, Klavier
Wiener Konzerthaus, 5. November 2021“
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