Unglaubliche Wirkung aus dem Nichts: Monteverdis Spätwerk fasziniert Jung und Alt

Einfach hingehen, fallen lassen und sich ins Zauberreich des Claudio Monteverdi entführen lassen. Das haben sich anscheinend auch viele der jüngeren Generation gedacht, die im Publikum dieses Mal dabei waren. Ein Verdienst von Bogdan Roščić. Auch wenn bislang nicht alles aufgegangen ist, sein Vorhaben, nach seiner Ära den Altersdurchschnitt deutlich gesenkt zu haben, nimmt schön langsam Fahrt auf. Kein Wunder. Hat er doch nicht nur die Generalproben für U-27 geöffnet, sondern für „gekennzeichnete Vorstellungen“ auch noch Karten für unwiderstehliche 20 € als Happen vorgeworfen.

Foto: Solotänzer Camilo Mejía Cortés mit Kate Lindsey und Slávka Zámečníková als Nero und Poppea in Monteverdis „L’incoronazione di Poppea“ an der Wiener Staatsoper im Mai 2021. (Wiener Staatsoper / Michael Pöhn)

Wiener Staatsoper, 6. Oktober 2021
Claudio Monteverdi, L’incoronazione di Poppea

von Jürgen Pathy

Unglaubliche Wirkung aus dem Nichts. So lässt sich Monteverdis Oper „L’incoronazione di Poppea“ aus dem Jahre 1642 mit nur einem Satz beschreiben. Was der italienische Komponist unter Einsatz geringster Mittel erschaffen hat, dürfte dramaturgisch fast höher einzuordnen sein als so manches große Werk der Romantik. Dabei waren Monteverdi auf gewisse Weise die Hände gebunden. Im Gegensatz zu Wagner, Strauss & Co, hatte Monteverdi, der 1643 in Venedig verstorben ist, nur einen Bruchteil an Musikern zur Verfügung. Was die allerdings erreichen, ist atemberaubend.

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Wiener Staatsoper, 6. Oktober 2021“
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Pathys Stehplatz (9): Otello - wenn die Intensität als Sieger vom Schlachtfeld zieht

Foto: © Michael Pöhn / Wiener Staatsoper

Wiener Staatsoper, 26. September 2021
Otello, Giuseppe Verdi

von Jürgen Pathy

Manchmal ist Ausdruck alles, hohe Töne belanglos. Das hat Gregory Kunde Sonntagabend an der Wiener Staatsoper bewiesen. Was der Amerikaner, der seit Jahrzehnten zur Elite zählt, in der Titelpartie von Verdis „Otello“ für Farben ins Theateroval hat strömen lassen, war wie Balsam auf der Seele. Dabei hatte Kunde, der bereits knapp an der 70 schrammt, gleich zu Beginn schwer zu kämpfen. Kein Wunder, gilt doch der Otello, nicht nur wegen des berüchtigten Esultate als der „Mount Everest“ der Tenorpartien. Am Ruf des Feldherren, der gerade heimgekehrt ist, sind allerdings auch schon weit jüngere Kollegen gescheitert.

Kunde weiß andere Stärken in die Schlacht zu werfen. Von Bronze über Dunkelrot bis hin zu Silber reicht die Palette an Farben, derer sich der großgewachsene Tenor zu bedienen weiß. Ein Traum für alle Connaisseurs, die nicht nur nach perfekter Tonhöhe suchen, sondern in der Intensität ihr Wohlbehagen finden. Wenn Kunde in den beiden Schlussakten mit seiner Eifersucht zu kämpfen hat, schimmert es in prachtvollen Farben. Da blitzen ein Domingo und ein Pavarotti durch. Was für ein Glück.

Denn Verdis Meisterwerk ist musikalisch kein einfaches. Im Gegensatz zu anderen beliebten Werken, wie „Rigoletto“ oder „La Traviata“, fehlt es in „Otello“ nicht nur an Gassenhauern und eingängigen Melodien, der Aufbau wirkt insgesamt recht komplex. Statt sich blind in orchestrale Wogen stürzen zu können, trägt hier vor allem das Parlando und der dramaturgische Aufbau das ganze Geschehen. „Wiener Staatsoper: Giuseppe Verdi, Otello,
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Pathys Stehplatz (7) – ein Brief an Philippe Jordan: „Bitte mehr davon!“

„… auch den sonst so vermissten Spannungsbogen hattest Du endlich umgesetzt. Das war Musik, das war Magie, wie ich es mir intensiver und inniger nicht vorstellen könnte. Noch dazu, bei einem Werk, das nicht gerade berühmt dafür ist, dass es musikalisch leicht ins Ohr ginge. Bravo, lieber Philippe. Bitte mehr davon! So kann und darf das gerne weitergehen.“

Foto: Philippe Jordan © csm Portrait

Lieber Philippe, grüß Dich!

Endlich finde ich den Raum und die Zeit, um Dir zu schreiben. Es juckt mich schon lange zwischen den Fingern. Um es genau zu nehmen, seit der „Macbeth“-Vorstellung, die Du Ende der letzten Saison an der Wiener Staatsoper geleitet hast. Als Lady die große Anna Netrebko, in der Titelpartie der Bariton Luca Salsi. Es war ein Abend, an dem Du mich schwer überrascht hast. Im positiven Sinne. Denn die Erwartungen meinerseits waren eher gering.

Philippe: Lass mich gleich zum Punkt kommen. Floskeln möchte ich uns ersparen. Deine Art zu musizieren hat mich nicht immer vom Hocker gehauen. Ganz im Gegenteil sogar. Nachdem ich Dich einige Male als Chef der Wiener Symphoniker live erleben durfte, sank meine Begeisterungskurve immer weiter. Den Tiefpunkt erreicht hat diese zum Beginn der letzten Saison. Von da an gings dann allerdings bergauf. Zuerst aufgrund zweier Livestreams, dann bei einem Live-Erlebnis. Dabei dachte ich schon, Du und ich, das wird nie und nimmer eine musikalische Liebesbeziehung. Ich hoffe, ich habe mich getäuscht.

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Wiener Staatsoper“
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Barrie Kosky schickt Anna Netrebko in die Dunkelheit

Foto: © Michael Pöhn / Wiener Staatsoper

Wiener Staatsoper, 17. Juni 2021
Verdi, „Macbeth“

von Jürgen Pathy

Dunkel, düster und eintönig. Willkommen in Barrie Koskys Traumwelt. Der deutsch-australische Starregisseur, der seit dieser Saison vermehrt an der Wiener Staatsoper aktiv ist und sein wird, verliert sich in seiner Fantasie. Dass Verdis „Macbeth“ die dunkelste Oper des italienischen Komponisten ist, steht außer Zweifel. Ebenso, dass diese Oper wenig bietet. Zumindest, wenn man eingängige Arien, melodisch geschwungene Bögen oder schmissige Melodien sucht. Im Mittelpunkt dieser 1865 überarbeiteten Vorlage nach Shakespeares Tragödie steht das Theater, das Schauspiel. „Verdi, „Macbeth“,
Wiener Staatsoper, 17. Juni 2021“
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"Macbeth" feiert Premiere an der Wiener Staatsoper

Anna Netrebko. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Premiere: Wiener Staatsoper, 10. Juni 2021
Verdi, MACBETH

von Heinrich Schramm-Schiessl

Auch die letzte Premiere dieser Saison brachte uns eine Inszenierung, die unser Direktor in der Regietheaterboutique eingekauft hat. Sie hatte 2016 in Zürich Premiere und ist damit gerade einmal ein Jahr jünger als die letzte Wiener Inszenierung. Sie war zwar weniger problematisch als die letzten drei dieser Art (Carmen, La Traviata und Faust) aber die Notwendigkeit hat sich auch hier nicht erschlossen. „Verdi, MACBETH, Premiere
Wiener Staatsoper, 10. Juni 2021“
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Endlich wieder Oper live! Das Publikum feiert Claudio Monteverdis „L’incoronazione di Poppea“

Wiener Staatsoper, 3. Juni 2021
Claudio Monteverdi, L’incoronazione di Poppea

Foto: Solotänzer Camilo Mejía Cortés mit Kate Lindsey und Slávka Zámečníková als Nero und Poppea in Monteverdis „L’incoronazione di Poppea“ an der Wiener Staatsoper im Mai 2021. (Wiener Staatsoper / Michael Pöhn)

von Peter Sommeregger

Claudio Monteverdis Oper „L’incoronazione di Poppea“ ist über die Jahre und durch die Innovationen der barocken Musikszene zu einem Repertoirestück geworden. Der für ein Opernlibretto erstaunlich tiefsinnige Text trägt durchaus zu der Attraktivität des Werkes bei, Unmoral macht sich auf der Bühne dann doch ganz gut.

An der Wiener Staatsoper erlebt das Werk erst die zweite Inszenierung, nachdem Herbert von Karajan 1963 eine für heutige Begriffe völlig unzulängliche Version dirigierte. Heute weiß man, dass Monteverdis Partitur, die im Original nicht erhalten ist, praktisch nicht zu rekonstruieren ist. „Claudio Monteverdi, L’incoronazione di Poppea
Wiener Staatsoper, 3. Juni 2021“
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Wiener Staatsoper plant 2021/22 mit Anna Netrebko und Cecilia Bartolis Debüt

Spielplan-Präsentation der Saison 2021/22, Wiener Staatsoper, 3. Juni 2021

Rossini-Mania, Mozart, Wagner und klassisch gewordene Meisterwerke des 20. Jahrhunderts. All das steht an der Wiener Staatsoper im Mittelpunkt der Saison 2021/22. Calixto Bieito inszeniert „Tristan und Isolde“, Barrie Kosky startet einen neuen Da Ponte-Zyklus. Neben Superstars wie Anna Netrebko, Plácido Domingo und Jonas Kaufmann, werden auch einige neue Gesichter am Haus zu sehen sein.

von Jürgen Pathy

Mit der Ouvertüre zu „Le Nozze di Figaro“ eröffneten Musikdirektor Philippe Jordan und das Staatsopernorchester die Programmpräsentation für die Saison 2021/22. Direkt im großen Saal der Oper. Nicht, wie die letzten Saisonen, in den Räumlichkeiten des Mahlersaals. Die Auswahl der Musik war kein Zufall. Mozart stehe in der kommenden Saison, ebenso wie Wagner, im Mittelpunkt, sagte Bogdan Roščić, der auf der Bühne durch diese Spielplan-Präsentation führte.

„Spielplan-Präsentation der Saison 2021/22
Wiener Staatsoper, 3. Juni 2021“
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WIEN: Die Australierin Nicole Car ist ein neuer Star am Sopranhimmel, und Frank Castorf nervt mit Brause-Schleichwerbung

Die Australierin Nicole Car ist ein neuer Star am Sopranhimmel. Auch an diesem letzten Faust-Abend an der Wiener Staatsoper bot sie die beste Leistung in allen Akten. Lyrische wie dramatische Stellen gelangen ihr wunderbar.  Ihr Timbre ist einzigartig, unverwechselbar, mit absolutem Wiedererkennungswert. Und dann drehte die Australierin in den dramatischen Schlussakten so richtig auf. Die Stimme strahlte, bot viel Kraft, ohne dabei Wärme vermissen zu lassen. Nicole Car ist in Wien keine Unbekannte. Sie hat bereits mehrere Partien ihres lyrischen Faches im Haus am Ring gesungen. Für die Marguerite ist ihr gut geerdeter Sopran bestens geeignet, sie wird sowohl den lyrischen Passagen als auch den dramatischen Ausbrüchen gerecht. Ihr leicht abgedunkeltes Timbre hat sehr persönliche, individuelle Farben.

Lesen Sie gleich bitte den Beitrag von Jürgen Pathy von der ersten Vorstellung am Mittwoch: „Obwohl Startenor Juan Diego Flórez die Paradearie „Salut, demeure chaste et pure“ mit unheimlicher Grazie und Lyrik zu gestalten wusste, über weite Strecken stieß er als Faust an seine Grenzen. Vielleicht ist der Vorstoß ins dramatischere Fach doch nicht die beste Idee gewesen. Flórez, der als Tenore di grazia ohne Zweifel zu den Größten zählt, besitzt einfach nicht das Material, um im jugendlichen Heldenfach zu reüssieren. Zumindest nicht in dieser Partie. Und nicht an einem Haus wie der Wiener Staatsoper, wo das Orchester derart dominierend und exponiert in Stellung liegt.“

Die 5 Jahre alte Stuttgarter Inszenierung von Frank Castorf ist live etwas besser und intensiver als am Bildschirm daheim. Weniger (Live-)Videos wären sicher mehr gewesen. Ob der deutsche Regisseur den Seh-Geschmack des Wiener Opernpublikums traf, das an diesem Abend einen Altersschnitt jenseits der 60 hatte, ist fraglich. Noch am Mittwoch hatte es einen Buh-Orkan für die Regie gegeben. Anspielungen auf den Algerienkrieg (1954 – 1962) und Bilder davon bleiben ein Mirakel des Regisseurs. Überhaupt: Wer schon öfter Castorf gesehen hat, ist enttäuscht von der minimalen Wandlungsfähigkeit dieses Kulturschaffenden. Da ist so vieles der Abklatsch von so vielem. Wer den Castorf-Ring in Bayreuth gesehen hat, den langweilt die geistige Stagnation  dieses Künstlers. Tiefpunkt des Abends war die permanente Schleichwerbung für einen US-amerikanischen Brausehersteller auf großen Neon-Leuchten. In der Pause fragten sich Gäste, wie viel Dollar der Konzern der Wiener Staatsoper oder Herrn Castorf wohl überwiesen haben dürfte für dieses „product placement“.

Andreas Schmidt, Herausgeber, 24. Mai 2021 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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Foto: © Michael Pöhn

Wiener Staatsoper, 19. Mai 2021
Faust, Charles Gounod

„Faust, Charles Gounod
Wiener Staatsoper, 23. Mai 2021“
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Monteverdi in Wien: Von der wirklich spannenden Geschichte bleibt nichts übrig

Slávka Zámečníková und Ensemble. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

PREMIERE WIENER STAATSOPER, 22. Mai 2021
L’INCORONAZIONE DI POPPEA von Claudio Monteverdi

von Heinrich Schramm-Schiessl (onlinemerker.com)

Es war der 1. April 1963 als erstmals – wenn man dem Staatsopernarchiv vertraut – eine Oper von Claudio Monteverdi auf dem Spielplan des Hauses am Ring stand. Es war „L’incoronazione di Poppea“. Am Pult stand Herbert von Karajan, inszeniert hat Günther Rennert und Sena Jurinac sowie Gerhard Stolze waren Poppea und Nerone. Im Orchestergraben sass natürlich das Staatsopernorchester und man spielte das Werk in einer Fassung des Dirigenten und Musikwissenschaftler Erich Kraack. Die Produktion wurde ein Riesenerfolg, was man jederzeit auch auf einer CD nachhören kann. „L’INCORONAZIONE DI POPPEA v. Claudio Monteverdi
PREMIERE WIENER STAATSOPER, 22. Mai 2021“
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Mit dieser „Tosca“ bestätigt die Wiener Staatsoper ihre weltweite Spitzenstellung – auch dank Sonya Yoncheva und Ambrogio Maestri

Wiener Staatsoper, 21. Mai 2021
Giacomo Puccini, Tosca

Foto: Sonya Yoncheva und Ambrogio Maestri, Michael Pöhn ©

von Andreas Schmidt

Allein ihr „Vissi d’arte…“ war den Eintritt zehnfach wert.

Wer diese Ausnahmeerscheinung, diese Primadonna assoluta, am Freitagabend in der Wiener Staatsoper in der Jahrtausendoper „Tosca“ von Giacomo Puccini erleben durfte, wurde Zeitzeuge eines musikalischen Ausnahmeerlebnisses.

Sonya Yoncheva als Tosca in Wien: Hier singt eine Sopranistin auf dem Höhepunkt ihrer Schaffenskraft, hier offenbart sich stimmliche Vollkommenheit und Genauigkeit und paart sich mit spielerischer Freude.

Sonya Yoncheva war an diesem Abend stimmlich umwerfend, sinnlich, weich, aber auch kapriziös, manchmal mit angenehmer Schärfe in den Eifersuchtsszenen. Das „Vissi d’arte“ hatte an Wärme und Wohlklang nicht seinesgleichen. „Giacomo Puccini, Tosca
Wiener Staatsoper, 21. Mai 2021“
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