Kann Lalos „Roi d’Ys“ für das Repertoire gerettet werden?

CD-Besprechung:  Édouard Lalo Le Roi d’Ys  klassik-begeistert.de, 5. Juni 2025

CD-Besprechung:

Édouard Lalo
Le Roi d’Ys

Hungarian National Philharmonic Orchestra
Hungarian National Choir

György Vashegyi
Palazzetto Bru Zane

BZ 1060

von Peter Sommeregger

Das Label Palazzetto Bru Zane ist mit seinen reich ausgestatteten Editionen in Buchform inzwischen zu einer Institution für die Wiederentdeckung französischer Opern der Romantik geworden, gespannt erwartet man jeweils die neueste Ausgabe.

Diese ist Édouard Lalo gewidmet, der mit seiner 1888 uraufgeführten Oper „Le Roi d’Ys“ den größten Erfolg seiner Komponisten-Karriere feiern konnte. Für einige Jahrzehnte blieb das Werk auf den internationalen Spielplänen, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geriet es aber mehr und mehr in Vergessenheit. Die in Budapest als Konzertmitschnitt entstandene Aufnahme bietet die seltene Gelegenheit, sich mit dieser Oper auseinanderzusetzen, und ihre Spielplantauglichkeit zu überprüfen.

Schauplatz der dramatischen Handlung ist das fiktive Königreich Cornouaille an der bretonischen Küste mit der Stadt Ys, dessen König sich in einer kriegerischen Auseinandersetzung mit dem Prinzen Karnac befindet. Zu deren Befriedung soll Karnac mit Margared, der Tochter des Königs, vermählt werden, was in der Folge zu einer Fülle von dramatisch zugespitzten Szenen und unerwarteten Wendungen führt. Am Ende bewahren nur himmlische Mächte die Stadt vor dem Untergang in den Fluten.

Zentrale Figur ist die Königstochter Margared, die aus verschmähter Liebe zu Mylio, der ihre Schwester Rozenn ihr vorzieht, sich und die Stadt ins Unglück stürzen will. Kate Aldrich verkörpert sie mit agilem dramatischen Mezzosopran, der auch die dramatischen Höhepunkte ohne Schärfen wohlklingend meistert. Ihre sanfte Schwester Rozenn wird von Judith van Wanroij mit feinem, lyrischen Sopran interpretiert.

Den zwischen den beiden Frauen stehende Mylio singt Cyrille Dubois klangschön mit maskulinem Tenor, Jérôme Boutillier gibt markant den Bariton-Gegenspieler Karnac. Ausgerechnet der Titelheld, der König, ist mit Nicolas Courjal stimmlich unterbesetzt. Seine Bass-Stimme klingt abgesungen und leidet unter einem kaum kontrollierten Tremolo.

Die Ungarische Nationalphilharmonie und deren Chor unter György Vashegyi realisieren die Partitur in der im Januar 2024 im Béla Bartók Konzertsaal in Budapest stattgefundenen Aufführung mit stilistischem Einfühlungsvermögen und idiomatische Korrektheit.

Nach etwas schwerfälligem Beginn steigert sich mit der Zuspitzung der Handlung auch das Tempo und die Intensität der Musik. Ein Manko des Werkes ist das Fehlen von eingängigen Melodien, es gibt auch keine Arien im herkömmlichen Sinn. Bei aller musikalischen Qualität des Werkes, seinen mächtigen Chören, seiner opulenten spätromantischen Klangfülle und fein herausgearbeiteten Details ist es wohl doch fraglich, ob diese Oper für ein modernes Operntheater repertoiretauglich ist.

Umso größer das Verdienst von Palazzetto Bru Zane, das Werk in einer qualitativ hochwertigen Aufnahme zu präsentieren.

Peter Sommeregger, 3. Juni 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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