CD-Rezension:
Never such Innocence
ENGLISH SONG
Benjamin Hewat-Craw, Bariton
Yuhao Guo, Piano
Ars 38610
von Peter Sommeregger
Die drei Komponisten, deren Liederzyklen auf dieser CD vertreten sind, gehören einer Generation an. Alle sind gegen Ende des 19. Jahrhunderts geboren. Der erfolgreichste von ihnen, Ralph Vaughan Williams, erreichte ein hohes Lebensalter. George Butterworth hingegen fiel im Alter von 31 Jahren in einer Schlacht an der Somme. Auch der dritte der Komponisten, Ivor Bertie Gurney, wurde indirekt ein Opfer des ersten Weltkriegs, er verbrachte die letzten 15 Jahre seines Lebens in der Psychiatrie.
Die Zyklen entstanden alle in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg, die der Bariton Hewat-Craw als die Zeit vor dem Verlust der Unschuld bezeichnet. Obwohl auch der Beginn des 20. Jahrhunderts keineswegs frei von großen Problemen war, erscheint doch rückwirkend betrachtet der erste Weltkrieg als Beginn von Ereignissen, die weltweit Furchtbares, auch in den Seelen der Menschen, anrichteten.
Die hier wiedergegebene Musik ist gleichsam ein Dokument der unschuldigen Zeit davor. Vaughan Williams „House of Life“ ist die Vertonung von sechs Sonetten des Autors Dante Gabriel Rossetti, und wurde bereits 1904 uraufgeführt. Der Komponist versucht darin erfolgreich eine eigenständige musikalische Sprache zu finden und sich von dem übermächtigen Einfluss der Deutschen Lied-Literatur zu emanzipieren.
George Butterworth, der eng mit Vaughan Williams befreundet war, hatte eine große Affinität zur britischen Volksmusik, als Sammler solcher Volksweisen trug er über 450 davon zusammen. Bedingt durch die Kürze seines Lebens blieb sein Oeuvre leider schmal, aber die hier wiedergegebenen „Six Songs of a Shropshire Lad“ auf Texte von Alfred Edward Hausman erreichten eine nachhaltige Popularität. Berührend ist, wie in den Gedichten die Vorahnung eines frühen Todes thematisiert wird.
Die „Five Elizabethan Songs“ von Ivor Bertie Gurney entstanden nach Texten von Shakespeare, John Fletcher und Thomas Nash, Zeitgenossen Shakespeares. Stilistisch ähneln sie eher deutschen Kompositionen als britischer Vokalmusik. Gurney war gleichermaßen literarisch wie musikalisch begabt. Sein labiler Geisteszustand verhinderte aber wohl eine efolgreiche Laufbahn.
Mit der Auswahl und Interpretation dieser Lieder legt Benjamin Hewat-Craw bereits seine zweite CD vor. Wie schon bei der von ihm eingespielten „Winterreise“ Franz Schuberts ist der Pianist Yuhao Guo sein kongenialer Begleiter. Hewat-Craws weich und geschmeidig timbrierter Bariton ist in seinem heimatlichen Idiom sicher und einfühlsam durch die unterschiedlichen Stile dieser Lieder unterwegs. Originell ist der programmatische Ansatz dieser Produktion, die für viele Hörer wohl die erste Begegnung mit Butterworth und Gurney darstellen wird. Auf einer Tournee werden die beiden Künstler mit diesem Programm unterwegs sein, wozu man ihnen nur den verdienten Erfolg wünschen kann!
Peter Sommeregger, 21. Juni 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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