Gelungenes Ring-Vorspiel in Leipzig macht Lust auf Mehr

Das Rheingold, Richard Wagner,  Oper Leipzig, 2. März 2022

Fotos: (c) Tom Schulze
Eine sehr gelungene Rheingold-Aufführung in Leipzig. Musikalisch steht Thomas Mohrs Loge im Vordergrund, auch die anderen Rollen sind großenteils sehr stark besetzt. Man bekommt Lust auf mehr.

Oper Leipzig, 2. März 2022

Das Rheingold
Musik und Libretto von Richard Wagner

von Johannes Karl Fischer

Diese Oper lebt davon, dass es keine Nebenrollen gibt. Donner und Freia sind musikalisch ähnlich wichtig wie Wotan und Alberich. In Leipzig glänzten vor allem die „kleinen“ Rollen. Beginnen wir mit Erda: Einfach ein spektakulärer Auftritt von Marina Prudenskaya. Leider sind es nur 60 Takte, in denen die magische Kraft ihrer Stimme verzaubern konnte. „Weiche Wotan, Weiche“: Solch mahnende Worte sollte sie mal den Atommächten vorsingen…

Auch Donner (Anooshah Golesorkhi) und Froh (Sven Hjörleifsson), die Götter des Gewitters bzw. der Sonne, waren sehr stark besetzt. Vor allem Golesorkhis kräftige Stimme trug deutlich zum allesamt sehr gelungenen Schluss bei. Für die Handlung eigentlich völlig unwichtig, hat er doch einige musikalisch wichtige Momente („das fegt den Himmel mir Hell“).

Olga Jelínkova (Woglinde), Sandra Maxheimer (Wellgunde) und Sandra Janke (Flosshilde) waren drei verzaubernde Rheintöchter. Die Dreiklänge flossen wie das Wasser des Rheins. Keine der drei Sängerinnen hat versucht, die beiden anderen zu „übertönen“, wie es leider allzuoft bei solchen Partien zu hören ist. Wie ein richtig gutes Streichquartett. Alle Stimmen sind gleich wichtig.

Eine der stärksten Auftritte des Abends hatte Friedemann Röhlig (Fasolt). Ein glasklarer, äußerst verständlicher Bass, trotzdem mit donnernder Stimme. Auch Taras Shtonda gab einen durchweg soliden Fafner, wenn auch nicht ganz so souverän wie sein Riesen-Bruder.

Foto: (c) Tom Schulze

Gabriela Scherer verkörperte mit ihrer fesselnden Stimme eine hilflos als Geisel genommene Freia. Kathrin Göring war eine sehr gute Fricka, die Wotan klar und deutlich an seine Pflichten erinnerte. Sie ist es nämlich, die ihm sagt, dass er seinen Vertrag auch einhalten muss. Und nicht einfach die Burg nehmen kann, ohne sie zu bezahlen.

Das Highlight des Abends war Thomas Mohrs Loge. Segelnde melodische Linien. Sein Text war so deutlich, als wäre er ein Poet und würde ein Gedicht rezitieren. Und trotzdem brillieren. Erinnerungen an Graham Clarks Loge in der legendären Barenboim-Bayreuth Ring-Einspielung 1991 werden wach. Entsprechend bekam er auch den meisten Applaus.

Nicht ganz so überzeugend war leider Alberich (Kay Stiefermann). Singen kann er richtig gut, das hat man deutlich gemerkt. Und die Inszenierung war wie gemacht für diese Rolle: Der Raub des Rheingolds ähnelte einem Diebstahl der Mona Lisa, in Nibelheim peitschte er auf seine Untertanen los wie ein totalitärer Diktator. Eben der Antagonist dieser Oper.  Schauspielern konnte er das auch richtig gut. Aber gesungen hat er leider zu schön. Zu nett. Ein sehr guter Sänger, der sich im Alberich nicht wirklich zurechtgefunden hat.

Mit Tuomas Pursio schien mir Wotan etwas unterbesetzt – vor allem am Anfang. Wie Stiefermann hat er keinesfalls schlecht gesungen. Aber die Kraft eines Göttervaters hatte seine Stimme im ersten Auftritt („Vollendet das ewige Werk“) nicht wirklich. In der zweiten Riesen-Szene war er dann deutlich besser – vielleicht musste er sich auch erstmal warm singen. Für diese Partie vollkommen verständlich.

Warm spielen und dirigieren musste sich auch das Gewandhausorchester und der Leitung von Matthias Foremny. Im Vorspiel und der ersten Rheintöchter-Szene waren leider einige Individualfehler zu hören – vor allem bei den Hörnern und Trompeten. Und auch den Sog des 6/8-Takts hatte Foremny nicht wirklich gefunden.

Zum Ende hin wurde der Klang aus dem Graben dann richtig gut. Glasklare Walhall-Motive, ein mitreißender Einzug der Götter in Walhall. Wagner hat hier für 6 Harfen komponiert, so viele, dass sie in den meisten Partituren gar einen Extra-Anhang brauchen. In Leipzig eine Gänsehaut-Klangmischung, wie man sie sonst aus Berlin und Wien kennt. Sehr schwer, dabei still zu sitzen.

Sehr schön war auch die Inszenierung von Rosamund Gilmore. Neu, kreativ, und trotzdem nicht im Konflikt mit der Partitur. Im Rhein-Planschbecken war sogar echtes Wasser auf der Bühne, das Gold „ausgestellt“ hinter einer Glasscheibe wie die Mona Lisa im Louvre. Besser kann man das Rheingold im 21. Jahrhundert nicht erklären.

An der einen oder anderen Stelle war die technische Umsetzung leider nicht ganz perfekt. So wurde bei Alberichs Verwandlungen die Bühne mit Nebel überflutet – eigentlich ein sehr gelungener Moment. Eigentlich. Wenn danach nicht das halbe Publikum mindestens 10-15 Minuten lang stinkende Nebelflüssigkeit statt holden Düften einatmen müsste.

Insgesamt ein sehr gelungenes längstes Vorspiel der Opernwelt. Nach einem etwas wackeligem Anfang konnten vor allem die zahlreichen – und durchweg stark besetzen – Gesangsrollen glänzen. Und den Schluss wird man in Bayreuth oder Wien vermutlich nicht viel besser hören. Auch dank eines souveränen Loges. Man hat Lust auf mehr…wie wäre es mit noch drei Opernabenden?

Johannes Karl Fischer, 3. März 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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