Philharmonie Berlin, 31. März 2018
Duo Recital Daniel Barenboim – Martha Argerich
von Kirsten Liese
Die Duo-Klavierabende von Martha Argerich und Daniel Barenboim haben seit Jahren Tradition bei den Berliner Festtagen und bescheren ihnen eine besondere Exklusivität. In der Berliner Philharmonie scheinen sich die beiden Kosmopoliten besonders wohl zu fühlen. Jedenfalls gibt es wenige andere Orte, wo man sie beim gemeinsamen Musizieren erleben kann – außer vielleicht einmal in ihrer argentinischen Heimat Buenos Aires.
Zu Absagen, mit denen man bei der „Löwin“ in früheren Jahrzehnten immer rechnen musste, kam es hier nie. Stets als eine zuverlässige Größe hielt die 77-Jährige den Festtagen die Treue.
Aber etwas war diesmal anders. Martha Argerich betritt langsam und vorsichtig das Podium. Auch die Verbeugungsrunden beim Beifall sind kürzer geworden – physisch wirkt die Grande Dame, der man es lange Zeit gar nicht ansah, dass Sie Anfang der 1990er Jahre im Zuge einer schweren Krebserkrankung eine schwierige Operation an der Lunge hatte, etwas geschwächt.
In den vergangenen Jahren ging es nach dem offiziellen Programm erst richtig los, da folgten noch an die fünf, sechs Zugaben. Diesmal war irgendwie schon nach dem letzten Stück klar, dass danach nichts mehr folgen würde.
Künstlerisch stand dieser Nachmittag den Konzerten vergangener Jahre in nichts nach. Ganz gleich, ob sie nun für Debussys „Six Epigraphes Antiques“ zu vier Händen direkt nebeneinander Platz nehmen oder für dessen „En Blanc et Noir“ vis-á-vis an zwei Flügeln – die Interpretationen der Künstlerfreunde sind getragen von Charisma und einer spürbaren Seelenverwandtschaft. Nur versteht sich Argerich auf einen leichteren, eleganteren Anschlag, und der ist für die intime Musik des Franzosen, dem dieser Nachmittag anlässlich seines 100. Geburtstags gewidmet ist, nicht unerheblich.
Barenboim akzentuiert dagegen gerne einzelne Töne oder auch – wie zu Beginn des Préludes „A l’après midi d’un faune“, hier in der selten aufgeführten Bearbeitung des Komponisten für zwei Klaviere zu hören – eine ganze Melodie. Der lyrische Feinsinn kommt ihm freilich darüber nicht abhanden, erkundet er doch die zarten Klanggespinste in nuancierten Pianotönen.
In einer solchen dichten Folge werden Debussys höchst anspruchsvolle Bearbeitungen, darunter auch die sinfonische Dichtung „La Mer“, selten gegeben, noch dazu in einer solchen Nuanciertheit! Im Changieren zwischen Kontemplation, Poesie und leicht verhuschten, virtuosen Kaskaden drängen unwillkürlich impressionistische Bilder vor das innere Auge: die lila-bläulich schimmernden Seerosen von Monet, die zart-roséfarbenen Gärten eines Alfred Sisley oder auch Seelandschaften im Mondesschein. Und wenn die Musik wieder geerdeter und schwerer daher kommt, denkt man an die Kathedrale von Reims, die Monet in einer ganzen Serie unterschiedlich beleuchtete.
Und wiewohl es Barenboim ist, der meist führt und die erste Stimme spielt, ist es doch Argerich, die mit ihrer subtilen Klangkultur das französische Parfüm dieser Musik heraufbeschwört.
Die Ovationen am Ende sprachen für sich. Hoffentlich war es nicht das letzte gemeinsame Recital der beiden Ausnahmemusiker. Auf den Festtagen 2019 wird es erst einmal keine Fortsetzung geben.
Kirsten Liese, 2. April 2019, für
klassik-begeistert.de
Foto: Musikverein Wien