Schöner als Perlmutt schimmern die Stimmen bei der Kölner Premiere der Perlenfischer

Georges Bizet, Les Pêcheurs de perles, Chor der Oper Köln, Gürzenich-Orchester Köln  Oper Köln, 9. Juni 2024

Sara Blanch © Guido Grass

Sarah Blanch zieht als unwiderstehlich schöne Leïla mit ihrer makellosen Stimme alle in ihren Bann. Mit Insik Coi kommt ein wahrer Schatz des Kölner Opernensembles auf die Bühne. Die konzertante Aufführung fokussiert uns auf die Nuancen der wundervollen Musik Bizets.

Les Pêcheurs de perles
konzertante Aufführung
Oper in drei Akten und vier Bildern von Georges Bizet
Libretto von Michel Carré und Eugène Cormon

Leïla: Sara Blanch
Nadir: Anthony Leon
Zurga: Insik Choi
Nourabad: Christoph Seidl

Chor der Oper Köln
Gürzenich-Orchester Köln

Dirigent: Nicholas Carter

Oper Köln, 9. Juni 2024  Premiere


von Petra und Dr. Guido Grass

Stahlblau leuchtet der Bühnenhintergrund hinter dem Kölner Opernchor, gut sichtbar davor nimmt das Gürzenich-Orchester Platz. Mehr als ein Wechsel der Hintergrundfarbe dürfen wir heute nicht erwarten. Die Premiere der Perlenfischer wurde als konzertante Aufführung angekündigt.

Gelegenheiten, kleine darstellerische Gesten in die Gesangsdarbietung einfließen zu lassen, hätten sich schon im ersten Akt ergeben. Hier treffen sich die Freunde Nadir (Anthony Leon) und Zurga (Insik Choi) wieder. Konsequent der konzertanten Linie folgend, kommt es noch nicht mal zu einem Handschlag zwischen den Freunden; und so puristisch wird es auch bis zum Ende bleiben.

Aus der Schatztruhe des Kölner Opernensembles: Insik Choi

Gesanglich kommunizieren die beiden Protagonisten jedoch hervorragend: Im „Perlenfischer-Duett“ („Au fond du temple saint“) bleibt der Gesang der beiden unterschiedlichen Stimmen in wohl balancierter Ausgewogenheit.

Hier ist es der Bariton Insik Choi, der seine Kraft dosiert einsetzt. Seit seinen ersten Tagen im internationalen Opernstudio Köln hat sich seine Stimme enorm weiterentwickelt. Sein warmer, sonorer Bariton hat keine Mühe, sich auch gegen ein laut aufspielendes Orchester durchzusetzen. Ohne jede Schärfe, ohne Pressen oder Enge sitzt bei ihm auch die Höhe, ob piano oder forte. Wandlungsfähig und spontan folgt er dem Spiel des Orchesters und fügt sich in die Stimmen seiner Kollegen ein. Köln hat hier einen Schatz, der auch auf den großen internationalen Bühnen präsentiert werden sollte.

Oper Köln © Tersa Rothwangl
Sara Blanch braucht keine Perlen – ihre Stimme und Schönheit strahlt

Die Schmuckschatulle öffnet sich aber vollends, als Sara Blanch als Leïla auf der Bühne erscheint. Anmutig wie eine griechische Göttin betritt die spanische Sängerin in einem zartrosa Glitzerkleid mit bodenlangen Ärmeln die Bühne. Die Rolle der Leïla ist ihr wie auf den Leib geschneidert. Kein Wunder, dass Nadir und Zurga ihr nicht widerstehen können. Das Kölner Publikum zieht sie mit ihrer ausdrucksstarken Schönheit unmittelbar in ihren Bann.

Blanch ist für uns die Entdeckung der Saison, wir hören sie heute erstmalig. Mit ihrem beweglichen Sopran versteht sie es, jede Facette der Rolle auszuleuchten. Von sicherer Tiefe und dunklem, fast mezzohaften Timbre bis zur klaren jugendlich-lyrischen Stimme sitzt alles wie angegossen. Mühelos gestaltet sie die Koloraturen. Und wenn ihr Sopran in der Höhe glockenklar den gesamten Raum durchstrahlt, sind wir hin und weg.

Auch der junge aufstrebende Tenor Anthony Leon gefällt uns gut. Seine Stimme klingt wunderschön, mit angenehmer Klangfarbe. Wenn er in der Romanze „Je crois entendre encore“ von Leïla träumt, schmelzen wir dahin. Bei aller Schönheit hätte gelegentlich ein Quäntchen mehr Kraft und etwas mehr Aggressivität die Rollendarstellung abgerundet. Im Angesicht des Todes muss „Leur demander grâce? Non, plutôt la mort!“ („Sie um Gnade bitten? Nein, lieber den Tod!“) aus Nadir herausbrechen, das darf dann nicht mehr schön sein. Dies sind aber Feinheiten. Wir sehen heute einen Sänger am Beginn seiner Karriere mit großem Potential.

Mit Christoph Seidl hat die Kölner Oper eine Luxusbesetzung für die Nebenrolle Nourabad gewinnen können. Er verkörpert mit langem Bart den Dorfältesten par excellence. Sein autoritärer Bass durchflutet den Raum.

Orchester und Chor entfalten sich im Rampenlicht

Der Chor hat in „Die Perlenfischer“ nicht nur eine begleitende, sondern auch eine handlungstreibende Funktion. Hier ist der Chor der Oper Köln einmal mehr eine sichere Bank. Auch in den schnellen Textpassagen bleibt er in französischer Sprache gut verständlich.

Der Dirigent des heutigen Abends, Nicholas Carter, ist an vielen großen Bühnen gern gesehener Gast. Mit präzisen Zeichen führt er das Gürzenich-Orchester, den Chor und die Solisten sicher durch die Partitur. Bei der konzertanten Aufführung können wir gut beobachten, wie er die einzelnen Gruppen dämpft oder fordert und darauf achtet, dass auch die Nuancen zur Geltung kommen. Auf offener Bühne entfalten die Soli ihren ganzen Charme.

Perlenfischer GP © Matthias Jung

Mit einem gut disponiertem Orchester und einem so guten Sängerensemble hat er freie gestalterische Möglichkeiten. So dürfen am Ende des zweiten Aktes („Brahma, divin Brahma, que ta main nous protège!“ – „Brahma, allmächtiger Gott! Bleibe bei uns in Gnaden!“) Orchester und Chor voll auftrumpfen, ohne dass Carter Sorge haben müsste, die Sänger zuzudecken. Die Solostimmen von Insik Choi, Sara Blanch und Christoph Seidl setzen sich als Einzelstimmen über den Tumult scheinbar mühelos hinweg.

Einzelne Bravo-Rufe waren schon nach dem ersten Akt zu hören. Mit noch größerem Applaus, stehenden Ovationen und Fußtrampeln bedankt sich das Publikum bei allen Beteiligten am Ende des Abends. Sichtliche Freude auch beim Dirigenten und den Sängern über eine gelungene, kurzweilige Darbietung.

Bitte da capo als inszenierte Aufführung.

Petra und Dr. Guido Grass, Köln, 11. Juni 2024
für klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Georges Bizet, Die Perlenfischer (Les Pecheurs de Perles) Musiktheater im Revier Gelsenkirchen, 19. Januar 2019

Georges Bizet, Les Pêcheurs de Perles, Olga Peretyatko-Mariotti, Staatsoper Unter den Linden, Berlin

Götterdämmerung, Musik und Libretto von Richard Wagner Deutsche Oper Berlin, 20. Mai 2024

 

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