Der Gesang von Olga Peretyatko-Mariotti strömt wie ein warmer, weicher Wind durch den Saal

Georges Bizet, Les Pêcheurs de Perles, Olga Peretyatko-Mariotti,  Staatsoper Unter den Linden, Berlin

© alikhan photography
Georges Bizet, Les Pêcheurs de Perles

Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 13. April 2018

Victorien Vanoosten, Dirigent
Wim Wenders, Inszenierung
David Regehr, Bühne
Montserrat Casanova, Kostüme
Olga Peretyatko-Mariotti, Leïla
Alfredo Daza, Zurga
Francesco Demuro, Nadir

von Yehya Alazem

Man kann ins Kino gehen, um eine Oper zu sehen. Vorstellungen werden heutzutage aus der ganzen Welt live im Kino übertragen, was eigentlich hervorragend ist, da man Opernaufführungen aus der Metropolitan Opera in New York, aus dem Festspielhaus in Bayreuth und dem Royal Opera House in London auch am Wohnort erleben kann. Aber ist es wirklich nötig, Film in die Oper zu bringen?

Oper ist ja eine Bühnenkunst. Es geht nicht nur um den Gesang, das Orchesterspiel, das Schauspiel oder die Kostüme, sondern auch um das Bühnenbild. Und wenn man eine so selten gespielte Oper aufführt, warum macht man es nicht richtig?

George Bizets Durchbruch kam zwölf Jahre vor der Premiere seines Opernphänomens „Carmen“: „Les Pêcheurs de Perles“ (Die Perlenfischer) feierte ihre Premiere am Théatre Lyrique in Paris 1863 und war bei der Uraufführung kein großer Erfolg. Die Originalpartitur war verschwunden, aber glücklicherweise stand ein zeitgenössischer Klavierauszug zur Verfügung und die Oper konnte mit einer rekonstruierten Fassung aufgeführt werden.

Bizet schildert in dieser Oper ein Dreiecksdrama in einem Inselparadies, das die tiefe Freundschaft zwischen Zurga und Nadir zerreißt. Die beiden Männer haben einander geschworen, auf die schöne Brahmanin Leïla zu verzichten. Aber bei ihrem Wiedersehen können Leïla und Nadir einander nicht wiederstehen, was Zurgas Herz zutiefst quält.

Der deutsche Regisseur Wim Wenders inszeniert zum ersten Mal eine Oper, und dieses Debüt scheitert. Auf der Bühne passiert fast nichts. Wir sehen die Solisten und den Chor in orientalischen Bekleidungen, aber eine durchdachte Personenregie existiert nicht und das Bühnenbild ist arm und tot. Die Handlung geht nur durch Filme auf einem Bildschirm weiter.

Um das Stück vom toten Bühnenbild zu erwecken sorgt die Staatskapelle Berlin unter Victorien Vanoosten für ein lebendiges Spiel, das die inneren Schönheiten aus der Partitur hervorhebt und die orientalischen Düfte des Stücks im Saal verbreitet. Besonders brillieren die Holzbläser an diesem Abend. Der Chor singt klangschön, mit Präzision und einer ausgezeichneten Harmonik.

In der Rolle der Leïla hat man eine Traumbesetzung: Olga Peretyatko-Mariotti. Ihre Stimme hat einen schönen mitteldunklen Klang und eine hervorragende Tessitur. Wenn sie singt, scheint alles ein „piece of cake“ zu sein. Ihr Gesang strömt wie ein warmer, weicher Wind durch den Saal, und mit ihren leichten, girrenden Koloraturen bezaubert sie das Publikum.

Der Mexikaner Alfredo Daza überzeugt mit seinem tiefen, soliden Bariton als Zurga. Er ist zwischen Freundschaft und Eifersucht, Rachewunsch und Pflichtgefühl hin- und hergerissen aber eher kompromisslos als sympathisch in seiner Interpretation und singt mit großer Leidenschaft.

Als Nadir hat der italienische Tenor Francesco Demuro gar keine Überzeugungskraft. Er hat einen hellen Klang, der in einigen Zwischentönen schön klingen kann, aber meistens klingt er zu eng, atemlos und angestrengt. Auch der Übergang zwischen den Registern gelingt ihm nicht – es klingt so, als wären es vier verschiedene Tenöre, einer in jeder Lage. Diese Rolle fordert eine Tenor-Stimme mit sowohl warmem Klang und hoher Sensibilität als auch einer stabilen Höhe – Demuro ist eine total falsche Besetzung.

Man könnte mit dieser schönen Oper so viel mehr Gutes erleben, als das, was man an diesem Abend erlebt. Glücklicherweise war es vom Musikalischen her – abgesehen von der Tenorrolle – hörenswert.

Yehya Alazem, 16. April 2018, für
klassik-begeistert.de

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