Chao Deng (Schaunard), Katharina Konradi (Musetta), Kartal Karagedik (Marcello), Paolo Arrivabeni (musikalische Leitung), Elbenita Kajtazi (Mimi), Tomislav Mužek (Rodolfo), Hubert Kowalczyk (Colline) (Foto: RW)
Man muss lange zurückblicken, um auf der Hamburger Opernbühne eine so in sich stimmige Besetzung der Bohème auf so hohem Niveau gehört und gesehen zu haben. Tomislav Mužik reicht gesanglich zwar nicht an berühmte Bühnenvorgänger der 1960er- und 1970er-Jahre heran, Elbenita Kajtazi überstrahlt aber wegen ihrer sensiblen gesanglichen Darstellung selbst herausragende Vorgängerinnen wie Mirella Freni oder Angela Gheorghiu; und auch Musetta wurde selten so prägnant gesungen.
Giacomo Puccini
La Bohème
Hamburgische Staatsoper, 3. Januar 2023
von Dr. Ralf Wegner
Aktuell zeigt die Hamburgische Staatsoper eine Serie herausragend besetzter Aufführungen der Puccini-Oper La Bohème. Das Personal rekrutiert sich weitgehend aus dem Ensemble, nur die Partie des Rodolfo wird von einem Gast gesungen.
Tomislav Mužek sang diese Partie mit viel Schmelz in der Stimme und strahlender Höhe, wenngleich er das hohe C am Ende des ersten Bildes (Duett O soave fanciulla), wie viele andere Tenöre auch, nach unten transponierte. Dafür war Elbenita Kajtazis Schlusston umso schöner zu hören. Kajtazi sang großartig mit weit tragender, farbreicher, niemals scharfer oder vibratogetrübter Stimme, klangschön im Piano wie im Forte und war dezent, aber prägnant in der Darstellung. Ihre Gesangskunst wurde gekrönt von der in die Stimmproduktion einfließenden Sensibilität für die Rolle der Mimì (Arien Mi chiamano Mimì und Donde lieta uscì). Nicht nur die Schönheit, der Glanz oder die schiere Kraft ihrer Stimme treiben Tränen in die Augen, sondern vor allem die unmittelbar auf den Zuhörer mittels Gesang übertragene, unter die Haut gehende gesanglich-gestalterische Emotionalität.
Auch alle anderen Rollen waren sehr gut bis herausragend besetzt, so mit dem stimmstarken und mit schöner Tonbindung singenden Bariton Kartal Karagedik, oder Hubert Kowalczyk als Colline und Chao Deng als Schaunard. Zudem war Katharina Konradi eine stimmlich herausragende Musetta, die mit hellem Stimmklang nicht nur die Kapricen dieser Figur zum Klingen brachte, sondern auch mit weicherer Tongebung als Mimìs Schwester im Geiste beeindruckte.
Die jetzt ca. 16 Jahre alte Inszenierung von Guy Joosten in den Bühnenbildern von Johannes Leiacker beeindruckt unverändert mit einem über die Bühnenbreite reichenden dreigeschossigen Mietshaus, welches am Ende des ersten Bildes nach unten gefahren wird und den Platz vor dem Café Momus freigibt. Im letzten Bild fährt das Mietshaus aus der Versenkung wieder hoch, jetzt verwahrlost und entwohnt. Die Übergänge sind technisch gut gelöst und auch das Spiel der Sängerinnen und Sänger überzeugte.
Im Vordergrund stand natürlich die gesangliche Leistung; der besten von mir in dieser Inszenierung Gehörten. Man muss lange zurückblicken, um auf der Hamburger Opernbühne eine so in sich stimmige Besetzung der Bohème auf so hohem Niveau gehört und gesehen zu haben. Tomislav Mužik reicht gesanglich zwar nicht an berühmte Bühnenvorgänger der 1960er und 1970er Jahre heran, Elbenita Kajtazi überstrahlt aber wegen ihrer sensiblen gesanglichen Darstellung selbst herausragende Vorgängerinnen wie Mirella Freni oder Angela Gheorghiu; und auch Musetta wurde selten so prägnant gesungen. Zudem trug das Philharmonische Staatsorchester unter der musikalischen Leitung von Paolo Arrivabeni zum Gelingen der Aufführung bei.
Wer eine wirklich ausgezeichnete Bohème-Aufführung sehen und vor allem hören möchte, hat dazu noch in diesem Monat genügend Gelegenheit!
Weitere Aufführungen mit dieser Besetzung gibt es im Januar noch an folgenden Terminen: 7., 13., 17. und 20. Januar; am 15. Januar singen Alexey Bogdanchikov den Marcello und Olivia Boen die Musetta.
Dr. Ralf Wegner, 4. Januar 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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