Foto: © Christian POGO Zach
Staatstheater am Gärtnerplatz München
14. November 2019
Giacomo Puccini, Tosca (Premiere)
von Barbara Hauter
Dunkles Diven Drama. So passend bewirbt das Gärtnerplatztheater seine neueste Produktion. Bühne, Kostüme, Requisite, alles ist in tiefstes Schwarz getaucht, bedrohlicher Nebel wallt, nur wenige Lichtakzente beleuchten die grausame Geschichte von der Operndiva Tosca, ihrem Malerfreund Mario Cavaradossi und ihrem Widersacher, dem Polizeichef Baron Scarpia.
Sie spielt am 17. und 18. Juni 1800 in Rom, einer politisch spannenden Zeit. Die Stadt ist im Umbruch, die von der französischen Revolution inspirierten republikanischen Kräfte kämpfen gegen die alte Monarchie. Zwischen diese Fronten geraten die Liebenden Tosca und Mario in ein tödliches Spiel um Liebe, Eifersucht, Machtmissbrauch, Folter und Mord.
Die Stimmung ist schon im ersten Akt bedrohlich. Ein gestürztes Kreuz beherrscht die Bühne, Glaubenseiferer in schwarzen Kutten scheinen mit ihren schwarzen Monstranzen die beiden Liebenden zu bedrängen. Für die Gärtnerplatz-Erstaufführung erarbeitete Regisseur, Bühnenbildner und Kostümgestalter Stefano Poda seine Deutung des Politthrillers sehr bildgewaltig. Ein überdimensionaler, meterlanger Tisch wie für eine Schlachtplanung dominiert die Bühne im zweiten Akt, im dritten schwebt ein faschischtoid anmutender Adlerflügel und ein Gewirr aus tödlichen Lanzen über den Protagonisten, die Schergen des Polizeichefs tragen lange schwarze Militärmäntel.
Puccinis „Tosca“ ist sehr emotional. Wie Filmmusik zeigt sie die Tiefe des Gefühls genau zum Bühnengeschehen passend, mit entsprechend vielen Wechseln, wie bei einem schnellen Filmschnitt. Diese Tosca ist laut, dramatisch, feurig, leidenschaftlich. Den Sängern gelingt es durchweg, dieses Gefühlsbad ins Publikum zu transportieren. Mit ganzem Körper- und Stimmeinsatz.
Tenor Artem Golubev singt seinen Mario bravourös, während er Liegestützen trainiert und sich dann sogar auf den Bunkertisch wirft. Bariton Noel Bouley als Baron Scarpia wirkt schon durch seine schiere körperliche Erscheinung furchteinflößend: groß, langhaarig, düster steht er als Sinnbild für das Böse und scheint durch seine wuchtige Stimme erst recht unüberwindlich. Er will Floria Tosca für sich – mit Gewalt. Doch Sopranistin Oksana Sekerina gibt eine mehr als würdige Gegenspielerin.
Sie ist nicht das anämische, zarte, empfindliche Sängerinnenpflänzchen, ein Klischee, das in Opern nur allzu oft vorkommt. Nein, sie ist eine starke, selbstbestimmte Frau, die nicht nur ihren Geliebten beschützt, sondern den unbesiegbar erscheinenden Scarpia aus eigener Kraft tötet. Sekerina zeigt sich stimmlich und schauspielerisch einfach grandios: Ihr Sopran ist wohlgerundet, warmtemperiert, sicher, öffnet sich in den Höhen ganz wunderbar. Bravo.
Die Gärtnerplatz-Tosca ist in sich sehr stimmig und aus einem Guss – fast eine Art Designer-Oper. Sie transportiert in Zeiten der wieder aufflammenden politischen Gewalt eine aktuelle Botschaft. Und ihre Sänger samt Chor sind sehr hörenswert. Erstaunlich, dass bei der Premiere der Applaus zwar freundlich, aber eher kurz war.
Barbara Hauter, 15. November 2019, für
klassik-begeistert.de
Dirigat: Anthony Bramall
Regie: Stefano Poda
Bühne und Kostüme: Stefano Poda
Licht: Stefano Poda
Mitarbeit Regie: Paolo Giani Cei
Choreinstudierung: Pietro Numico
Dramaturgie: Michael Alexander Rinz
Floria Tosca: Oksana Sekerina
Mario Cavaradossi: Artem Golubev
Baron Scarpia: Noel Bouley
Cesare Angelotti: Timos Sirlantzis
Der Mesner: Levente Páll
Spoletta: Juan Carlos Falcón
Sciarrone: Holger Ohlmann
Ein Gefängniswärter: Martin Hausberg
Hirtenknabe: Nestor Erofeev
Chor und Kinderchor des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Voltairianer … ich habe gerade eben 08.12.2019, 20:15, … leider nur im Fernsehen auf ARTE … die Saisoneröffnung der Scala mit „Tosca“ gesehen. Das war eine meiner völlig unmaßgeblichen Meinung nach wirklich grandiose Aufführung. Die Besetzung war grandios, die Regie war grandios, die musikalische Leitung und das Orchester waren grandios, das Bühnenbild war grandios
… und …
die Gesamtwirkung durch die sarkastisch, machtpolitisch libidinöse Mehrfachbrechung der Inszenierung – durch, im und mit dem Bühnenumfeld, also dem Publikum, dem Ambiente, also der gesamten Situation sei göttlicher Dank – war einfach unwiederbringlich genial.
So eine Gesamtwirkung kann niemand wirklich gezielt inszenieren – das nur zum Troste vieler Dramaturgen und Theater-Regisseure – hier kam durch eine Fügung ALLES zusammen.
Axel Arnold Bangert – Herzogenrath, 08.12.2019