Das Rossini-Festival Pesaro brilliert mit umwerfender Komik

Gioachino Rossini, L’Equivoco Stravagante  Rossini Opera Festival Pesaro, 12. Augsut 2024

2023 Muk Aussenansicht Stadt © Olaf Malzahn

Das Rossini Opera Festival Pesaro wurde vor 44 Jahren gegründet – und hat sich längst zum besten Rossini-Festival weltweit, ja zum „Mekka des Belcanto“ entwickelt. Tausende von Rossini-Fans pilgern Sommer für Sommer in den eleganten Badeort mit seinen edlen Villen und suchen in schattigen Alleen Zuflucht vor der unbarmherzigen Sommerhitze, und auch Meer und Strand bieten dieses Jahr keine Erlösung – eine beispiellose Algenplage hat zur Folge, dass die Tausenden von Sonnenschirmen an Strand von Pesaro verwaist sind und kaum ein Feriengast in die graubraunen Fluten zu tauchen wagt.

Gioachino Rossini, L’Equivoco Stravagante („Die verrückte Verwechslung“)
Libretto: Gaetano Gasbarri

Dirigent: Michele Spotti

Coro del Teatro della Fortuna, Chorleiterin: Mirca Rosciani
Filarmonica Gioachino Rossini

Regie: Moshe Leiser und Patrice Caurier

Teatro Rossini, Rossini Opera Festival Pesaro, 12. August 2024

von Dr. Charles E. Ritterband

Umso mehr heiße Begeisterung (kontrastierend mit wohltuender Air-Condition-Kühle) herrscht hingegen an den diversen Aufführungsorten des Rossini-Festivals für Opern und Konzerte: Die Qualität von Gesang und Orchester, aber auch der szenischen Umsetzung von Rossinis teils weniger bekannten Werken besitzt einsame Weltklasse und reißt das (offensichtlich fachkundige) Publikum zu Jubelstürmen hin.
„L’Equivoco Stravagante“ – schon der Aufführungsort dieses humoristischen Kleinods des Meisters Rossini verdient besondere Aufmerksamkeit: Das 1818 erbaute Teatro Rossini, dieses Juwel, erstrahlt seit Oktober letzten Jahres in neuem Glanz und steht dem Rossini-Festival Pesaro endlich wieder für Opernaufführungen zur Verfügung. „L’Equivoco“ brilliert in diesem historischen Rahmen – ungleich mehr als in der großen Arena am Stadtrand, wo die Humoreske Rossinis vor wenigen Jahren gezeigt wurde.

Composer_Rossini_G_1865_by_Carjat

Man lacht Tränen bei dieser Opera buffa Rossinis, die im Oktober 1811 im Teatro del Corso in Bologna uraufgeführt wurde – und bewundert gleichermaßen die perfekte Komik der Darsteller, deren überwältigende Belcanto-Höhenflüge und das Temperament des Orchesters, das die entzückende Musik des jungen Rossini unter der Stabführung von Michele Spotti hervorragend interpretiert.

Geradezu genial jedoch ist die Leistung der Regisseure Moshe Leiser und Patrice Caurier, aus diesem Stück eines eher mittelmäßigen Librettisten (Gaetano Gasbarri) mit einer skurrilen Handlung und absurdem Text einen ziemlich unerreichten Höhepunkt der Bühnenkomik zu machen. Die Lust am komischen Spiel und die Präzision der Pointen bis ins letzte Detail erfasst – ein untrügerisches Zeichen für exzellente Regiearbeit – sämtliche Mitglieder des ausgezeichneten, mit Pappnasen und überdimensionierten Schnurrbärten grotesk Chors (Coro del Teatro della Fortuna, Chorleiterin: Mirca Rosciani)

Sperimentale Farsa Rossini-Opera-Festival

Die Uraufführung in Bologna des Jahres 1811 war vom Publikum zwar wohlwollend aufgenommen, doch die Zensur war da anderer Meinung: Sie kritisierte die erotischen Zweideutigkeiten, den Spott auf die neureiche Oberschicht mit ihrer umwerfend komischen Bildungstümelei und die Verspottung des Militärs, vor allem aber die Veralberung der Kastraten – deren damals implementiertes behördliches Verbot für Rossini ein professionelles Problem darstellte, das er in dieser musikalischen Komödie durch den Kakao zog.

Die Hauptdarstellerin, die russische Mezzosopranistin Maria Barakova, ist mit ihren perfekten Koloraturen und ihrem überragenden komischen Talent die zweifellos beste Besetzung für die Rolle der bildungshungrigen, naiven und doch klugen Ernestina (die in einer misslungenen Verleumdungsaktion des verschmähten Heiratskandidaten, des reichen aber blöden Buralicchio nicht nur als Kastrat namens Ernesto, sondern gleich auch noch als Deserteur ausgegeben wird).

Foto privat

Nicht minder von überragender Komik ist die Figur des Vaters, des neureichen und geistig ziemlich beschränkten Bauern, Gamberotto, gegeben vom großartigen italienischen Bariton Nicola Alaimo, der in seiner Stimmlage außergewöhnlich virtuose, kraftvolle Belcanto-Partien zum Besten gibt und dafür, ebenso wie Barakova, vom Publikum umjubelt wird.

Die beiden Heiratskandidaten, der prätentiöse und am Ende unterlegene Buralicchio (Carles Pachon) sowie anderseits der gebildete und bis über beide Ohren verliebte Hauslehrer Ermanno (Pietro Adaini), der bei Ernestina am Ende selbstverständlich den Sieg davonträgt, singen ihre Belcanto-Partien gleichermaßen mit stimmlichem Wohlklang und technischer Präzision.

Dr. Charles E.  Ritterband, 12. August 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Besetzung:

Ernestina: Maria Barakova
Gamberotto: Nicola Alaimo
Buralicchio: Carles Pachon
Ermanno: Pietro Adaini
Rosalia: Patricia Calvache
Frontino: Matteo Macchioni

Rossini Opera Festival 2023 Pesaro, 17. Juli – 23. August 2023

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