Konzerthaus Wien, Großer Saal, 27. Januar 2022
Gustav Mahler:
Symphonie Nr. 2 in c-moll für Sopran, Alt/Mezzosopran, Chor und Orchester
„Auferstehungs-Symphonie“
Christina Landshamer, Sopran
Anna Lucia Richter, Mezzosopran
Wiener Singakademie
Bamberger Symphoniker – Bayerische Staatsphilharmonie
Dirigent: Jakub Hrůša
von Herbert Hiess
In der lausigen und lästigen Corona-Hochphase, wo viele Orchester aktuell reihenweise Absagen verkünden (so auch die Wiener Philharmoniker bei einer Kurztournee), schaffte es das Wiener Konzerthaus, ein Riesenensemble (Chor und Orchester) für dieses monumentale Werk aufs Podium zu bringen. Und es hat sich allemal ausgezahlt.
Mit den Bamberger Symphonikern als großartiges Orchester hat man ein Ensemble mit einer bewegten Gründungsgeschichte am Podium, das nicht umsonst einen „böhmischen Klang“ hat. 1946 wurde das Spitzenorchester größtenteils von Flüchtlingen aus dem Osten, vor allem jenen aus der Deutschen Philharmonie Prag, gegründet. Diese brutale Vertreibung, die so gern mit dem Wort „Kriegswirren“ höflich umschrieben wird, ist ja eigentlich bis heute nie restlos aufgearbeitet worden.
Aber zumindestens hatte damit Deutschland das Glück, ein Spitzenensemble mit Weltklasseniveau zu bekommen. In diesem Konzert hat man tatsächlich den so oft beschworenen „böhmischen Klang“ vernommen; großartige Holz- und Blechbläser, ein exzellentes Schlagwerk und auch präzise und schön klingende Streicher.
Und der böhmische Kreis schließt sich mit dem derzeitigen Chef Jakub Hrůša. In der derzeitigen niveaumäßig recht dünn besiedelten Dirigentenszene sticht der mährische Maestro (aus Brünn) sehr stark hervor. Er hat nicht nur eine blitzsaubere Schlagtechnik, sondern auch ein hochmusikalisches Empfinden.
Schon im ersten Satz, den Mahler übrigens auch als einzelnes Konzertstück („Totenfeier“) vorgesehen hat, ließ er die ganze Dramatik und das Wechselspiel zwischen leisestem Pianissimo und starkem Fortissimo hören. Auch der zweite und dritte Satz waren sehr beeindruckend. Vor allem die landlerischen Ansätze des Andantes kamen gut heraus. Dass im dritten Satz einmal in der kammermusikalischen Passage Holzbläser und Streicher etwas auseinander waren, kann ruhig einmal passieren.
Der vierte Satz als „Urlicht“ war grandios von Anna Lucia Richter gesungen. Mit ihrem fundierten Mezzo brachte sie Mahlers Gefühlswelt herzerweichend zum Klingen. Wortdeutlich und hochmusikalisch stellte sie sich schon fast auf eine Stufe mit Christa Ludwig und Jessye Norman. Und der Maestro begleitete nicht nur, sondern schuf klanglich eine eigene Welt.
Und der einzigartige Finalsatz war ein Erlebnis für sich. Hrůša steuerte das orchestrale Schiff durch alle möglichen Klippen. Besonders die Fernmusiken sind eine Herausforderung für sich. Und spätestens beim Einsatz des Chores, der die berührenden Worte des deutschen Dichters Friedrich Gottlieb Klopstock singt, bleibt kein Auge mehr trocken. Und die Wiener Singakademie, die von Heinz Ferlesch perfekt einstudiert wurde, machte aus diesem rauschenden Schluss ein Fest.
Das Konzert war ein Glücksfall für alle Beteiligten: Die Musiker konnten wieder auftreten, das Publikum konnte ein mehr als hervorragendes Konzert genießen und letztlich konnte man feststellen, dass Jakub Hrůša tatsächlich Weltklasseniveau hat. Es ist vielleicht nur eine Frage der Zeit, dass er zu einem internationalen Weltklasseensemble berufen wird. Zumal ja die Auswahl an tatsächlichen Spitzendirigenten mehr als überschaubar ist.
Herbert Hiess, 27. Januar 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Wiener Philharmoniker, Jakub Hrůša, Wiener Musikverein, 13. Juni 2021
Jakub Hrůša, Sol Gabetta, Tschechische Philharmonie, Kölner Philharmonie, 4. März 2020
Sommereggers Klassikwelt 95: Gustav Mahler, das lange verkannte Genie