Meisters Mahler schallt durch Stuttgart

Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 8 Es-Dur  Staatsoper Stuttgart, 14. Juli 2025

Cornelius Meister 2018 © Marco Borggreve

Mit einer fulminant gefeierten Mahler 8 geht die Stuttgarter Konzertsaison zu Ende. In den himmlischen Höhen des Mahler-Universums schwebten vor allem die acht Solisten, am Ende ließ Cornelius Meister auch das Orchester zu Höchstform aufsteigen und brachte das Publikum in rauschhafte Jubelstimmung!   

7. Sinfoniekonzert
Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 8 Es-Dur

Staatsorchester Stuttgart
Cornelius Meister, Dirigent

Staatsopernchor Stuttgart & Kinderchor der Staatsorchester Stuttgart

Ricarda Merbeth, Simone Schneider & Natasha Te Rupe Wilson, Sopran
Tanja Ariane Baumgartner & Maria Theresa Ullrich, Alt

Benjamin Bruns, Tenor
Johannes Kammler, Bariton
David Steffens, Bass

Staatsoper Stuttgart
Liederhalle, Beethovensaal
, Stuttgart, 14. Juli 2025

von Johannes Karl Fischer

Erst letztes Jahr schloss die Sächsische Staatskapelle die Ära Thielemann mit Mahlers monumentaler Achter Sinfonie. Ganz so weit ist es in Stuttgart noch nicht, eine Spielzeit bleibt Cornelius Meister noch. Trotzdem feierte das Publikum ihren Chefdirigenten mit stehenden Ovationen und fünfzehnminütigem Applaus. Bravo-Rufe schallten schon vor Beginn des ersten Akkords durch die restlos ausverkauften Ränge. Das mit den Eröffnungsbravos kann man so oder so sehen. Kennt man ausgerechnet vom Thielemann-Fanclub. Aber das Mahler-Universum scheint sich als Saisonabschlusswerk zu etablieren. Gut so!

An der Spitze dieses äußerst gelungenen Mahlerabends standen die acht allesamt exzellenten Solo-Stimmen. Ricarda Merbeth als Magna Peccatrix stemmte ihrer Partie souverän und selbstsicher durch die Partitur, ihre gewohnt leicht scharfe Stimme erledigte die Melodien mit deutlichen Zügen von Brünnhildes musikalischem Speer. Man spürte Mahler Vorliebe für seinen Lieblingskomponisten Wagner.

Demgegenüber strahlte auch Simone Schneiders weicher, warmer Sopran als zweite Sopranstimme (Una Poenitentium) im wunderbaren harmonischen Einklang mit den wortwörtlich Hunderten von Musikern auf der Bühne. Nicht zuletzt Tanja Arian Baumgartners Mulier Samaritana füllte das Musikuniversum mit der musikalischen Liebe ihrer leuchtenden Gesangssonne und festigte ihren Platz in der Spitzenklasse der Mahler-Wagner-Mezzos.

Die musikalische Krone ging allerdings an den Tenor Benjamin Bruns (Doctor Marianus). Seine Melodien schwebten mühelos doch kraftvoll auch über die lautesten Orchesterstellen hinweg und segelten durch den Saal wie ein furchtlos auf der Lauer liegender Siegfried. Seine glasklare Textverständlichkeit ließ Goethes Dichtung im musikalischen wie poetischen Glanz strahlen, nach seinem gelungenem Parsifal-Debüt rast dieser Tenor schnurgeradeaus an die Spitze der Mahler-Strauss-Wagner-Tenöre!

Johannes Kammler sang den Pater ecstaticus mit routiniertem, melodiösem Bariton und David Steffens erledigte den Pater profundus mit schlagkräftiger, klar verständlicher Bass-Stimme. Auch Natasha Te Rupe Wilson (Mater gloriosa) ließ die wenigen Worte ihrer Mini-Partie liebevoll aus den hohen himmlischen Sphären in die Ohren des Publikums segeln.

Fast noch fordernder als die Gesangspartien sind in dieser Sinfonie die Orchesterstimmen. Unter der Leitung von Generalmusikdirektor Cornelius Meister stürzten sich die Musiker des Staatsorchesters Stuttgart mit Inbrunst und Leidenschaft in Mahlers Komposition. Alle Solisten meisterten ihre Partien und vereinten sich zu einem magievollen Mahler-Klang. Insbesondere der fast schon überwältigende Schluss ließ den Mahler-Geist wie von Gott getragen durch die Liederhalle resonieren. Viel Applaus war die verdiente Folge!

Mahler 8 (Foto privat)

Nicht so gelungen war hingegen der erste Satz, das Veni, creator spiritus. Vor etwa einem Jahr berichtete ich über eine Hamburger Aufführung dieser Sinfonie, „alles andere als nur laut“. Diese Einschätzung scheint Herr Meister nicht zu teilen. Zwar stürzte er seine Musiker eifrig und engagiert in den lateinischen Hymnus, ließ aber einen eher undifferenziert lauten Klang zu. An vielen Stellen war der – ebenfalls exzellente und mit Leidenschaft singende – Chor kaum zu hören. Das Dauerfortissimo setzte sich leider in der Einleitung zur Faust-Szene fort, die mysteriöse Bergschluchtsstimmung wollte nicht zum Tragen kommen.

Mahler 8 (Foto privat)

Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Mahler 8 ist eben beispiellos klangvoll, kräftig, und bewegend. Der Schlusssatz ließ die himmlische Kraft des Mahler-Universums in die Seele eindringen. Aber, wie bei Wagner, Strauss und Respighi: Jedes Fortissimo, selbst in Takt 354 der siebten Hornstimme sollte einen Sinn haben. Lautstärke allein reicht bei Mahler eben nicht.

Man kann von Herrn Meister halten, was man will. Dem Mahler-Universum konnte er sich nicht in den Weg stellen und ließ das Publikum in den Fluten dieses sinfonischen Gesamtkunstwerks versinken.

Und dann wäre da noch die Publikumsstimmung. Neulich in Hamburg war das dortige Haus bei der Verabschiedung des Intendanten (!) nicht einmal ausverkauft, Bravos gab es beim dortigen Festakt etwa so viele wie hier in Stuttgart für die dritte Trompete. Es ist einfach ein ganz anderes Gefühl, vor einem völlig aus dem Häuschen applaudierendem Publikum zu spielen als mäßigen Beifall für eine künstlerisch exzellente Leistung zu kassieren!

Johannes Karl Fischer, 15. Juli 2025 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Gustav Mahler, Symphonie Nr. 8 / Bremer Jubiläumsaufführung Bremer Konzerthaus  Die Glocke, 23. Juni 2025

Gustav Mahler, Symphonie Nr. 8 in Es-Dur Wiener Konzerthaus, 7. November 2024 

Gustav Mahler, 8. Symphonie, Christian Thielemann, Dirigent, Sächsische Staatskapelle Dresden Semperoper Dresden, 9. Juli 2024

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