Exotisches in der Barockmusik

Händel-Haus Halle, Exotisches in der Barockmusik, 26. September 2018

Foto: Händel-Haus Halle (c) Thomas Ziegler
Händel-Haus Halle, Exotisches in der Barockmusik, 26. September 2018

Thomas Ernert, Oboe
Birgit Schnurpfeil, Violine
Henriette Auracher,Violine
Oliver Tepe, Viola
Johannes Hartmann, Violoncello
Cornelia Osterwald, Cembalo
Ivo Nitschke, Percussion
Christiane Barth, Moderation

Von Guido Müller

Mitglieder des Händelfestspielorchesters Halle gestalteten mit Verve und großem Temperament auf historischen Instrumenten das erste Konzert der Reihe „Händels Schätze: Musik im Dialog“ in der Saison 2018/19 zum Thema exotische Elemente in der Barockmusik. Da in der Gesprächskonzert-Reihe immer ein Exponat aus der Ausstellung im Händel-Museum im Mittelpunkt steht, war es dieses Mal ein Schellenbaum aus der Zeit um 1830. Dieses Instrument wird gängig mit der kriegerischen Janitscharenmusik der Osmanenzeit in Verbindung gebracht und so brachte das Konzert auch zahlreiche Belege für „türkische Musik“,  Orientalismus und Kriegsmusik von Scheidt und Lully bis Händel und Mozart.

Diese Reihe unter Leitung der Musikwissenschaftlerin und Museumsleiterin Christiane Barth von der Stiftung Händel-Haus ist im allerbesten Sinne der Aufklärung der Händelzeit erhellende Bildung. Denn die Forschungen am Händel-Haus ergaben keine Nachweise für die Verwendung solcher Rasselinstrumente der Schellenbäume in der Musik des Osmanischen Reichs vor dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts.

Das Instrument scheint eine Erfindung der Zeit der Französischen Revolution zu sein und bei der Restrukturierung der Armee des Osmanischen Reichs um 1829 aus Frankreich dorthin gekommen zu sein. Eine Verbindung besteht allerdings zu den Janitscharenzügen der Hammerklaviere der Mozartzeit, den Rasseln, die in seinem  berühmten Allegretto „Alla Turca“ aus der Klaviersonate A-Dur KV 331 Verwendung finden.

Da zudem das Instrument aus dem Museum keine klingenden Rasseln mehr hat, spielte der Schlagzeuger Ivo Nitschke der Staatskapelle Halle kunstvoll und kreativ an dessen Stelle mit diversen Schlaginstrumenten und Rasseln. Kenntnisreich erläuterte er zudem die Möglichkeiten und vor allem seine  rhythmischen und dynamischen Grenzen im Zusammenspiel mit den streichenden und blasenden Kollegen in der Musik des Barock.

(c) Susanne Ziese Händel-Haus Halle

Zu Beginn des Konzerts wurde nicht nur türkisches Konfekt gereicht sondern zogen die Musiker auch stilgerecht kostümiert mit einem Hücum Marsi ein – gespielt auf der ägyptischen Kegeloboe und Trommel. Darauf spielten sie lebhaft und farbenreich Jean-Philippe Rameaus (1683 – 1764) Suite aus der Ballettoper „Les Indes Galantes“. Hier klingt noch in der kriegerischen Musik die Gefahr der Türken und ihrer Eroberungszüge nach. Dieses Thema des Krieges prägt auch die Suite Samuel Scheidts (1587 – 1654) aus den „Ludi musici“ von 1621, wenn er auch nicht direkt auf Türken eingeht, sondern eher den Dreißigjährigen Krieg als Hintergrund hat.

Dies tut ganz explizit der Komponist am Hofe Ludwigs XIV. Jean-Baptiste Lully (1632 – 1687) in seiner Musik zu „Le bourgeois Gentilhomme“, in der er sich nach den Erlebnissen mit einem türkischen Gesandten des Sultans über diesen lustig macht. Georg Friedrich Händel (1685 – 1759) hingegen umgeht in seinen Opern den Bezug auf exotisch gefärbte Musik, wie sie bei den Franzosen und auch bei dem stark französisch geprägten Georg Philipp Telemann (1681 – 1767) so beliebt war. Telemanns von den Musikern lebendig pointiert musizierte Ouvertüre „Les nations“ in B-Dur macht dies deutlich.

In der Kombination von Händels Marsch und Battaglia-Musik aus seiner frühen Oper „Rinaldo“, einer seiner vielen auf exotischen orientalischen Schauplätzen spielenden Opern, mit Heinrich Schmelzers (1623 – 1680) Sonata quarta aus Sonatae unarum Fidium stellt Birgit Schnurpfeil auf der Violine gemeinsam mit Cornelia Osterwald am Cembalo in der Violinsonate Schmelzers zwischen den Händelstücken mit höchster Spielkunst den Kontrast von Krieg und Frieden, von Gewalt und musikalischer Heiterkeit dar.

Voller Spielwitz und Temperament gab es schließlich von allen Instrumentalisten zum Schluss gemeinsam den als Türkischen Marsch bekannten Satz aus der Klaviersonate. Nicht ohne zwei Wiederholungen von Stücken des Konzerts ließ das begeisterte Publikum die Musiker wieder ausziehen.

Guido Müller, 29. September 2018
für klassik-begeistert.de

 

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