Tomasz Konieczny © Kinga Karpati & Daniel Zarewicz
Jolanta Łada-Zielke im Gespräch mit dem Bassbariton Tomasz Konieczny – über das von ihm gegründete und künstlerisch geleitete Baltic Opera Festival in Danzig und Sopot, dessen nächste, dritte Ausgabe vom 10. bis 17. Juli 2025 stattfinden wird.
klassik begeistert: Wie würdest Du die ersten beiden Ausgaben des Baltic Opera Festival zusammenfassen?
Tomasz Konieczny: Das Baltic Opera Festival ist mein „Baby“, das in der schwierigen Zeit der Pandemie geboren wurde, als viele meiner Kollegen Freiberufler über Nacht ihre Einnahmequelle verloren.
Dann erinnerte ich mich an die wunderbare Open-Air-Anlage der Waldoper in Sopot, wo diese Sanktionen milder ausfallen würden als in geschlossenen Theatern und Konzertsälen. Ich habe dieses Projekt in erster Linie gestartet, um arbeitslosen Künstlern zu helfen. Bei der ersten Ausgabe stellte sich heraus, dass ein solches internationale Opernfestival nötig war und die Menschen großes Interesse daran haben.
Es kamen 8.000 Zuschauer im Jahre 2023, in 2024 waren es 12.000, also 4.000 mehr. In den letzten zwei Jahren haben wir vor 20.000 Menschen Opernaufführungen in der Waldoper und der Opera Bałtycka gezeigt. Unter normalen polnischen Bedingungen wären dies mindestens zwanzig Vorstellungen, da die größte polnische Bühne, das Teatr Wielki Opera Narodowa, während einer Aufführung etwa 1.200 Personen Platz bietet.
Wir fördern dieses Genre mit Egalitarismus und der Inklusivität, die derzeit sehr beliebt sind. Die Menschen, die oft direkt vom Strand, in die Oper zum ersten Mal kommen und vor Begeisterung den Mund aufmachen, führen wir an die elitäre Hochkultur heran. Die Waldoper hat etwas äußerst Authentisches, und dabei geht es nicht nur um die Waldkulisse, sondern vor allem um die besondere, äußerst großartige Naturakustik.
Diese wunderbare Einrichtung verdient es, nicht nur Popmusikfestivals, regionale Veranstaltungen und Kabaretts zu präsentieren, sondern auch das Genre, für das, wie der Name schon sagt, die Waldoper im Jahr 1909 gegründet wurde. Die Anlage verfügt über einen ungewöhnlichen Orchestergraben aus der Vorkriegszeit, der selbst ein Musikinstrument ist. Für dieses Objekt interessieren sich große Dirigenten, die seine Geschichte gut kennen, wie etwa Marek Janowski, der das erste Baltic Opera Festival im Sommer 2023 mit dem Fliegenden Holländer eröffnete, sowie Lothar Zagrosek, Ingo Metzmacher und Christian Thielemann.
klassik begeistert: War das zweite Festival einfacher zu organisieren?
Tomasz Konieczny: Im zweiten Jahr hatten wir aufgrund der lange in Polen erwarteten politischen Veränderungen, die im Herbst 2023 voll eintraten, überraschenderweise mit enormen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Leitung des Ministeriums für Kultur, Kunst und Nationales Erbe wechselte dreimal. Mit der aktuellen Kulturministerin, Frau Hanna Wróblewska, trafen wir uns erst am 15. Dezember. Wir erhielten die seit Monaten erwartete Zusage für die mehrjährige Finanzierung der Veranstaltung.
Zuvor hatten wir das Unternehmen Orlen als Mäzen des Baltic Opera Festival für die nächsten drei Jahre gewonnen. Wir genießen auch die ständige finanzielle Unterstützung des Marschalls der Woiwodschaft Pommern, Herrn Mieczysław Struk. Wir haben ein sehr einzigartiges Ehrenkomitee des Festivals zusammengestellt – die Schirmherren des BOF waren und werden wichtige Persönlichkeiten aus Politik und Diplomatie sein. Im ersten Jahr waren dies die Präsidenten Polens und Deutschlands, jetzt der Präsident des polnischen Parlaments, Herr Szymon Hołownia, sowie die langjährige Präsidentin des Bundestages außer Dienst, Prof. Rita Süssmuth, und der legendäre Führer der Solidarność, Lech Wałęsa.
Wir haben die Latte bei unseren Besetzungen sehr hochgelegt, was bereits in den Produktionen wie Der fliegende Holländer und Turandot sicht- und hörbar war. Ich verrate vorerst noch nicht, welche Titel wir nächstes Jahr präsentieren werden, aber ich versichere, dass sie „stark“ sind und wir es geschafft haben, großartige Künstler dafür zu gewinnen.
Ich versuche positiv in die Zukunft zu blicken, auch wenn die künstlerische Leitung des Festivals extrem stressig sein kann. Es erfordert viel Engagement und Zeit, die ich eigentlich nicht habe, weil mein Terminkalender für die nächsten fünf Jahre voll ist.
klassik begeistert: Was ist für Dich als künstlerischer Leiter die größte Schwierigkeit?
Tomasz Konieczny: Man versucht mir das „polnische“ Arbeitsmodell aufzuzwingen, bei dem man Künstler nur wenige Monate im Voraus engagiert und die Verträge manchmal sogar am Tag der Aufführung unterzeichnet werden. Eine internationale Veranstaltung kann man kurzfristig nicht planen. Solange die Verantwortlichen für die Kultur in Polen nicht verstehen, dass wir Künstler mehrere Jahre im Voraus engagieren müssen, sind wir gezwungen zu improvisieren, was sehr frustrierend ist.
Angesichts der aktuellen geopolitischen Situation ist die Zusammenarbeit zwischen den Ländern der Ostseeregion, natürlich mit Ausnahme Russlands, für Polen von großer Bedeutung. Und unsere Veranstaltung trägt den Namen Baltic Opera Festival.
Im Jahr 2026 planen wir, eine größere Produktion aus Kopenhagen zu holen. Bereits jetzt treten bei uns Künstler aus Ostseeländern auf, und wir planen auch eine Zusammenarbeit mit verschiedenen Festivals und Theatern in Skandinavien. Wir sind in der Lage, sehr hohe Qualität zu präsentieren, man darf aber nicht uns und die Künstler durch langes Zögern bei institutionellen Entscheidungen auf die Probe stellen. Aufgrund des Wartens und der damit verbundenen Unfähigkeit, Verträge abzuschließen, haben wir bereits viele großartige Künstler, oft große Stars, verloren.
Es ist offensichtlich, dass die Inszenierung einer Oper viel Geld kostet, wir bieten jedoch dem Publikum ein egalitäres Produkt von sehr hoher Qualität. Genau so sind wir – einerseits elitär, andererseits egalitär, also zugänglich.
Die Eintrittspreise für unsere Vorstellungen sind selbst in Złoty nicht so hoch wie die in Euro beim Bayreuther oder Salzburger Festspiele. Dabei kann jede einzelne unserer Aufführungen bis zu 5000 Zuschauer anziehen. Solche Veranstaltungen gibt es weltweit nicht viele, und in unserer Region Europas fehlen sie völlig.
klassik begeistert: Wie oft trittst Du in Oratorien und in symphonischer Musik auf?
Tomasz Konieczny: Ich singe viel in Oratorien, aber es handelt sich meistens um romantische und spätromantische Musik. Wenn es ein Requiem ist, dann eher das von Verdi als das von Mozart, obwohl ich letzteres auch oft aufgeführt habe. Ein deutsches Requiem von Brahms habe ich noch nicht gesungen, obwohl ich es sehr gerne tun würde. Ich habe jedoch an Aufführungen aller Oratorien von Krzysztof Penderecki, Feliks Nowowiejski und zuletzt Dvořák in Dresden und Prag teilgenommen. Eines der von mir am häufigsten aufgeführten Werke ist Beethovens Neunte. Elias von Mendelssohn hat auch eine ideale Basspartie für mich. Im Messias von Händel werde ich nächstes Jahr im August zum zweiten Mal auftreten. Das erste Mal sang ich darin als junger Mann und zwar nach der alten Aufführungstradition, nämlich nicht nur die Solopartien, sondern auch als einer der Chorsänger im Bass.
Es war eine sehr interessante Erfahrung für mich, und ich habe damals viel gelernt. Im Frühjahr werde ich in Mahlers 8. Symphonie auftreten. Früher sang ich darin die Basspartie, jetzt werde ich mich an die Baritonpartie wagen. Meine außeroperativen Aktivitäten konzentrieren sich jedoch auf Kammermusik, hauptsächlich Lieder, die ich sehr mag.
klassik begeistert: Wie viele Alben mit Liedern hast Du bisher aufgenommen?
Tomasz Konieczny: Ich habe bereits acht Alben mit sehr vielfältigem Repertoire aufgenommen – von romantisch bis zeitgenössisch. Kürzlich haben wir mit Lech Napierała die gesamte Anthologie von Zygmunt Mycielski aufgenommen, auf die ich sehr stolz bin, sowie zwei Alben mit Werken von Aleksander Nowak, bei dem ich selbst einen Liederzyklus in Auftrag gegeben habe.
Ich habe Kindertotenlieder von Gustav Mahler und Lieder von Strauss im Repertoire. Ich mag besonders die Romanzen von Rachmaninow und die bereits erwähnten Lieder und Tänze des Todes von Mussorgsky. Kürzlich haben wir auch ein Album mit Liedern von Moniuszko aus dem Repertoire von Bernard Ładysz für Warner Classics aufgenommen. Vor Jahren erhielt ich vom Direktor des Chopin-Instituts, dem unvergleichlichen Stanisław Leszczyński, ein interessantes Angebot, Schuberts Winterreise auf Polnisch in der Version von dem polnischen Dichter Stanisław Barańczak aufzunehmen. Ein Jahr später haben wir auch die Originalversion dieses riesigen Liederzyklus aufgenommen. Beide Versionen wurden unter dem Titel Winterreise X 2 veröffentlicht. In diesen zwei verschiedenen Sprachversionen interpretieren wir das Werk von Schubert mit dem Pianisten völlig unterschiedlich.
Ein anderes Album enthält eine Anthologie der Werke von Romuald Twardowski, einem in Polen etwas vergessenen Komponisten, der letztes Jahr verstorben ist. Twardowski war einer der wenigen polnischen Künstler, ähnlich wie Richard Wagner und Richard Strauss, der gerne für die Bassbariton-Stimme, wie die meine, schrieb. Bei Verdi gibt es keine so offensichtliche Hinwendung zu dieser Art der Stimme; dort muss man entweder als Bass oder als Bariton singen. Aber sowohl Verdi als auch Puccini werden in meinem zukünftigen Auftrittskalender nicht fehlen.
klassik begeistert: Vielen Dank für dieses informative Gespräch und viel Erfolg weiterhin!
Jolanta Łada-Zielke, 29. Dezember 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Interview: kb im Gespräch mit Tomasz Konieczny klassik-begeistert.de, 25. Dezember 2024
Interview: kb im Gespräch mit Tomasz Konieczny – Teil II klassik-begeistert.de, 27. Dezember 2024
Liederabend TOMASZ KONIECZNY, Wiener Staatsoper, 11. Juni 2020