Wohlfühlabend mit ganz viel Glanz in den Stimmen

Jacques Offenbach, Les Contes d’Hoffmann, Bayerische Staatsoper, München, 15. Oktober 2019

Fotos: © Wilfried Hösl
Bayerische Staatsoper, München, 15. Oktober 2019
Jacques Offenbach, Les Contes d’Hoffmann
Opéra fantastique in fünf Akten

Libretto von Jules Barbier nach dem Schauspiel von Jules Barbier und Michel Carré, herausgegeben von Michael Kaye und Jean-Christophe Keck
In französischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Ganz vorneweg: Oper darf auch einfach mal „nur“ Spaß machen. Es hat was, sich elegant und störungsfrei von einem Arienhöhepunkt zum nächsten führen zu lassen, ohne die ganze Zeit über einen tieferen Sinn von Bühne und Ausstattung sinnieren zu müssen. Hoffmanns Erzählungen in München machen einfach Freude, denn man kann sich ganz dem Hörgenuss hingeben.

Es geht um Frauen, genauer um drei Liebesgeschichten von E.T.A. Hoffmann, pro Akt wird eine der Gespielinnen vorgestellt. Vor- und Nachspiel geben die Rahmenhandlung: Hoffmann (Tenor Michael Spyres), ziemlich angetrunken, wird von den Studenten zum Erzählen animiert. Einen bösen, durchaus dämonisch angelegten Gegenspieler gibt es auch. Lindorf (Bass Alex Esposito), der in jedem Akt in unterschiedlichen, aber immer bösen Rollen wieder auftaucht. Aber keine Sorge: bei der Münchner Inszenierung darf mehr gelacht als sich gefürchtet werden.

© Wilfried Hösl

Die ersten Lacher gehören gleich der ersten Dame im Reigen, einer Dame, die eigentlich gar keine ist. Olympia ist eine mechanische Puppe. So perfekt und schön, wie Mann es sich nur wünschen kann. Die Armenierin Nina Minasyan ist die Idealbesetzung, sie läßt ihre Olympia „Les oiseaux dans la charmille“ eiskalt, technisch perfekt, fast künstlich, koloraturblitzend singen, als wäre es ein abrufbares Programm. Dabei platzt Minasyan vor Spielfreude und verpasst Olympia eine kräftiges (menschliches) Augenzwinkern.

Antonia – 3. Akt, 2. Frau. Das einfache, aber sehr effektvolle Bühnenbild, das sich von der Kneipe im Vorspiel zur Werkstatt des etwas verrückten Olympia-Bastlers gewandelt hat, steht nun für ein bürgerliches Elternhaus, Piano inklusive. Antonia ist Künstlerin, Sängerin genauer gesagt, und – da wir in der Oper sind – schwindsüchtig.  Ihr Vater verbietet ihr das Singen, da es sie zur sehr schwäche. Natürlich singt sie zusammen mit ihrem Hoffmann ein Liebesduett – und stirbt. Die südafrikanische Sopranistin Sarah-Jane Brandon steigert sich mit seidig weicher, cremiger Stimme in die höchsten Höhen. Ihr nimmt man die Gefühlstiefe dabei jederzeit ab: Charismatisch und elegant geht sie schauspielerisch ganz in der Rolle der empfindsamen, zerbrechlichen Antonia auf.

© Wilfried Hösl

Der dritte Akt gehört der Kurtisane Giulietta. Die Zuschauer freuen sich auf die Barcarole, die zu Aktbeginn ein bisschen beiläufig erklingt. Die rumänisch-britische Sopranistin Simona Mihai gibt eine spitze, etwas zickige Giulietta. Das Diamantarmband, das ihr zur Belohnung für die Verführung Hoffmanns winkt, hört man in ihrer Stimme kalt klirren. Trotzdem ist in ihrem Spiel auch Sehnsucht zu spüren nach Nähe.

Nachspiel. Wieder in der Kneipe. Die Erzählung ist zu Ende. Stella erscheint, die sternengleiche Sängerin, die Hoffmann aktuell anhimmelt und es wird klar, dass die Porträts der drei Gespielinnen zusammengenommen Stella sind. Oft werden an den Bühnen die Partien der Damen von einer einzigen Sopranistin bewältigt. So zum Beipiel auch mit Diana Damrau als die Münchner Inszenierung noch taufrisch war. Sie stammt aus dem Jahr 2011.

Die meistumjubelte Sängerin des Abends ist die kanadische Mezzo-
Sopranistin Michèle Losier. Sie spielt Nicklausse und die Muse Hoffmanns. In ihrem Kostüm erscheint sie wie das jüngere Alter-Ego Hoffmanns, sie begleitet ihn mit natürlicher Selbstverständlichkeit und ist dabei schauspielerisch die einzige komplette, ebenbürtige Frau und nicht nur Projektion von Hoffmanns Sehnsüchten. Ihre Stimme spiegelt diese natürliche Leichtigkeit. Ihr Debüt an der Staastoper ist mehr als gelungen.

© Wilfried Hösl

Hoffmann, gesungen von Michael Spyres, ist natürlich der Star des Abends. Seiner Stimme hört man an, dass er aus dem Belcanto kommt.  Er hat einen enormen Stimmumfang, ist in allen Lagen präsent und hat Kraft. Er scheint die dreieinhalbstündige Oper mit Leichtigkeit zu bewältigen.

Sein Gegenpart, der Bass Alex Esposito, wird mit viel Szenenapplaus bedacht. Trotz seines perfekten düsteren Spiels fällt gerade durch ihn das einzige Manko der Inszenierung auf: Die Tiefe, das Dämonische, die dunkle Seite des Künstlerlebens bleiben außen vor. Doch bei so viel Stimmwundern fällt es nicht schwer, das zu verkraften. Man darf ja auch mal nur Freude am Schönen haben.

Barbara Hauter, 17. Oktober 2019, für
klassik-begeistert.de

Olympia: Nina Minasyan
Antonia: Sarah-Jane Brandon
Giulietta: Simona Mihai
Stella: Serena Buchner
Cochenille / Pitichinaccio /Frantz: Kevin Conners
Lindorf / Coppélius / Dapertutto / Miracle: Alex Esposito
Nicklausse / Muse: Michèle Losier
Stimme aus dem Grab: Noa Beinart
Hoffmann: Michael Spyres
Spalanzani: Ulrich Reß
Nathanaël: Manuel Günther
Hermann: Boris Prýgl
Schlémil: Christian Rieger
Wilhelm: George Vîrban
Crespel / Luther: Martin Snell

Bayerisches Staatsorchester
Chor der Bayerischen Staatsoper
Statisterie der Bayerischen Staatsoper

Musikalische Leitung: Constantin Trinks
Inszenierung: Richard Jones
Bühne:Giles Cadle
Kostüme: Buki Shiff
Choreographie: Lucy Burge
Licht: Mimi Jordan Sherin
Chor: Stellario Fagone
Dramaturgie: Rainer Karlitschek
Abendspielleitung: Anna Brunnlechner

 

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