Jacques Offenbach in Grafenegg: Nett und gefällig – mehr nicht

Jaques Offenbach, Aude Extrémo, Thomas Bettinger, Alexandre Duhamel, Les Musiciens du Louvre, Sébastian Rouland,  Grafenegg Festival, 20. Juli 2019

Foto: Wolkenturm Grafenegg, © Studio Iris – Grafenegg Kulturbetriebsges.m.b.H.
Grafenegg Festival, 20. Juli 2019
Jaques Offenbach: Ausschnitte aus „Les Contes d’Hoffmann, La Périchole, Lischen et Fritzchen“ etc.
Aude Extrémo, Mezzosopran
Thomas Bettinger, Tenor
Alexandre Duhamel, Bariton
Les Musiciens du Louvre
Dirigent: Sébastian Rouland

War Georg Friedrich Händel ein Deutscher, der dann England als Lebensmittelpunkt wählte, so wurde Jaques Offenbach als gebürtiger Kölner offenbar ein „besserer“ Franzose, als man es sich vorstellen kann. Er verinnerlichte tatsächlich die französische Lebenslust (savoir vivre) so sehr, dass man diese in seiner Musik richtig spüren konnte.

von Herbert Hiess

Für viele Komponisten wäre die Bezeichnung „Wunschkonzert-Komponist“ eine regelrechte Beleidigung; für den Deutsch-Franzosen Offenbach ist das offenbar das größte Kompliment, das man sich vorstellen kann. Sei es die Barcarole aus „Hoffmanns Erzählungen“, Seine Can-Cans (vor allem aus „Orphée aux Enfers“) – diese Melodien sind so unsterblich, dass sie sogar jene nachsingen können, die nie mit Musik in Berührung kommen.

In Österreichs Spielplänen wurde der 200. Geburtstag von Offenbach weitgehend ignoriert; gut, dass die Grafenegger mit den Musiciens du Louvre geradezu das beste Orchester für diese Werke eingeladen haben. Schade, dass Marc Minkowski hier nicht als Dirigent aufgekreuzt ist.

Sébastian Rouland war ausgezeichnet – aber (leider) nicht mehr als „brav“. Ab und zu waren ein paar Einsätze verwackelt; die pure Lebenslust und –freude strahlte der Abend nicht wirklich aus. Noch dazu war das Orchester nicht immer sehr präzise. Gut vorstellbar, dass Minkowski mehr aus diesem Abend gemacht hätte.

Die Solisten waren durchwegs ausgezeichnet – wenn auch nicht Weltspitze. Frau Extrémo hat einen wunderschönen Mezzo (den sie schon in Salzburg bei den Pfingstfestspielen in Offenbachs „La Périchole“ präsentierte), Thomas Bettinger brilliert als interessanter Tenor und Alexandre Duhamels Bariton könnte mehr Feinschliff vertragen. Der Mezzo ist tatsächlich beeindruckend und höhensicher; die Sängerin hat auch eine profunde Resonanz. Schade ist, dass ihr Timbre stellenweise etwas fahl klingt.

Der Tenor Bettinger ist ein Franzose mit deutschem Namen; überraschenderweise hat er im Internet nur eine spärliche Website und im Web ist auch sonst wenig über ihn zu lesen. Nichtsdestotrotz war er an diesem Abend die beeindruckendste Erscheinung.  Sein Tenor besitzt ein wunderschönes Timbre und er ist auch höhensicher. So legte er am Schluss des Lieds vom „Klein-Zack“ einen hohen Ton ein (so wie seinerzeit Alfredo Kraus). Er sollte noch etwas am Registerwechsel und an der Mittellage feilen; dann wäre das Glück vollkommen. Und letztlich brillierte der Bariton Duhamel mit einer sehr sonoren, wenn auch manchmal „ungeschliffenen“ Stimme.

Die Musiciens du Louvre sind ein bekannt exzellentes (oftmals historisch informiert spielendes) Ensemble, die vor allem durch ihren Chef Mark Minkowski sozusagen „Weltruhm“ erlangten. Alexandre Duhamel ist ein durchaus sympathischer und netter Mensch; der Biss und der Zugriff von Minkowski fehlten ihm allemal. Schade, auch hier hätte man mehr machen können.

Alles in allem ein sehr „netter“ und gefälliger Abend, von dem man sich eigentlich mehr erwartet hätte. Trotzdem schade, dass es nicht mehr wurde – ein Jaques Offenbach wird nur einmal 200!

Herbert Hiess, 22. Juli 2019, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Konzert am 20. Juli 2019 im Wolkenturm, Grafenegg „Pariser Ausschweifungen“

 

 

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