10 Fragen an die Sopranistin Sara Jakubiak: „Ich hoffe, das Corona-Virus wird ein großer Weckruf für uns alle sein“

Klassik vom Feinsten: Die 25 meistgelesenen Beiträge auf Klassik begeistert (20) 

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20 – Großes Interview mit der US-amerikanischen Sopranistin Sara Jakubiak

von Ingo Luther

„Oper zu singen ist wie ein Sport. Man muss mit Gesangsübungen und Rollen trainieren. Es hilft dabei, wenn man auch ins Fitnessstudio geht!“

Sara Jakubiak ist polnischer und deutscher Abstammung und stammt ursprünglich aus Bay City in Michigan, USA. Während ihrer Karriere als Softballspielerin, die sogar zwei Staatsmeisterschaften in den USA gewann, war noch nicht absehbar, dass sie einmal als Opernsängerin die Bühnen dieser Welt erobern würde. Nach ihrem Gesangsstudium an der Yale University und am Cleveland Institute of Music erhielt sie bereits 2007 den von der Santa Fe Opera verliehenen „Judith Raskin Memorial Award“. Für die ganz große Karriere wagte Sara Jakubiak dann den Schritt über den großen Teich, um dort behutsam und schrittweise an ihrer musikalischen Entwicklung zu feilen.

Nach ihren großen Erfolgen an der Oper Frankfurt zwischen 2014 und 2018 (u.a. als Tatiana in „Eugen Onegin“, Freia in „Das Rheingold“) zählt Sara Jakubiak mittlerweile zur Riege der gefragtesten Sopranstimmen in Europa. Einen glanzvollen Triumph feierte die Amerikanerin im Frühjahr 2018 an der Deutschen Oper Berlin in Christoph Loys Inszenierung von „Das Wunder der Heliane“ von Erich Wolfgang Korngold.  “Frau Jakubiak verfügt über einen herrlich expansionsfähigen, glanzvoll jugendlich dramatischen Sopran, eine luxuriöse, wandelbare, mit unendlichen Farben gesegnete Stimme, wie sie nur alle zwanzig Jahre einmal auftaucht” – so beschrieb der onlinemerker die Interpretation der Heliane durch Sara Jakubiak.

Auch als Eva in „Die Meistersinger von Nürnberg“ von Richard Wagner an der Bayerischen Staatsoper in München unter Kirill Petrenko oder als Marietta/Erscheinung Maries an der Komischen Oper Berlin in einer Inszenierung von Robert Carsen wusste Sara Jakubiak die Kritiker zu überzeugen. Schon jetzt darf man sich auf ihre Doppel-Rolle als Venus und Elisabeth in „Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg“ im Dezember 2020 und ihre Rückkehr als Heliane im Mai 2021, beides an der Deutschen Oper Berlin, freuen. Auch das amerikanische Publikum an der LA Opera in Los Angeles wird sich ab Oktober 2020 vom Können der Sara Jakubiak überzeugen können – dann wird sie an diesem Haus ebenfalls als Elisabeth im „Tannhäuser“ auf der Bühne stehen.

Mit ihrer farbenreichen, ungemein wandelbaren Stimme und ihrer ausdrucksstarken Bühnenpräsenz kann sich das Publikum in den kommenden Jahren noch auf viele musikalische Sternstunden mit der jungen Amerikanerin freuen.

Ingo Luther korrespondierte für klassik-begeistert.de mit Sara Jakubiak, die sich aktuell in New York City aufhält

Fotos: © Sara Jakubiak. All rights reserved.

Klassik-begeistert.de: Was haben Sie vor einem Jahr getan, und wie sieht Ihr Alltag heute aus?

Sara Jakubiak:Das Leben ist voller Überraschungen und wir müssen diese annehmen. Mein aktuelles Leben ist für mich eine Überraschung und ein Traum. Jetzt ist das Leben mit Corona eine große Herausforderung für die Menschen auf der ganzen Welt. Hätte ich all das vor einem Jahr gewusst, würde ich heute vielleicht in einem anderen Job arbeiten, in dem ich meine Kreativität auf andere Art hätte nutzen können. Ich hätte mir auch gut einen Regierungsjob für mich vorstellen können; Amerika braucht heute mehr als je zuvor vernünftige Führungspersönlichkeiten.

Nennen Sie drei Schlagworte, wenn Sie das Wort Corona hören…

Dies ist ein sehr sensibles Thema, aber mal ehrlich: der Strand, Zitronen, Bier und California! – das sind meine Schlagworte, auch wenn ich an Corona erkrankt wäre, ich würde die gleiche Antwort geben. Mein Optimismus bleibt!

Welches sind die einschneidendsten Veränderungen seit Ausbruch der Corona-Pandemie? Können Sie ihr auch etwas Positives abgewinnen?

Zu Hause zu bleiben! Das geht einfach gegen die menschliche Natur.

Positiv ist, dass ich viel mehr Zeit für einige Projekte habe. Ich beschäftige mich viel mit der Rolle der Salome. Außerdem schreibe ich eine kurze Geschichte über meine Großmutter, die letztes Jahr im Alter von 100 Jahren verstorben ist. Und ich stricke eine Decke für das Baby eines Freundes, das im Juli zur Welt kommen wird. Es ist überhaupt eine Zeit, um Freunde zu erreichen und sicherzustellen, dass es ihnen gut geht. Ich denke, wir machen das in unserem täglichen Leben nicht genug.

Sara Jakubiak

Wie steht es um Ihre Einkünfte in diesen aufführungsfreien Zeiten?  Wie ist die Situation nach Aussetzen sämtlicher kultureller Veranstaltungen?

Ich bin dankbar, dass meine Situation auf vorhersehbare Zeit in Ordnung ist. Ich fühle Empathie für Menschen, die nicht so glücklich sind wie ich in diesem Moment. Wir müssen auf unsere Kollegen aufpassen!

Wie gelingt es einem Künstler, ohne Publikum bei Laune zu bleiben?

Die Verbindung zum Publikum ist prima. Mein Leben hat einen Sinn und eine Bedeutung, weil ich ein Publikum in eine andere Welt mitnehmen und es Dinge tief in deren Seele spüren lassen kann. Mit oder ohne Corona, die Realität ist, dass ich viel mehr Zeit mit dem Üben und Studieren verbringe als vor Publikum. Ich lerne gerne und entdecke Neues. Ich bin gut gelaunt, wenn ich zum Bespiel eine neue Farbe für eine Phrase finde oder etwas Neues über meine Resonanz entdecke. Es ist die Reise, die ich liebe, nicht immer das Endprodukt mit dem Publikum. Die Reise dorthin ist oft das Schönste.

Mit welchem musikalischen Werk stimulieren Sie Ihr Immunsystem? Gibt es Musik, die Sie gesund hält oder gesund macht?

Absolut! „Musikalische Arbeit“ ist eine Kombination aus gesundem Geist und Körper. Oper zu singen ist wie ein Sport. Man muss mit Gesangsübungen und Rollen trainieren. Es hilft dabei, wenn man auch ins Fitnessstudio geht! Man muss stark sein, um Marathonrollen zu singen und eine Marathonkarriere zu absolvieren. Normalerweise, wenn ich gut gesungen habe, werden meine Beine am Ende des Abends müde sein, nicht meine Stimme.

Wenn es mir nicht gut geht, höre ich gerne alles von Maria Callas, ich mag auch Streichquartette von Mozart und Haydn. Das Gleichgewicht, das ich in meinem Körper brauche, ist wie das sorgfältige Gleichgewicht der Instrumente, die ich in einem Quartett höre.

Sara Jakubiak

Momentan verbringen viele Musikliebhaber viel Zeit in ihren eigenen vier Wänden. Gibt es ein Buch, eine CD oder auch Streamingangebote, die Sie uns dringend empfehlen würden?

Es gibt so viel Musik zum Streamen. Ich finde es wunderbar, dass Opernhäuser kostenloses Streaming anbieten. Persönlich interessiere ich mich sehr für das Angebot des Nationaltheaters in London, das jeden Donnerstag Theaterstücke streamt. Außerdem werden im Mai eine neue CD-Aufnahme Schönbergs „Erwartung“ und „Pelléas und Mélisande“, die ich mit Edward Gardner und dem Bergen Philharmonic Orchestra gemacht habe, verfügbar sein…

Kommen wir zur ersten Frage zurück: Wo sehen Sie sich in einem Jahr?

Singen auf der Bühne für Sie:))!

Es gibt Zukunftsforscher, die nach überstandener Corona-Krise eine Verbesserung des Weltklimas – ökologisch wie sozial – prophezeien. Teilen Sie diese Einschätzung? Wie ist Ihre Vision?

Ich bin keine Wissenschaftlerin, aber ich hoffe, dass das Corona-Virus ein großer Weckruf für uns alle ist, echte Veränderungen im Umgang mit der Umwelt vorzunehmen. Ich hoffe, es macht uns selbstloser und zu besseren Nachbarn.

Schauen wir in die Glaskugel: Die Heilige Corona, auch Schutzpatronin gegen Seuchen, hat ein Einsehen mit uns und beendet die Pandemie. Alle Musikclubs, Theater und Opernhäuser öffnen wieder. Für Ihren ersten Auftritt haben Sie drei Wünsche frei: Wo, in welcher Produktion und mit wem teilen Sie die Bühne?

Irgendwelche Wünsche? Wo: Kleine Clubs in New York City! In welcher Produktion? Ein Duett/Konzert mit Freddie Mercury…

Vielen Dank für dieses Interview, Sara Jakubiak! Bleiben Sie gesund!

Ingo Luther, 7. April 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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