Plön, Nikolaikirche, 18. Juli 2022
Konzert im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals
Werke von beiden Albéniz, Guridi, Soler, Granados, Tárrega und de Falla
Lucero Tena, Kastagnetten
Xavier de Maistre, Harfe
von Dr. Andreas Ströbl
„Ich wusste gar nicht, dass das ein so tolles Konzertinstrument ist!“ – Was ein Besucher des grandiosen Konzerts in der Plöner Nikolaikirche bemerkte, gab sicher die Meinung Vieler wieder, die die phantastische mexikanische Kastagnetten-Legende Lucero Tena noch nie erlebt hatten. „Paganini der Kastagnetten“ wurde sie einmal genannt und in der Tat dürfte es im gesamten Universum keine vergleichbare Künstlerin geben. Diese Gran Dama der spanischen Musik hat sich nach ihrer Karriere als Flamenco-Tänzerin auf das Spiel der bis dahin eher aus der rhythmischen Begleitung spanischer Folklore vertrauten Holzklappern spezialisiert. Es ist unglaublich, welche Klangfarben und Dynamiken, Lautstärken und Zartheiten sie aus dem so einfachen Perkussionsinstrument zaubert.
Mit dieser 83-jährigen, durch die Musik junggebliebenen Legende stand am 18. Juli der desgleichen legendäre französische Harfenist Xavier de Maistre auf der Bühne. Die beiden begeisterten das norddeutsche Publikum mit einer umwerfenden spanischen Feurigkeit aus fast durchweg wohlbekanntem klassischem Repertoire des 18. bis 20. Jahrhunderts. Einer dieser Ausnahmekünstler allein hätte schon Begeisterungsstürme hervorrufen können, zusammen verwandelten sie die Nikolaikirche in einen Tempel des Tanzes und der Lebensfreude.
Bereits bei der einführenden Sonate von Mateo Pérez de Albéniz (Sonate D-Dur op. 13) zeigte sich das perfekt synchrone Spiel der beiden und die liebevolle Harmonie, die das ganze Konzert prägte. Durchweg auswendig und mit geschlossenen Augen bewies diese würdevolle Dame, wie differenziert Kastagnetten gespielt werden können – sie füllte mit einzelnen Klappertönen mitunter den ganzen Kirchenraum, dann wieder entlockte sie ihnen mit feinster Zartheit kaum hörbare Laute.
Der 35 Jahre jüngere Harfenist spielte die Hälfte der Stücke allein, Lucero Tena wurde jeweils zu den gemeinsamen Auftritten von einer Künstlerbetreuerin zur Bühne geführt, de Maistre nahm sie mit sichtbarem Respekt dann stets an die Hand und geleitete sie auf das Podium.
Seine Interpretation von Jesús Guridis „Viejo Zortzico“ geriet anmutig-lyrisch, dann wieder kraftvoll und mit energischer Hingabe. De Maistre spielt die Harfe nicht, er lässt sie erzählen, mal in melancholischer Sehnsucht seufzen, mal in glutvoll aufgeladener Lebensbejahung aufjauchzen.
„Torre Bermeja“, „Granada“, „Zaragoza“ und „Asturias“ von Isaac Albéniz sind echte Kracher der spanischen Musik, die jeder kennt, aber in dieser Darbietung völlig neuartig zu erleben waren. Der Geist dieser sonnenwarmen Musik strahlte aus zwei phantastischen Musikern, deren liebevolles Miteinander gegenseitiger Beifall zwischen den Stücken und viele Umarmungen bewiesen.
Musikalischer Blütenduft aus spanischen Gärten und maurischen Brunnenhöfen ergoss sich mit Grazie und Wehmut in die Plöner Kirche und wer die Augen schloss, konnte sich problemlos 2500 km südöstlich verorten. Stellenweise schufen die beiden eine liebliche Intimität, die dem sehr sensiblen Zusammenschlagen, eher -fügen der Kastagnetten und dem Streicheln der hohen Harfensaiten entsprang. Den dann wieder folgenden perlenden Arpeggien de Maistres entsprachen unglaublich rasche Kastagnetten-Kaskaden mit der Flinkheit eines flatternden Kolibris.
Nach der Pause erklang die Sonate D-Dur Nr. 84 von Antonio Soler mit kleinen Blitzen und Klangfunken, wiederum mit bewundernswerter Schnelligkeit von Lucero Tena weniger begleitet als vielmehr gleichberechtigt dargeboten. Ihr beseeltes, würdiges Gesicht ähnelte manchmal dem eines fein gearbeiteten Marmorbildnisses im Prado.
Die ganze Raffinesse von Walzervariationen entrollte sich in Enrique Granados „Valses poéticos“, die tatsächlich Musik gewordene Poesie, ja kleine Klanggemälde mit reizenden Einfällen sind, die zwischenzeitlich in sanfter Nachdenklichkeit das Tänzerische nur streifen, dann wieder humorig Wiener Klänge zitieren, von de Maistres schelmisch-charmanten Blicken ins begeisterte Publikum begleitet.
Granados’ „Andaluza“ gemahnte an genuine Flamenco-Themen und wie ein andalusisches Tänzerpaar kommunizierten die beiden miteinander, reichten sich klanglich die Hände, um dann wieder tändelnd umeinander herum zu kreisen.
Francisco Tárrega „Recuerdos de la Alhambra“ sind eine weltbekannte Reminiszenz an die traumhafte Stadtburg von Granada. Plön ist schön, aber es gab sicher niemanden dort, der sich beim Erklingen dieser musikalischen Perle nicht an einen der schattigen Blumenhöfe dort gewünscht hätte. Die beiden zauberten eine Transluzidität der Tongebilde, die an delikat geschnittene Alabastervasen gemahnte.
Die „Danza española“ Nr. 1 von Manuel de Falla beschloss – für’s Erste – den Abend und auch dieser Klassiker erklang mit solcher Spielfreude, dass zwei Zugaben mit brandendem Beifall und vielen „Bravi“-Rufen Ehrensache waren. Glücklich, wer dieses Konzert erleben durfte – es bleibt zu hoffen, dass uns dieses besondere Traumpaar noch oft begeistern wird.
Dr. Andreas Ströbl, 20. Juli 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Jan Lisiecki CAMERATA Salzburg, Schleswig Holstein Musik Festival
vision string quartet, Schleswig Holstein Musik Festival, 13. Juli 2019