Ksenia Shevtsova (Die Sylphide) und Jakob Feyferlik (James) (Foto: RW)
Natürlich sahen die 20 Sylphiden mit ihren zierlichen Flügelchen allerliebst aus. Sie hatten auch gut geprobt. Aber sie immer wieder in verschiedenen Variationen auftreten zu sehen, ermüdete schon, zumal die dem Ballett zugrunde liegende Komposition von Jean-Madeleine Schneitzhoeffer, anders als bei Adolphe Adams Giselle, immer wieder ins Banale abgleitet und manches kitschig wirken lässt.
La Sylphide, Ballett in zwei Akten
Choreographie von Pierre Lacotte nach Filippo Taglioni
Musik von Jean-Madeleine Schneitzhoeffer und Ludwig Wilhelm Maurer
Bühne nach Pierre Ciceri
Kostüme nach Eugène Lami
Bayerisches Staatsorchester
Musikalische Leitung: Myron Romanul
Bayerische Staatsoper, Bayerisches Staatsballett im Nationaltheater, 3. Dezember 2024
von Dr. Ralf Wegner
Mit dem 1832 erstaufgeführten Ballett La Sylphide trat der Spitzentanz in Tüll seinen Siegeszug in Europa an. Die Handlung ist eher unterkomplex. Der Jungschotte James verliebt sich am Abend vor seiner Hochzeit mit Effie in ein seine Träume bedrängendes Geisterwesen, eine Sylphide. Mit Hilfe der Hexe Madge und eines verzauberten Schals kann er sich ihr körperlich nähern. Sie büßt es mit dem Tode. James bricht zusammen, die Hexe triumphiert. Zusammengefasst, wenn Mann mit dem Spatz in der Hand nicht zufrieden ist, verliert er auch die schöne Taube auf dem Dach.
Die Tänzerin Ghislaine Thesmar formulierte es im Programmheft zur vergleichbaren Hamburger Aufführung 2007 weniger prosaisch: Weil er das richtige Leben scheut, verliebt sich dieser junge Mann in einen Traum… Sie ist ein Instrument der Fatalität mit einer verführerischen Maske. Nach Peter Stoneley (aktuelles Programmheft des Bayerischen Staatsballetts) findet sich James in einem sexuellen Niemandsland wieder… Das Ballett sei queer in dem Sinne, dass es eine unheimliche Bruchstelle in einem an sich stabilen System aufspürt.
Die kleinen Mädchen werden dieses Ballett lieben
Von all dem ist auf der Bühne wenig zu sehen und nichts zu verspüren. Wegen der wirklich schönen Bühnenbilder und der Abwesenheit jeglicher Erotik ist diese Märchen um einen verliebten jungen Mann selbst für Mädchen im Grundschulalter zu goutieren. Sie werden es lieben und beim nächsten Kostümfest mit Tüllrock und kleinen zierlichen Flügeln auftreten wollen. Sie werden auch die im zweiten Akt hinter den Bäumen hervorlugenden oder zwischen den Bäumen, an Stahlseilen gehängt, hin und her fliegenden Sylphiden lieben.
Die tänzerisch-darstellerischen Leistungen entsprachen nicht ganz den hohen Erwartungen
Während man bei der von Carollina Bastos getanzten Braut Effie noch Gefühlsregungen wahrnahm, mangelte es an solchen bei dem Protagonistenpaar Jakob Feyferlik als James und Ksenia Shevtsova als Sylphide doch erheblich. Beide tanzten gut. Bei Feyferlik fehlte aber etwas, was ich als tänzerisches Legato oder das Ineinanderfließen der Bewegungen bezeichnen möchte. Er absolviert die Einzelsequenzen seiner Soli wie eine Aneinanderreihung von Sprung, Boden, Drehung, Boden etc., ohne dass eine harmonische, in sich schlüssige Gesamtbewegung entstand. Das ist natürlich Kritik auf sehr hohem Niveau.
Auch Margarita Fernandes und António Casalinho überzeugten mit dem Pas de deux des schottischen Paares nicht wirklich. Nach den Ausführungen im Programmheft sollten sie James vor Augen führen, wie schön die Liebe zwischen Mann und Frau ist. Davon war wenig zu spüren. Natürlich sahen die 20 Sylphiden mit ihren zierlichen Flügelchen allerliebst aus. Sie hatten auch gut geprobt. Aber sie immer wieder in verschiedenen Variationen auftreten zu sehen, ermüdete schon.
Die Komposition zu diesem Ballett hinterlässt keinen bleibenden Eindruck
Denn die dem Ballett zugrunde liegende Komposition von Jean-Madeleine Schneitzhoeffer gleitet, anders als bei dem neun Jahre später uraufgeführten Ballett Giselle von Adolphe Adam, immer wieder ins Banale ab. Manches wirkte gar kitschig, wie zum Beispiel die wellenbewegten Armbewegungen der Sylphiden zur wogend-kullernden Musik des Komponisten Schneitzhoeffer.
Schon die vor dem geschlossenen Vorhang gespielte Ouvertüre hinterließ eher Magengrimmen als Begeisterung. Ob sich das unter einer anderen musikalischen Leitung als von Myron Romanul besser angehört hätte, würde ich angesichts des Kompositorischen bezweifeln. Warum ein Teil des Publikums dem Dirigenten begeistert applaudierte, erschloss sich mir aber auch nicht.
Es gab drei kleinere Nebenpartien: Wie stets überzeugte die als Charaktertänzerin eingestufte Séverine Ferrolier bei ihren Auftritten als Effies Mutter. Matteo Dilaghi (der Effie anschmachtende Gurn) und Robin Strona (Madge, die Hexe) rundeten das Ensemble ab, hatten aber nicht viel zu tanzen.
Dr. Ralf Wegner, 4. Dezember 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
LA SYLPHIDE Ballett in zwei Akten Bayerische Staatsoper, Nationaltheater, 23. November PREMIERE
La Bayadère, Ballett in 4 Akten Theater Dortmund, 24. November 2024