Ladas Klassikwelt 109: Der Klangschatz der Walcker-Orgel wird in die Laieszhalle zurückkehren

Ladas Klassikwelt 109: Der Klangschatz der Walcker-Orgel wird in die Laieszhalle zurückkehren

Text und Bilder: Jolanta Łada-Zielke

Auf der Bühne der Laieszhalle in Hamburg gibt es jetzt statt des unteren Teils der Orgel eine leere Stelle. Das Holzgehäuse und die Manuale sind verschwunden, nur die Pfeifen blieben. Bis zum Herbst 2026 entsteht dort ein neues Instrument, das seinem Prototyp von 1908 entspricht. Diesen baute damals für den Konzertraum die berühmte Orgelbaufirma E. F. Walcker aus Ludwigsburg in Baden-Württemberg. Dieses Instrument funktionierte in der Laieszhalle bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges.

von Jolanta Łada-Zielke

1951 baute man die Orgel ab und ersetzte sie durch eine neue von der Firma Beckerath, die sich auf die Herstellung von Kirchenorgeln spezialisierte. Ihr Klang war für einen Konzertsaal nicht ausreichend, bei einer größeren Besetzung konnte er einen Chor und Orchester nicht durchdringen. Die Orgel war bereits auch spielbar eingeschränkt. Einige Organisten, die in der Laieszhalle auftraten, beschwerten sich, dass manche Tasten verstummt sind. Deswegen hat die Verwaltung der Elbphilharmonie und Laieszhalle eine Entscheidung getroffen, die Beckerath-Orgel abzubauen und an die Evangelisch-lutherische Dekanatskirche Peter und Paul im fränkischen Münchberg zu verkaufen.

Obwohl die Elbphilharmonie mit ihrer Attraktivität die Laieszhalle etwas in den Schatten gestellt hat, hat man dieses Konzerthaus nicht vergessen. Zurzeit erfolgt seine gründliche Sanierung, und die Einrichtung der neuen Orgel gehört dazu. Dank zweier Unternehmen, die die Ausschreibung für das Orgelprojekt gewonnen haben, erhält die Laieszhalle ein neues Konzertinstrument in spätromantischem Stil. Dies sind die auf Walcker-Orgeln spezialisierte Firma Orgelbau Lenter aus Sachsenheim und die Orgelbaufirma von Johannes Klais aus Bonn. Ihr Konzept verbindet die traditionelle Art des Orgelbaus mit moderner Technik, die die ursprüngliche Tonerzeugung nur verbessert, aber nicht ändert. Der Klang der Orgel wird auf traditionelle Weise erzeugt, ohne den Einsatz der Digitalisierung.

Die Firma Lenter hat bereits Erfahrung mit der Rekonstruktion von Walcker-Orgeln aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie fertigte solche Instrumente für die Kirchen in Ulm und Hoffenheim.

Philipp Klais präsentiert den Prototyp des Mechanismus der neuen Orgel

Während einer Pressekonferenz in der Laieszhalle erklärte Markus Lenter die technischen Details: »Mit dem Neubau einer Konzertsaalorgel in der Laeiszhalle auf Basis der ursprünglichen Walcker-Orgel können wir wieder in eine Zeit der Orgelbaukunst eintauchen, als die Orgel ab 1900 mit den damalig aufregend neuen Möglichkeiten einer elektrischen Traktur als Partner zu Orchestern und Chören sich verband. Der Spieltisch war nicht mehr mit einer ortsabhängigen Mechanik oder Pneumatik gebunden, Orgeltechnik und Orgelarchitektur veränderten sich rasant. Nach vielen wegweisenden Neubauten an Konzertsaalorgeln der jüngeren Vergangenheit dürfen wir wieder als neugierige Orgelbauer in Technik und Klanggestalt eine Türe unserer Vorväter öffnen, welche in klanglichen aber auch rein dogmatischen Gründen lange fast undenkbar blieb.«

Die Orgel für die Laieszhalle rekonstruiert man mit der Verwendung der in Köln aufbewahrten Bestandteile von der alten Walcker-Orgel, sowie nach den erhaltenen Walcker’schen Planunterlagen. Der Einbau des Instruments soll in den Sommerspielpausen 2025 und 2026 erfolgen. Die Gesamtkosten des Projekts schätzt man auf 3,38 Millionen Euro.

»Ich freue mich, dass in der Laeiszhalle nun ein Instrument wiederersteht, das sich in seiner Klangästhetik ideal mit dem historischen Gebäude verbindet.«, so Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien. Christoph Lieben-Seutter, Generalintendant Elbphilharmonie und Laeiszhalle, ist der gleichen Meinung:  »Ich bin sehr glücklich, dass sich mit Orgelbau Lenter und Johannes Klais Orgelbau jetzt Experten der Rekonstruktion annehmen, die Respekt vor dem traditionellen Handwerk mit Innovationsfreude verbinden.«

Das Datum der Einweihung der neuen Orgel in der Laieszhalle, sowie der Name eines Organisten, der die Ehre haben wird, ein erstes Konzert auf ihr zu spielen, sind noch nicht bekannt. Die Liebhaber der Orgelmusik freuen sich bereits jetzt auf diesen Tag.

Jolanta Łada-Zielke, 16. Mai 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Jolanta Łada-Zielke, Jahrgang 1971, kam in Krakau zur Welt, hat an der Jagiellonen-Universität Polnische Sprache und Literatur studiert und danach das Journalistik-Studium an der Päpstlichen Universität Krakau abgeschlossen. Gleichzeitig absolvierte sie ein Gesangsdiplom in der Musikoberschule Władysław Żeleński in Krakau. Als Journalistin war Jolanta zehn Jahre beim Akademischen Radiorundfunksender Krakau angestellt, arbeitete auch mit Radio RMF Classic, und Radio ART anläßlich der Bayreuther Festspiele zusammen. 2003 bekam sie ein Stipendium vom Goethe-Institut Krakau. Für ihre  journalistische Arbeit wurde sie 2007 mit der Jubiläumsmedaille von 25 Jahren der Päpstlichen Universität ausgezeichnet. 2009 ist sie der Liebe wegen nach Deutschland gezogen, zunächst nach München, seit 2013 lebt sie in Hamburg, wo sie als freiberufliche Journalistin tätig ist. Ihre Artikel erscheinen in der polnischen Musikfachzeitschrift „Ruch Muzyczny“, in der Theaterzeitung „Didaskalia“, in der kulturellen Zeitschrift für Polen in Bayern und Baden-Württemberg „Moje Miasto“ sowie auf dem Online-Portal „Culture Avenue“ in den USA.  Jolanta ist eine leidenschaftliche Chor-und Solo-Sängerin. Zu ihrem Repertoire gehören vor allem geistliche und künstlerische Lieder sowie Schlager aus den zwanziger und dreißiger Jahren. Sie ist seit 2019 Autorin für klassik-beigeistert.de.

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