Der Countertenor Nils Wanderer brilliert in Weimar

Nils Wanderer,  Studio-Theater, Schloss Belvedere Weimar

Foto: Nils Wanderer (c), Countertenor
Studio-Theater, Schloss Belvedere Weimar
, 12. Juli 2018

von Guido Müller

Der gerade an diesem Tag 25 Jahre alt gewordene württembergische  Countertenor Nils Wanderer zählt zu den ganz Großen seiner Generation. Mit frischem Bachelorexamen der renommierten Franz-Liszt-Musikhochschule Weimar gab er sein Abschiedskonzert vor einem überfüllten Auditorium.

Kurz zusammen gefasst: fantastisch! Im  ersten Barock-Teil mit dem glänzend spielenden  Ensemble Merides (Cellist und Cembalist besonders bemerkenswert!) und Arien von Vivaldi (Stabat Mater), Bach („Es ist vollbracht“ aus der Johannespassion, diese Parte sang Wanderer bereits im Teatro Massimo Palermo), Purcells Sorceress aus „Dido and Aenaes“ (diese Rolle wie den Spirit verkörperte Wanderer in einer herausragenden Produktion des Weimarer Deutschen Nationaltheaters) gelang Nils Wanderer im zutiefst berührenden Händel-Duett mit Maria Grazia Insam (Mezzosopran) „Son nata lagrimar“ (Giulio Cesare) ein erster fantastischer Höhepunkt. Gefolgt von Giulio Cesares virtuosem „Svegliatevi nel Core“.

Nach der Pause gestaltete Wanderer mit der beeindruckend versierten jungen Pianistin Lucija Dogan drei Shakespeare-Lieder des Komponisten Roger Quilter von 1905. Eine spannende Entdeckung  dieses britischen Komponisten aus der Zeit von Richard Strauss und Hugo Wolf.

Dann folgte im dramaturgisch sehr intelligent und zudem sensibel gestalteten Programm rund um Einsamkeit und Ängste der absolute Höhepunkt des Konzerts mit der 2018 erstmals von Nils Wanderer in Baden-Baden aufgeführten Komposition SOLA für Countertenor und zwei Schlagzeuger des 1987 geborenen australischen Komponisten Alex Vaughan, der in Weimar studiert hat. Dieses Werk ist den Ängsten (Fear), Sorge, der Kraft und dem Mut gewidmet, die sich nach der Überwindung von Ängsten und Lampenfieber einstellen. Zeitgenössische Komponisten wie Vaughan, aber auch Rihm und Reimann entdecken die Stimme der Countertenöre für ihre neuen Werke.

Das Werk berührt durch die große stimmliche Bandbreite, das Farbenspektrum, die Kraft und Leuchtkraft sowie die enorme intelligente und sensible Differenzierungsfähigkeit des jungen Sängers.  Im Zusammenspiel mit den beiden Schlagzeugerinnen Jessica und Vanessa Porter läuft Nils Wanderer zur Hochform auf. Zusammen mit anderen Künstlern bietet Wanderer die besten und berührendsten Leistungen. Er ist ein Teamkünstler, der sich auf der Bühne am wohlsten fühlt, wenn er mit anderen spielen kann.

Wanderer sollte romantische Lieder von Schubert bis Mahler und viel Zeitgenössisches in Kombination mit Alter Musik singen und dabei der Improvisation Raum geben. Da liegen seine Stärken.

Nils Wanderer ist kein seelenloser und kindlich klingender Kanarienvogel der Kastratenära, sondern ein tief empfindender, hoch sensibler und besonders gut reflektierender Gesangskünstler und Stimmenartist.

Im September geht er nach London an die renommierte Guildhall School. Einer Weltkarriere sollte dann nichts mehr im Wege stehen. In Amsterdam singt er demnächst in einem Vivaldi-Pasticcio und bald in London Johann Adolph Hasse. Aber er kann auch Bizets „Carmen“ oder eben die großen Händel-Partien. Dabei liegt ihm der Sesto noch mehr am Herzen als der Caesar in „Giulio Cesare“.

Hut ab vor dieser tief berührenden Stimmkunst  und dem gerade im Pianissimo genauso kraftvollen Mezzosopran wie im nie scharfen hohen Fortissimo. Alles dient bei ihm dem Ausdruck!

Guido Müller, 13. Juli 2018, für
klassik-begeistert.de

Ein Gedanke zu „Nils Wanderer,
Studio-Theater, Schloss Belvedere Weimar“

  1. Und am 25./26. Mai 2019 singt er die Sorceress aus „Dido and Aeneas“ von Henry Purcell zusammen mit vielen anderen Solisten und dem Chor des Evangelischen Seminars Maulbronn, das er vor seinem Studium besuchte. Dies geschieht im Rahmen der Klosterkonzerte Maulbronn (www.klosterkonzerte.de).

    Elia Šandor

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