Foto: © Semperoper Dresden / Klaus Gigga
Ein großes Plus der Aufführung war das Dirigat von Gaetano d’Espinosa. Der aus Sizilien stammende Dirigent ist in Dresden kein Unbekannter: ab 2001 gehörte er der Sächsischen Staatskapelle als Geiger an, bevor er zum Beruf des Dirigenten wechselte. Seine Norma-Interpretation geriet ausgesprochen feurig, dabei aber kontrolliert und ausgewogen. So entfaltete sich im Graben deutlich die angestrebte Italianità, die für Bellinis Meisterwerk unverzichtbar ist.
Vincenzo Bellini
Norma
Pollione Dmytro Popov
Oroveso Alexandros Stavrakakis
Norma Yolanda Auyanet
Adalgisa Stepanka Pucalkova
Gaetano d’Espinosa Dirigent
Peter Konwitschny Regie
Semperoper Dresden, Premiere am 2. Oktober 2021
von Peter Sommeregger
Vincenzo Bellinis Meisterwerk „Norma“ ist auf deutschen Bühnen leider sehr selten anzutreffen. Das mag an der Besetzung der drei Hauptpartien liegen, die tatsächlich Spitzensänger verlangen. Für Maria Callas war die Norma eine ihrer Glanzrollen, aber auch der lange Schatten einer Sutherland und einer Caballé schreckt viele Häuser ab, sich an diese Oper zu wagen.
Dresden hat es nach unendlich langer Zeit wieder getan, und musikalisch kann man mit dem Ergebnis weitgehend zufrieden sein. Aber inszeniert will eine Oper ja schließlich auch werden, und da hat man mit Peter Konwitschny einen Missgriff getan. Der Regisseur, der früher für einige Skandale gut war, aber auch konsequentes modernes Regietheater schuf, ist inzwischen ein eher zahnloser Tiger geworden. Die Verlegung eines Teiles der Handlung in einen unterirdischen Bunker, im zweiten Akt in eine seelenlose zeitgenössische Konzernzentrale bringt keinen Erkenntnisgewinn für die höchst dramatische Handlung, die Personenregie nähert sich teilweise der Lächerlichkeit an, wenn die Protagonisten im Streit beginnen, sich mit allerlei Gegenständen zu bewerfen. Den Schluss des Dramas verändert Konwitschny komplett, statt mit Pollione zur Sühne den Scheiterhaufen zu besteigen, verlässt die Firmenchefin Norma das Büro mit dem Inhalt ihres Schreibtisches in einem Pappkarton. Was soll man dazu sagen? Am besten nichts.
Gottlob wurde aber auch gesungen, und wie! Dem ukrainischen Tenor Dmytro Popov misslang der erste der zahlreichen Spitzentöne seiner Partie ein wenig, im weiteren Verlauf konnte er aber mit bombensicherer Höhe punkten. Da ist viel Kraft, aber auch Beweglichkeit der Stimme und zusätzlich engagiertes Spiel. Ein wenig enttäuschend fiel die Norma von Yolanda Auyanet aus. Gelang ihr das „Casta Diva“ noch mit rundem, warmem Ton, so wurde ihr Sopran im schnellen Teil der Arie auf einmal schrill und spröde, was sich auch im weiteren Verlauf des Abends wiederholte. So sicher die Stimme im Piano und in der Mittellage wirkte, so angeschlagen klang sie im Forte.
Ihre Gegenspielerin Adalgisa wurde vom Ensemblemitglied Stepanka Pucalkova mit warmem, geschmeidigem Mezzosopran verkörpert. Bei ihr war die Gesangslinie stets ausgeglichen, ihr ansprechendes Timbre überlagerte in den Ensembles die etwas raueren Stimmen ihrer Partner wohltuend.
Als Oroveso, Normas Vater, ließ Alexandro Stavrakakis seinen sonoren Bass eindrucksvoll hören, er stand in jedem Fall auf der Habenseite dieser Premiere, ebenso wie der kernige Tenor von Jürgen Müller als Polliones Freund Flavio.
Ein großes Plus der Aufführung war das Dirigat von Gaetano d’Espinosa. Der aus Sizilien stammende Dirigent ist in Dresden kein Unbekannter: ab 2001 gehörte er der Sächsischen Staatskapelle als Geiger an, bevor er zum Beruf des Dirigenten wechselte. Seine Norma-Interpretation geriet ausgesprochen feurig, dabei aber kontrolliert und ausgewogen. So entfaltete sich im Graben deutlich die angestrebte Italianità, die für Bellinis Meisterwerk unverzichtbar ist.
Das Publikum feierte die Beteiligten in gerechten Abstufungen des Applauses. Bei den Sängern erhielt Pucalkova den deutlich stärksten Beifall, gefeiert wurde auch der Dirigent, für Peter Konwitschny gab es nur höflichen Applaus, sogar ein paar gedämpfte Buhs meinte man zu hören.
Die bisher letzte Norma-Aufführung in Dresden fand 2006 konzertant statt. Vielleicht wäre das auch diesmal die bessere Idee gewesen?
Peter Sommeregger, 3. Oktober 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
„Gottlob wurde aber auch gesungen, und wie!“ – Da vermutet man doch eine Lobeshymne auf die Soli. Stattdessen singt offenbar niemand ausnehmend sensationell, ausser Popov, der gerade noch gut in Ihrer Kritik wegkommt. Der Rest ist dann annehmbar. Warum dann dieser Superlativ: „Gottlob wurde aber auch gesungen, und wie!“?
Frank Kantereit