Foto: © Gesine Görlich-Fletzberger / Weinviertler Festspiele
„Resümee der wilden Seefahrt: Holländer hui, Orchester akzeptabel, anwesender Chor pfui.“
Amfitheater Mikulov (Tschechien), 14. August 2020
Richard Wagner, Der fliegende Holländer
von Jürgen Pathy
Das große Abenteuer – nicht nur auf der Freiluft-Bühne von Mikulov, auch drumherum. Dass das nicht ins Wasser gefallen ist, verdanken die Weinviertler Festspiele dem großen Engagement aller Beteiligten. Trotz aller Widrigkeiten, die sich im Vorfeld schon angebahnt hatten, haben sich Intendant Peter Svensson und seine ganze Crew voll ins Ruder gelegt. Ihrem Engagement und Idealismus ist es zu verdanken, dass selbst heftige Regenschauer und ein ungewisser Blick in die Zukunft, die Landung des Holländers haben nicht verhindern können.
Ganz im Gegenteil. Von Regisseur Isao Takashima spartanisch inszeniert, nur mit Filmprojektionen an die Betonwand hinter der Bühne, dürften die Umstände einigen noch extra Ansporn gewesen sein, um das Unmögliche zu realisieren. Denn nicht nur Corona, auch andere Ereignisse brachten das Boot beinahe vorzeitig zum Kentern. Kurz vor der Premiere musste das Brünner Orchester, das für alle Produktionen geplant gewesen war, absagen. Der Geisterchor fiel im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser – aufgrund des Hochwassers konnte er nicht anreisen. Und kurz vor Beginn der Vorstellung schüttete es auch noch wie aus Eimern. Die Vorzeichen standen also alles andere als gut.
Dass es dann doch noch ein halbwegs versöhnlicher Abend wurde, ist vor allem einer Person zu verdanken: Tomasz Konieczny, 48. Der gebürtige Pole, der weltweit zu den profiliertesten Bassbaritonen zählt, rockte mal wieder die Bühne. Intensiv und eindrucksvoll, wie gewohnt. Dort, wo sonst Blues–, Rock– und Techno-Klänge aus den Lautsprechern dröhnen, mimte Konieczny einen Holländer, der schwer gezeichnet, mehr tot als lebendig, sich schweren Schritts über die Bühne schleppte. Nur, wenn er dabei war zu seinen Worten anzusetzen, lebte und bebte die See. Denn neben Ausstrahlung und Präsenz, verfügt Konieczny über eine weitere Qualität: eine große Stimme. Eine Stimme, deren dunkles Timbre nicht nur etwas Geheimnisvolles verbirgt, sondern vor Intensität, Vitalität und Energie nur so strotzt. Daraus formte Konieczny eine ruhelose Seele, die das Prädikat Weltklasse mehr als nur verdient hat – ebenso die Erlösung, die ihm nur durch die Treue bis in den Tod geschenkt werden kann.
Diese bot ihm an diesem Abend eine in allen Registern überzeugende Anna Gabler, die als dramatische Senta mit blondem, wallendem Haar eine blendende Figur abzugeben vermochte. Einziges Manko der gebürtigen Münchnerin: das „Schleppen“, der regelmäßig zu späte Einsatz. Michael Heim gefiel als Eric. Enttäuschend hingegen Urgestein Franz Hawlata, 56, der schon seit langer Zeit zu den großen seiner Zunft zu zählen ist. Als Daland schien dieser nicht nur mit seinem Steuermann zu hadern, der von Aleš Briscein, 51, solide lyrisch belebt wurde, sondern auch mit seinem eigenen Charakter. Weshalb Hawlata, der bereits an der Met und in Bayreuth gesungen hat, nicht nur lustlos wirkte, sondern jegliche Einsätze missachtete, ist unklar.
An Levente Török, 27, kann es nicht gelegen haben. Der hatte zwar alle Hände voll zu tun, zeigte als Kapellmeister aber hervorragende Qualitäten – immer im Takt, präzise und das Steuer stets fest im Griff. Nur dramaturgisch könnte der junge Ungar, der als Wagner-Dirigent bislang ein unbeschriebenes Blatt gewesen ist, etwas mehr Farbe und Akzente setzen. Zu brav und spannungslos wirkten einige Stellen.
Das Philharmonische Orchester Györ, das kurzfristig einspringen musste, schwankte, fiel jedoch nicht. Unter den schwierigen Umständen und nach nur drei Proben, hielt das ungarische Orchester die Vorstellung zumindest über Wasser. Im Gegensatz zum Chor. Der schien trotz Noten völlig überfordert und am falschen Dampfer. Resümee der wilden Seefahrt: Holländer hui, Orchester akzeptabel, anwesender Chor pfui.
Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 15. August 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Die Weinviertler Festspiele locken mit großen Wagner-Stimmen
Fliegender Holländer 16.8.2020
Regie: Regt an über das Stück zu diskutieren, daher völlig in Ordnung. Bühnenwandprojektion sehr gute Idee.
Dirigent und Orchester sehr gut
Technik: Bis auf Kleinigkeiten gut.
Hauptrollen: Großartig von beiden Hauptprotagonisten gesungen.
Steuermann- gut gesungen
Chor und übrige Protagonisten schwach.
Bühne: Katastrophe und Schande für Mikulov. Abgebröckelter Wandputz im Sockelbereich, Abgelöste Farbe an der Bühnenwandfläche.
Personal: sehr warmherzig, nett, kompetent, auch das Securityteam.
Umgebung- Stimmen aus dem nahen Wirtshaus waren öfter zu höten, aber das hat nicht gestört.
Hinweisschilder mit einem Festspielehinweis fehlten. Nur alte Wegweiser vorhanden.
Was mich begeistert hat: Mut, Durchhaltevermögen und Freude an der Arbeit der beteiligten Damen und Herren.
Martin Hezoucky