Tannhäuser © Enrico Nawrath, Bayerische Festspiele
Festspielhaus Bayreuth, Bayreuther Festspiele, 18. August 2022
Tannhäuser
Musik und Libretto von Richard Wagner
Der Sängerkrieg im Festspielhaus hat zwei Siegerinnen: Ekaterina Gubanova und die allmächtige Lise Davidsen. Tannhäuser als Tragikomödie – auch im dritten Jahr mit viel Gelächter im Publikum.
von Peter Walter
Der Vorhang hebt sich, das Gesamtkunstwerk-Spektakel beginnt schon während der Ouvertüre. Grandiose Pilgerchor-Klänge begleiten majestätische Flugaufnahmen der Thüringer Landschaft. Eine Zirkus-Crew klaut beim Burger King und überfährt einen Polizisten, der sie beim Benzin saugen erwischt. Dann wird gesungen, über Stock und Stein fahren sie in ihrem Camper-Bus durch den Märchen-Wald – übrigens mal wieder eine künstlerisch perfekte Szene mit überblendetem Bühnenbild.
Ein Clown – Tannhäuser – purzelt aus dem Bus in den Wald und kehrt zu seinen alten Bekannten zurück. Keine Wartburg, sondern ein Sängerkrieg im Festspielhaus – die Bühne auf der Bühne. Seine rote Clown-Nase hat er abgesetzt, zum Lachen bringt er das Publikum trotzdem. Tannhäuser als Tragikomödie. Spätestens bei der Polizei-Stürmung des Festspielhauses wirft die Inhaltsangabe mehr Fragen als Antworten auf. Aber es macht Spaß, der Reise der Zirkus-Mannschaft drei Stunden lang zu folgen.
Die Königin dieser Mannschaft heißt übrigens Venus, sie ist die Göttin der Liebe und auch des Gesangs! Kaum eine Sängerin singt diese Mezzo-Rolle so brillant und begeisternd wie Ekaterina Gubanova. In der – von Tobias Kratzer deutlich aufgewerteten – Rolle findet sie sich mühelos zurecht, folgt Tannhäuser bis ins Festspielhaus und schleicht sich unbemerkt in den Edeldamen-Chor ein. Man freut sich auf ihr Kundry-Debüt im nächsten Frühjahr, sie ist die Siegerin des Sängerkriegs im zweiten Aufzug.
Moment… an dem nimmt sie doch gar nicht teil? Stimmt, und sie muss sich den Preis mit einer – ebenso herausragenden – Lise Davidsen teilen. Was diese Sängerin aus der Elisabeth rausgeholt hat, war wieder einmal absolute Weltklasse! Ihre Stimme ist genauso allmächtig wie die Jungfrau, die sie anfleht, die teure Halle füllt sie randvoll mit strahlendem Sopran. Ein wahres Glück, diese Sängerin auf dem Grünen Hügel zu haben, sei es als Sieglinde oder Elisabeth.
Stephen Gould sang die Titelpartie, den Geliebten der beiden Frauen, als wäre es seine 30. Tannhäuser-Vorstellung auf dem Grünen Hügel. War es ja auch. Der derzeit wohl beste Tristan der Welt hatte sicherlich schon bessere Tage, er wirkte ziemlich kaputt, als ginge ihm die Kraft aus. Aber für alle, die jetzt motzen: Wo kriegt man mal eben schnell einen besseren Tannhäuser her?
Sein größter Feind, Wolfram von Eschenbach, war allerdings in Höchstform. Der wohlgeübte Markus Eiche ist für den Minnesänger eine Luxus-Besetzung mit runder, klarer Stimme. Auch wenn er einige Ausrutscher hinnehmen musste – z.B. glitschte ihm die letzte „Elisabeth“-Fermate in einen etwas schmerzhaften Tritonus: Es gibt momentan keinen besseren Sänger für den Hauptantagonisten dieser Oper.
Albert Dohmen gab einen grundsoliden und klar verständlichen Landgrafen, der langjährige Ausnahme-Bariton ist wohl endgültig im Bass-Repertoire angekommen. Die vielen Nebenrollen waren gewohnt stark besetzt, vor allem für Olafur Sigurdarson (Biterolf) hätte man sich gerne eine größere Rolle gewünscht. Die hat er ja schon, nur halt im Rheingold…
Aus dem Graben kamen sehr viele schöne Klänge, der routinierte Axel Kober hatte seinen Laden fest im Griff. Besonders positiv fiel das Englischhorn-Solo auf, wie ein Konzert für Englischhorn, Sopran und Orchester. Auch der Chor war – wie schon im Holländer – in Top-Form, vor allem im dritten Akt sehr stimmstark.
Ein Tannhäuser mit vielen verdienten Bravo-Rufen, für Gould eher verhaltenen Applaus. Da waren offensichtlich viele verwöhnte Tristan-Fans im Publikum.
Peter Walter, 19. August 2022 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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