Rising Stars 40: Andreas Begert, Komponist – ein bayerischer Dickschädel geht seinen eigenen Weg

Rising Stars 40: Andreas Begert, Komponist – ein bayerischer Dickschädel geht seinen eigenen Weg  klassik-begeistert.de, 2. März 2023

Bild von Clara Begert, frei verfügbar in Wikimedia Commons

Die Entwicklung und Karriere vielversprechender NachwuchskünstlerInnen übt eine unvergleichliche Faszination aus. Es lohnt sich dabei zu sein, wenn herausragende Talente die Leiter Stufe um Stufe hochsteigen, sich weiterentwickeln und ihr Publikum immer wieder von neuem mit Sternstunden überraschen. Wir stellen Ihnen bei Klassik-begeistert jeden zweiten Donnerstag diese Rising Stars vor: junge SängerInnen, DirigentInnen und MusikerInnen mit sehr großen Begabungen, außergewöhnlichem Potenzial und ganz viel Herzblut sowie Charisma.


von Dr. Lorenz Kerscher

Der 1990 in Erding als Sohn eines Kontrabassisten und einer Musiklehrerin geborene Andreas Begert studierte in München Musik für das Lehramt am Gymnasium. Die Wahl von Jazzklavier als Hauptfach legte nahe, dass er auch in diesem Genre auftrat und sich für die Produktion von CDs mit anderen Musikern dieser Richtung zusammentat. Außerdem arbeitete er als Pianist, Songwriter, Sänger und Bassist mit einigen an anspruchsvoller bayerischer Volksmusik orientierten Bands zusammen. Auch als er schließlich als klassischer Komponist Anerkennung finden wollte, war ihm das heimatliche Idiom eine wichtige Grundlage.

In seinem Umfeld an der Münchner Musikhochschule war das wohl nicht genug des Ringens um eine avantgardistische Tonsprache, weshalb er von den dortigen Kompositionsprofessoren sechsmal abgewiesen wurde. Dies was ihm jedoch kein Grund zur Resignation, sondern Ansporn, sich gänzlich unabhängig zu machen und seinen eigenen Weg zu gehen. „Ich kann unglaublich stur sein“, bekannte er, und nach einigen inneren Kämpfen fühlte er sich frei, um sich auf eine Entwicklung als Autodidakt einzulassen. Durch seine vorangegangenen vielseitigen Aktivitäten verfügte er über Kontakte, um auch auf eigene Faust Ressourcen für größere Projekte zu gewinnen.

Ein wichtiger Meilenstein war 2019 die Uraufführung seines Requiems im 600 Zuhörer fassenden Carl-Orff-Saal der Münchner Philharmonie, für die er Chor, Solistenquartett und ein barockes Originalklangensemble sowie seinen Bruder Markus Bauer als umsichtigen Dirigenten zur Verfügung hatte. Von dieser sehr überzeugenden Talentprobe gibt es auch eine vollständige Videoaufzeichnung in sehr gute Qualität.

Classical Music / Requiem for orchestra, choir and soloists / live@Gasteig München / Andreas Begert

Stehende Ovationen und hunderte lobender Kommentare, die ihn auf diversen Internetkanälen erreichten, waren der Lohn für dieses abwechslungsreiche Werk in tonaler, wohlklingender und doch durchweg raffinierter Harmonik. Abschnitte, in denen das musikalische Geschehen von Fanfaren der Naturtrompeten und energiegeladenen Rhythmen vorangetrieben wird, wechseln mit Ruhepunkten des andächtigen Gebets, gelegentlich wird auch ein kurzer Rap eingestreut und Klatschen und Aufstampfen als perkussives Element genutzt. Insgesamt hinterlässt dieses Werk einen in sich stimmigen und runden Gesamteindruck.

So diente diese Aufnahme nun auch als eine beeindruckende Visitenkarte und bildete den Kristallisationspunkt für eine wachsende Fangemeinde, die für die weitere Strategie immer wichtiger wurde. Denn für das nächste Projekt sollten nicht 16 Barockmusiker, sondern ein komplettes Symphonieorchester das Klangfundament bilden. Ein Bayerisches Oratorium für Soli, Chor und Orchester sollte entstehen und im 1450 Zuhörer fassenden Herkulessaal der Münchner Residenz aufgeführt werden. Also benötigte Andreas Begert die Hilfe seiner Fans, um per Crowdfunding das nötige Startkapital zu beschaffen. Mithilfe der Internetplattform Startnext konnte er 17.500 € an Spendengeldern einnehmen, Zuschüsse von einigen Sponsoren kamen hinzu und in Erwartung weiterer Einnahmen durch Eintrittsgelder konnte er die Münchner Symphoniker verpflichten.

Die durch Corona bedingte Zwangspause des Musikbetriebs nutze er für die Komposition des Werks, das im Wesentlichen in bayerischen Dialekt übertragene Texte aus Bachs Osteroratorium verwendet. Die Uraufführung konnte dann im Mai 2022 im gut besuchten Herkulessaal stattfinden, erhielt begeisterten Applaus, wurde auch professionell auf DVD aufgenommen und zunächst in einer limitierten Auflage von 100 Stück in den Verkauf gegeben. Lediglich einige kurze Ausschnitte machte Andreas Begert auf seinem YouTube-Kanal bekannt, wie etwa eine elegante Umsetzung des sonst eher urwüchsigen Volkstanzes Zwiefacher mit seinen typischen Wechseln zwischen 2/4- und 3/4-Takt.

 

Bayerisches Oratorium – Andreas Begert (Freudentanzal) – Live @ Herkulessaal München

Nachdem ich viel Freude an der Aufnahme des abwechslungsreichen und optimistischen Werks hatte und es auch gerne anderen Musikfreunden empfehlen wollte, fragte ich nach, ob es nochmals eine Auflage geben werde. „Irgendwann im nächsten Jahr“, antwortete der Komponist, ohne mir zu verraten, was er im Schilde führte. Doch jetzt ist es heraus: er möchte eine Bayerische Symphonie für großes Orchester schreiben, 2024 uraufführen und das Grundkapital wieder über Crowdfunding beschaffen. Und hierfür bietet er weitere 150 DVDs als Dankeschön für einen Spendenbetrag von 50 € an.

Nun kann ich meine Empfehlung an aufgeschlossene Musikfreunde konkretisieren: es ist doppelt sinnvoll, diese 50 € oder auch mehr zu spenden! Zum einen kann man viel Freude an dem schönen Oratorium haben und zum anderen einen vielversprechenden jungen Tonschöpfer bei einem weiteren Schritt seines eigenständigen Wegs unterstützen. Auf der Seite für die Bayerische Symphonie in Startnext kann die Spende ganz einfach geleistet werden und der Versand der DVD erfolgt dann laut mir gegebener Auskunft im April.

Und auch all denen, die das Bayerische Oratorium lieber live erleben wollen, kann geholfen werden: am 22. und 23. April 2023 wird es in Kempten und Ottobeuren aufgeführt. Und außerdem ist das Allgäu im Frühling sehr schön! Dass auch andere Veranstalter sein Werk zur Aufführung bringen, kann Andreas Begert als zusätzliche Bestätigung für seinen eigenständigen Weg verzeichnen. Die Menschen wollen seine Musik hören und finden es gut, dass sie mehr an das Herz als an den Kopf appelliert. Deshalb muss man seine Werke auch nicht als zeitgenössisches Pflichtstück in ansonsten attraktive Konzertprogramme einbauen. Er findet Zustimmung einfach durch redlichen Kontakt mit dem Publikum auf Augenhöhe. Und auf dessen Wertschätzung für den Volksmusikbezug seines Schaffens kann er jetzt gut aufbauen. So glaube ich auch nicht, dass ich ihm für sein neues Projekt vergeblich die Daumen drücken werde!

Dr. Lorenz Kerscher, 2. März 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Lorenz Kerscher, Jahrgang 1950, in Penzberg südlich von München lebend, ist von Jugend an Klassikliebhaber und gab das auch während seiner beruflichen Laufbahn als Biochemiker niemals auf. Gerne recherchiert er in den Internetmedien nach unentdeckten Juwelen und wirkt als Autor in Wikipedia an Künstlerporträts mit.

Dr. Lorenz Kerscher
„Musik ist Beziehungssache,“ so lautet mein Credo. Deshalb bin ich auch als Chorsänger aktiv und treffe mich gerne mit Freunden zur Hausmusik. Eine neue Dimension der Gemeinsamkeit eröffnet sich durch die Präsenz vieler, vor allem junger Künstler im Internet, wo man Interessantes über ihre Entwicklung erfährt, Anregungen zur Entdeckung von musikalischem Neuland bekommt und auch in persönlichen Kontakt treten kann. Man ist dann kein Fremder mehr, wenn man ihnen als Autogrammjäger begegnet oder sie sogar bei einem Konzertbesuch im Publikum trifft. Das ist eine schöne Basis, um mit Begeisterung die Karrieren vielversprechender Nachwuchskünstler mitzuerleben und bei Gelegenheit auch durch Publikationen zu unterstützen.“

Weiterführende Information:

Crowdfunding für die Bayerische Symphonie (Uraufführung 2024)

Offizielle Webseite von Andreas Begert

Andreas Begert in Wikipedia

YouTube-Kanal von Andreas Begert

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Ein Gedanke zu „Rising Stars 40: Andreas Begert, Komponist – ein bayerischer Dickschädel geht seinen eigenen Weg
klassik-begeistert.de, 2. März 2023“

  1. Dass das etablierte System ganze sechsmal jemanden ablehnt, der hier doch ganz offenkundig großes Talent, Fähigkeiten und Durchhaltevermögen beweist, ist doch eine blanke Bankrotterklärung an unser Bildungssystem und beweist nur, dass unser Kulturbetrieb nichts, aber auch rein gar nichts mehr mit Kultur zu tun hat.
    Was für ein Hohn den wahrhaften Künstlern gegenüber. Traurig…

    Daniel Janz

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