Rising Stars 37: Traumhaft schön soll die Trompete klingen!

Rising Stars 37: Traumhaft schön soll die Trompete klingen!  klassik-begeistert.de, 29. Dezember 2022

Die Entwicklung und Karriere vielversprechender NachwuchskünstlerInnen übt eine unvergleichliche Faszination aus. Es lohnt sich dabei zu sein, wenn herausragende Talente die Leiter Stufe um Stufe hochsteigen, sich weiterentwickeln und ihr Publikum immer wieder von neuem mit Sternstunden überraschen. Wir stellen Ihnen bei Klassik-begeistert jeden zweiten Donnerstag diese Rising Stars vor: junge SängerInnen, DirigentInnen und MusikerInnen mit sehr großen Begabungen, außergewöhnlichem Potenzial und ganz viel Herzblut sowie Charisma.

Die neue CD „Trumpet Concertos“ von Lucienne Renaudin Vary

Klassische Trompetenkonzerte, aufgenommen mit dem Luzerner Sinfonieorchester unter Michael Sanderling

Erschienen 2022 bei Warner Classics

von Dr. Lorenz Kerscher

Die 1999 in Frankreich geborene Lucienne Renaudin Vary überzeugte schon bald als Trompetenwunderkind und nahm mit 17 Jahren ihr erstes Album „The Voice of Trumpet“ für Warner Classics auf. Hierfür spielte sie überwiegend Arrangements bekannter Lieder, Arien und einiger Instrumentalstücke ein, man könnte sagen: gefällige Musik für ein Wunschkonzertpublikum. Sehr kultiviert und melodisch war das gespielt, ebenso wie die 2019 in „Mademoiselle in New York“ aufgenommenen Broadwaymelodien. Es folgten die „Piazzolla Stories“, und diese Würdigung des argentinischen Komponisten, der den Tango in die Klassikwelt eingeführt hat, brachte ihr bei Opus Klassik 2021 eine Auszeichnung als Nachwuchskünstlerin des Jahres ein.

https://youtu.be/YrjbKKJ9IxY   ( Video nur auf youtube verfügbar) )

Lucienne Renaudin Vary plays „María de Buenos Aires“ (Piazzolla) at the OPUS KLASSIK 2021 Gala

„Da ist sie, die sowohl Klassik als auch Jazz studiert hat, sehr gut im Genre des Crossover gelandet“, dachte ich mir, „aber ein Profil als Klassikinterpretin hat sie noch nicht entwickelt.“ Doch das ließ nicht lange auf sich warten! Mitte 2021 nahm die nunmehr 22-Jährige mit dem Luzerner Sinfonieorchester unter Michael Sanderling vier klassische Trompetenkonzerte auf, die nun erschienen sind. Es sind die Konzerte von Johann Nepomuk Hummel, Johann Baptist Georg Neruda, Joseph Haydn und das höchst wirkungsvolle, 1950 entstandene Werk des Armeniers Alexander Arutjunjan. Das ist im Wesentlichen das Kernrepertoire der klassischen Originalkompositionen für dieses Instrument.

Hier gelingen Lucienne Renaudin Vary Interpretationen, die die geforderte Virtuosität mit einem unvergleichlichen klanglichen Charme verbinden. Jeder Melodiebogen hat seine in feinfühligen dynamischen Schattierungen ausgedrückte eigene Seele, Phrasierung und Artikulation entsprechen genau dem musikalischen Fluss. Da wird nie mit Pressluft gearbeitet, sondern lieber in zart abgestimmten Tönen gestaltet. Selten erlebt man Trompetenmusik so angenehm! Besonders gut ins Ohr geht der warme runde Ton ihres Instruments, einer B-Trompete, die in den Händen der zierlichen jungen Frau fast überdimensional wirkt. Andere Virtuosen benutzen für dieses Repertoire die kleinere Es-Trompete, weil auf ihr die Töne leichter zu treffen sind. Diese hat allerdings einen schärferen, manchmal etwas giftig wirkenden Klang.

Lucienne Renaudin Vary erklärt im Begleitheft, dass sie als 10-Jährige wie für Schüler üblich auf der B-Trompete lernte und die Noten für die Konzerte von Haydn und von Hummel ohne Kenntnis ihres Professors auslieh, um sie heimlich zu Hause zu spielen. Und nun bleibt sie wegen des wärmeren Klangs bei diesem Instrument, auch bei ihren Liveauftritten. Sie ist eben gut genug, um auch auf diesem Instrument fehlerfrei zu spielen und damit eine unverwechselbare Individualität zu entwickeln.

So gestaltet sie in den klassischen Trompetenkonzerten die Kopfsätze mit unübertrefflicher Eleganz, die Mittelsätze einschmeichelnd und gesanglich und die virtuosen Finalsätze mit schwungvoller Leichtigkeit. Selten bietet Trompetenmusik solch ein durch und durch angenehmes Hörerlebnis. Ein sehr beachtenswertes Werk ist das Konzert von Arutjunjan, das melodische Elemente aus der armenischen Volksmusik mit einem tonalen neoklassizistischen Stil verschmilzt und zwischendurch mit kräftigen Orchesterfarben spielt. Hier tritt die Solistin mit dem bestens disponierten Luzerner Sinfonieorchester unter Michael Sanderling in einen reizvollen Dialog und bekräftigt, dass dieses Werk viel öfter gespielt werden sollte. Am Ende kann sie ihre Begeisterung für Jazz doch nicht für sich behalten und spielt in einem für Bläsercombo und Solotrompete arrangierten Konzertstück von Harry James fetzige Rhythmen und an Rimski-Korsakows Hummelflug erinnernde atemberaubende Läufe.

https://youtu.be/pyt61xc7bWE      ( Video nur auf youtube verfügbar) )

Lucienne Renaudin Vary plays Harry James: Concerto for Trumpet

Als Bonus bringt sie zum Abschluss noch eine jazzige Soloimprovisation zum Haydnkonzert zu Gehör. Damit bekräftigt sie, dass sie auch weiterhin in beiden Stilrichtungen wirken möchte. Auch können die wenigen klassischen Solowerke wohl kaum alleine die Karriere einer so vielseitigen Solistin begründen. Um junges Publikum für den Besuch von Klassikkonzerten zu gewinnen, müssen die eisernen Vorhänge zwischen den Genres ohnehin abgebaut werden. Dafür kann diese junge Künstlerin mit ihrer vielseitigen Ausrichtung eine sehr wertvolle Brückenbauerin sein!

Dr. Lorenz Kerscher, 29. Dezember 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Weiterführende Info

Rising Star Lucienne Renaudin Vary

Produktionstrailer

Bestellmöglichkeit bei jpc

Dr. Lorenz Kerscher, 29. Dezember 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Lorenz Kerscher, Jahrgang 1950, in Penzberg südlich von München lebend, ist von Jugend an Klassikliebhaber und gab das auch während seiner beruflichen Laufbahn als Biochemiker niemals auf. Gerne recherchiert er in den Internetmedien nach unentdeckten Juwelen und wirkt als Autor in Wikipedia an Künstlerporträts mit.

Dr. Lorenz Kerscher
„Musik ist Beziehungssache,“ so lautet mein Credo. Deshalb bin ich auch als Chorsänger aktiv und treffe mich gerne mit Freunden zur Hausmusik. Eine neue Dimension der Gemeinsamkeit eröffnet sich durch die Präsenz vieler, vor allem junger Künstler im Internet, wo man Interessantes über ihre Entwicklung erfährt, Anregungen zur Entdeckung von musikalischem Neuland bekommt und auch in persönlichen Kontakt treten kann. Man ist dann kein Fremder mehr, wenn man ihnen als Autogrammjäger begegnet oder sie sogar bei einem Konzertbesuch im Publikum trifft. Das ist eine schöne Basis, um mit Begeisterung die Karrieren vielversprechender Nachwuchskünstler mitzuerleben und bei Gelegenheit auch durch Publikationen zu unterstützen.“

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Ein Gedanke zu „Rising Stars 37: Traumhaft schön soll die Trompete klingen!
klassik-begeistert.de, 29. Dezember 2022“

  1. Wirklich sehr beachtenswert in Klang, Gestik und Technik.
    Hab mir nach den YouTube Videos sofort die neue CD geladen. Das kommt toll rüber bei dem Charme, den sie ausstrahlt. Toll auch das Video in YouTube mit den anderen Trompetern und Bläsern, was von oben gefilmt wurde.

    Bernhard Schoppmann

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