Rising Stars 38: Sterling Elliott, Violoncello – der Aufstiegswille führt zum Erfolg

Rising Stars 38: Sterling Elliott, Violoncello  Klassikwelt-begeistert.de 12. Januar 2023

Bild: © Will Hawkins Photography

Die Entwicklung und Karriere vielversprechender NachwuchskünstlerInnen übt eine unvergleichliche Faszination aus. Es lohnt sich dabei zu sein, wenn herausragende Talente die Leiter Stufe um Stufe hochsteigen, sich weiterentwickeln und ihr Publikum immer wieder von neuem mit Sternstunden überraschen. Wir stellen Ihnen bei Klassik-begeistert jeden zweiten Donnerstag diese Rising Stars vor: junge SängerInnen, DirigentInnen und MusikerInnen mit sehr großen Begabungen, außergewöhnlichem Potenzial und ganz viel Herzblut sowie Charisma.

von Dr. Lorenz Kerscher

Zu einem Konzert der Reihe Stars & Rising Stars im Mai 2022 in München brachte Stargeiger Daniel Hope einen jungen Afroamerikaner mit. Ein Kollege habe ihm Videomaterial von dem jungen Cellisten geschickt und auf seine Rückfrage: „Ist er so gut, wie ich denke?“ geantwortet: „Er ist sogar noch viel besser, als du denkst!“

Also lud Daniel Hope den jungen Mann ein, zum ersten Mal in Deutschland aufzutreten, und dieser überzeugte mit technisch und musikalisch ausgereiften und begeisternden Darbietungen einer Cellosonate von Beethoven und eines Klaviertrios von Mendelssohn. So war ich auch keinesfalls erstaunt, dass er in den USA schon etliche Wettbewerbserfolge und Auftritte mit bedeutenden Orchestern verzeichnen konnte.

https://www.youtube.com/watch?v=p7YwggJUQnQ

2019 CAIC Winner – Sterling Elliott – Robert Schumann Cellokonzert, III. Sehr lebhaft

Am Anfang dieser Erfolgsgeschichte stand der Wille seiner Mutter, sich aus dem Ghettomilieu in ihrer Umgebung in der Küstenstadt Newport News in Virginia hochzuarbeiten. Einer 2014 publizierten Reportage über die Probleme afroamerikanischer und Latinomusiker im Klassiksektor ist zu entnehmen, dass sie schon in der Grundschule die Möglichkeit bekam, das Geigenspiel zu erlernen und mit Begeisterung das ganze Wochenende übte. Eine Lehrerin, die ihr Talent erkannte, gab ihr kostenlosen Unterricht und vermittelte ihr die Teilnahme an Sommerkursen. Ohne diese Unterstützung und Erweiterung ihres Horizonts wäre sie wohl wie viele andere als Teenager schwanger geworden, meinte sie. So wurde sie Geigenlehrerin und unterrichtete auch ihre Kinder ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt auf ihrem Instrument. Als sie zum dritten Mal schwanger war, sprach sie bereits eine Cellolehrerin an, um den Unterricht für das Kind in ihrem Bauch zu vereinbaren. Denn mit den größeren Kindern an der Geige, ihr an der Bratsche und Sterling am Cello sollte ein familiäres Streichquartett entstehen. Er wollte es zwar zuerst seinen Geschwistern gleichtun und ebenfalls Geige spielen, aber er kam nicht darum herum, ein etwas größeres Exemplar von Instrument zur Hand zu nehmen. Und so entstand das Elliott Family Quartet und war allen Beteiligten ein großer Ansporn, fleißig zu üben und sich weiterzuentwickeln.

Viel mehr als einige nette Hauskonzerte, von denen man noch Videobeispiele in YouTube findet, wäre dabei nicht herausgekommen, gäbe es nicht Stipendienprogramme, die eine Förderung ermöglichten, wie sie die Eltern von ihren bescheidenen Einkommen als Geigenlehrerin und Arzthelfer niemals hätten finanzieren können. Allerdings wird die Förderung niemandem hinterhergeworfen, es gilt, sich zahlreichen Wettbewerben zu stellen und diese intensiv vorzubereiten. Fünf Stunden tägliches Üben von Kindheit an war der Wetteinsatz. Doch Talent, Fleiß und eben der von seiner Mutter übernommene Aufstiegswille brachten Sterling so gut voran, dass er in den USA schon bald als bedeutendes Nachwuchstalent gehandelt wurde.

https://www.youtube.com/watch?v=mRfxQTk4tls

Sterling Elliott – 2014 Sphinx Competition Junior Winner, Lalo, Konzert in D-moll, Finale

Der legendäre “American Dream”, dass es jeder schaffen kann, wenn er nur genügend Einsatz bringt, ist für die meisten Farbigen wohl pure Illusion, zu schlecht sind ihre Startvoraussetzungen. Doch Sterling Elliotts Familie ist es gelungen, das Blatt zu wenden. Zur Mutter sagte man in Hinblick auf ihre Zielstrebigkeit, sie sei gar keine Afroamerikanerin, sondern eine Asiatin. Anders als viele Wunderkinder wurde ihr Sohn nicht zu Hause unterrichtet, sondern besuchte eine Regelschule, um im normalen Sozialkontakt zu bleiben. Doch danach hatte das Üben sogar Priorität vor den Hausaufgaben und die Arbeit an einem wachsenden Solorepertoire zahlte sich immer mehr aus, nicht nur in Fortschritten, sondern auch in Stipendien und Preisgeldern, die ihm z. B. als 13-Jährigem den Kauf eines vollwertigen Instruments für 10.000 $ ermöglichten. Und inzwischen wird ihm von Sponsoren ein unbezahlbares Meistercello von Gennaro Gagliano aus dem Jahr 1741 zur Verfügung gestellt.

Derzeit studiert er an der angesehenen Juilliard School in New York für den Masterabschluss. Die Liste der Orchester, mit denen er schon aufgetreten ist, umfasst das Philadelphia Orchestra, New York Philharmonic, Boston Symphony, Cleveland Orchestra, Los Angeles Philharmonic, Detroit Symphony und Dallas Symphony. Ich denke, Daniel Hope und andere von seinem Talent Überzeugte werden ihm helfen, dass bald auch deutsche Klangkörper in dieser Liste stehen werden. Dass er an einem Cellopult im Orchester seinen Brotberuf finden wird, glaube ich nicht, denn er hat den Willen zum Sieg mit der Muttermilch aufgenommen. Und an Talent ist er kaum zu überbieten! So ist es vorherzusehen, dass er sich binnen kurzer Frist als Solist in die Herzen des internationalen Publikums spielen wird.

https://www.youtube.com/watch?v=CdlO32BV09A

WALKER: Sonate für Cello und Klavier – ChamberFest Cleveland (2022)

Weiterführende Information:

Biografisch sortierte Playlist in YouTube

Offizielle Webseite

Agenturprofil bei Colbert Artists Management

Dr. Lorenz Kerscher, 12. Januar 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Lorenz Kerscher, Jahrgang 1950, in Penzberg südlich von München lebend, ist von Jugend an Klassikliebhaber und gab das auch während seiner beruflichen Laufbahn als Biochemiker niemals auf. Gerne recherchiert er in den Internetmedien nach unentdeckten Juwelen und wirkt als Autor in Wikipedia an Künstlerporträts mit.

Dr. Lorenz Kerscher
„Musik ist Beziehungssache,“ so lautet mein Credo. Deshalb bin ich auch als Chorsänger aktiv und treffe mich gerne mit Freunden zur Hausmusik. Eine neue Dimension der Gemeinsamkeit eröffnet sich durch die Präsenz vieler, vor allem junger Künstler im Internet, wo man Interessantes über ihre Entwicklung erfährt, Anregungen zur Entdeckung von musikalischem Neuland bekommt und auch in persönlichen Kontakt treten kann. Man ist dann kein Fremder mehr, wenn man ihnen als Autogrammjäger begegnet oder sie sogar bei einem Konzertbesuch im Publikum trifft. Das ist eine schöne Basis, um mit Begeisterung die Karrieren vielversprechender Nachwuchskünstler mitzuerleben und bei Gelegenheit auch durch Publikationen zu unterstützen.“

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