Philharmonie Berlin, 4. September 2021
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Georg Nigl, Bariton
Tamara Stefanovich, Klavier (Foto: Peter Meisel)
Vladimir Jurowski, Dirigent
Igor Strawinsky
Symphonies d’Instruments à vent
Abraham und Isaak
Konzert für Klavier und Blasinstrumente
Variationen für Orchester
Paul Hindemith
Sinfonie „Mathis der Maler“
von Peter Sommeregger
Vladimir Jurowski widmet dieses Konzert im Rahmen des Musikfestes Berlin der Musik von zwei Komponisten des 20. Jahrhunderts, Igor Strawinsky und Paul Hindemith, die zwar Zeitgenossen waren, aber musikalisch doch ziemlich unterschiedliche Wege beschritten.
Jurowski hat eine große Vorliebe für die Werke seines Landsmannes Strawinsky. An diesem Abend widmet er sich relativ kurzen, und weniger bekannten Stücken des vor 50 Jahren verstorbenen Meisters. Den Anfang machen die“ Symphonies d’Instruments à vent“, also für Blasinstrumente. Das nur zehnminütige Stück ist eine gute Einführung in die stets etwas spröde Tonsprache Strawinskys, es erklingt in der originalen Fassung von 1920.
Es folgt die geistliche Ballade „Abraham und Isaak“, ein Spätwerk, das dem Volk Israel als Dank für Strawinsky erwiesene Gastfreundschaft gewidmet ist. Das nur 12 Minuten dauernde Stück für einen Bariton und kleine Orchesterbesetzung, 1964 in Jerusalem uraufgeführt, ist für den Gesangsolisten eine schwierige Aufgabe. Strawinsky bestand darauf, den Part nur in hebräischer Sprache singen zu lassen, und dabei die Klangfarben den Silbenfall und die Melismen dieser komplizierten Sprache genau zu beachten. Eine Aufgabe, der sich Georg Nigl nicht nur gewachsen zeigte, es gelang ihm über die Sprachbarriere hinweg mit seinem weichen, geschmeidigen Bariton, den Zuhörer emotional mitzunehmen. Begeisterter Applaus dankte es ihm.
Als längstes Werk der Strawinsky-Gruppe war anschließend das Konzert für Klavier und Blasinstrumente zu erleben. Das in den 1920er Jahren entstandene Werk mit dreisätzigem Aufbau, stark rhythmisch angelegt, kann eine gewisse kantige Trockenheit trotz des tänzerischen Charakters nicht verleugnen. In den Klavierpart ließ Strawinsky Anklänge an Bach und sogar an Carl Czernys Etüden einfließen. Die junge Pianistin Tamara Stefanovich realisierte ihn in brillianter Weise. Auch für diese Solistin großer, verdienter Applaus.
Am Ende des kürzesten Werkes des Abends, der Aldous Huxley in memoriam gewidmeten Variationen für Orchester, wendet sich Vladimir Jurowski unerwartet zum Publikum. Er befürchte, dass das Werk wegen seiner Kürze und komplizierten Struktur vom Publikum nicht gebührend wahrgenommen sein könnte. Sehr anschaulich erklärt er das Werk – und lässt es noch einmal spielen. Tatsächlich nimmt man es mit dem Wissen um die Absichten des Komponisten ganz anders wahr.
Am Ende des Abends wendet sich Jurowski der Musik Paul Hindemiths zu. Es erklingt dessen Sinfonie „Mathis der Mahler“, die einen Vorgriff auf die erst später vollendete Oper gleichen Namens bedeutete. 1934 unter Wilhelm Furtwängler uraufgeführt erregte das Werk das Missfallen der nationalsozialistischen Machthaber. Die Oper selbst konnte später nur in der Schweiz aufgeführt werden. Man kann das Werk in gewisser Weise als autobiographisch ansehen, in der Zerrissenheit des Malers Grünewald sah Hindemith, der zu dieser Zeit unter gro0en politischen Druck geriet, sich selbst. Die drei Sätze der Symphonie „Engelskonzert“, „Grablegung“ und „Versuchung des heiligen Antonius“ fanden unverändert Eingang in die Partitur der Oper. Jurowski und sein Orchester arbeiteten auch in diesem Stück die Feinheiten der Partitur plastisch heraus.
Insgesamt war es ein Abend abseits der gängigen Konzertprogramme, aber in seiner stilistischen Vielfalt abwechslungsreich und anregend. Das Rundfunk-Sinfonieorchester und sein Chefdirigent Jurowski haben sich zu einem Markenzeichen der Berliner Musikszene entwickelt. An diesem Abend unterstützt von zwei Spitzensolisten, Georg Nigl und Tamara Stefanovich, gelang ihnen erneut ein denkwürdiges Konzerterlebnis!
Peter Sommeregger, 5. September 2021, für
klassik-begeistert.de und klasik-begeistert.at