Schweitzers Klassikwelt 24: Heinz Zednik – ein Opernleben

Schweitzers Klassikwelt 24: Heinz Zednik – ein Opernleben

Durch den Jahrhundertring 1976 in Bayreuth zum hundertjährigen Bestehen der Bayreuther Festspiele ist Heinz Zednik mit seinem Loge und seinem Mime weltberühmt geworden.

von Lothar Schweitzer
Foto: Heinz Zednik als Gottesnarr © Foto Fayer

Die Lektüre dieser Biografie unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von der Lektüre anderer einschlägiger Bücher. Ich erlebte den Opernhelden bewusst fast vom Anfang seiner Wiener Zeit, ja ich kann nahezu von einem empathischen Mitgehen sprechen. Ich freute mich über jeden seiner Karriereschritte nach vorne.

Die Wiener Staatsoper kann eine große Tradition an Charaktertenören vorweisen. Ein Programmheft der Wiener Staatsoper brachte in den Fünfzigerjahren ein Porträt über William Wernigk (Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper von 1919 bis 1963). Ich selbst erlebte in meinen „Lehrjahren“ als unverwechselbare Stimme Peter Klein, eingeprägt in meinem Gedächtnis sein Goro – ich habe nie wieder einen Sänger gehört, der ihn in dieser Rolle erreichte – und sein Franz in „Les Contes d ́Hoffmann“, wo er einen dilettantischen Sänger mit dünner Stimme zu mimen hatte, was einer ebenso großen Artistik bedarf wie die eines Clowns am Reck. Monatelang ließ mich beim Vorbeigehen sein Abbild als unheimlicher Zwerg Mime im Schaufenster des Fotostudios Fayer nächst der Oper am Ring immer wieder kurz anhalten. Doch als ersten Mime erlebte ich das Hausdebut von Gerhard Stolze in dieser Rolle am 31. Mai 1960, dessen Stimme eine eigene Charakteristik besaß, die mich auf weitere Partien neugierig machte.

Diese beiden Charaktertenöre spielten in Zedniks Leben eine sehr konträre Rolle. Unser junger Tenor studierte am Konservatorium bei Kammersänger Peter Klein. Die beiden harmonierten ganz und gar nicht. Zednik ist jedoch in seiner Biografie so fair zu sagen, dass Peter Klein für andere Schüler ein guter Lehrer gewesen ist, auch wenn er persönlich ihm kaum etwas verdanke. Zednik scheint überhaupt ein Skeptiker, was Methoden betrifft, zu sein und sein Wahlspruch, der Ausspruch Mephistos in Goethes „Faust“: „Grau, mein Freund ist alle Theorie“.

Während der Mime der Jahre 1942 bis 1969 dem Mime der Siebzigerjahre bis zu den ersten Jahren des neuen Jahrtausends jegliches Talent absprach, war Gerhard Stolze, wie oben schon angedeutet Konkurrent und Nachfolger des „Schaufenstermodels“, Zedniks Protegée für Bayreuth. Mit seinem Mime im „Jahrhundert-Ring“ 1976 wurde Heinz Zednik weltberühmt, obwohl er diesen schon 1974 oder Anfang 1975 zum Beispiel in Nizza gesungen hat, wie ich aus einem Telefonat zwischen einer Bekannten des Tenors und ihm mitbekam.

Heinz Zednik als Loge © Bayreuther Festspiele

Das Schöne an Biografien sind die schicksalshaften Fügungen, von denen man erfährt. Zednik schreibt: „Die Szene spielte in einem Zugabteil irgendwo zwischen Düsseldorf und Köln.“ Der designierte Direktor des Grazer Opernhauses berichtete dem bekannten Operettentenor Erwin Gross, dass er auf der Suche nach einem jungen Tenorbuffo ist, und weil Gross und Zednik beide Schüler von Frau Prof. Wissmann waren, nannte Gross den jüngeren Schüler. Und als bei der Wiederaufnahme der „Meistersinger“ im Grazer Opernhaus der unsrem jungen Tenor versprochene David dem Haustenor überlassen wurde und er den Augustin Moser übernehmen musste, war das ein Glücksfall. Denn im November 1964 erreichte ein panischer Anruf aus dem Betriebsbüro der Wiener Staatsoper Graz: Der Sänger für den Augustin Moser ist ausgefallen! Zednik sprang ein und dieses Einspringen brachte ihm einen Dreijahresvertrag an die Wiener Staatsoper.

Übrigens hat Frau Prof. Wissmann, bei der sich Zednik mit dem Auftrittslied des Papageno vorstellte, sofort den Tenorbuffo bzw. Charaktertenor herausgehört. Unser frisch gebackener Tenor war eben zu sehr von den Partien eines Sarastro und eines Baron Ochs beeindruckt gewesen.

Aber es wurden harte Lehrjahre. Sänger, deren Partien nur aus wenigen Sätzen bestanden, wurden von den KollegInnen meist ignoriert. Voller Vorfreude kam Zednik zu einer Probe mit einer von ihm sehr verehrten Sängerin, stellte sich ihr höflich vor und wurde keines Blicks gewürdigt. Er glaubte, Kleinstpartien möglichst zurückhaltend und unaufdringlich singen zu müssen, bis Direktor Hilbert ihn fragte, ob er nicht ein bisserl mehr geben könne.

Coverfoto: Hartmuth Stroth

Unbarmherzig war in dieser Zeit das Stehplatzpublikum. Bei einem anderen Tenor, Ewald Aichberger, war ich Zeuge solch arger Verhöhnung. Bei Zednik ist es ebenso gewesen. Er verlor beim Singen das Selbstbewusstsein und musste damit rechnen, dass sein Vertrag nicht verlängert wird. Als Cover für eine Kleinstrolle erhielt er keine Bühnenprobe zugestanden und seine interessierte Anwesenheit am Rand der Spielfläche wurde als „Herumgehänge“ gesehen. Als Unterbeschäftigter solle er eben lieber in die Provinz gehen. Bis dahin ist unser Sänger ohne Agentur ausgekommen, jetzt eine zu finden, war zu spät.

Als das Gerücht aufkam, der Dirigent einer Premiere würde ihn nicht als Einspringer akzeptieren, fasste Zednik den beachtlichen Mut, den ihm nicht gut Gesinnten um ein Vorsingen zu bitten, das auch wirklich gewährt wurde. Er sang den Wirt aus dem „Rosenkavalier“ mit mühelosem hohen b und wurde in dieser Rolle und in der Partie des Narren im „Wozzeck“ zum Gastspiel nach Montreal mitgenommen. So wendete sich das Blatt. Kammersängerin Hilde Rössel-Majdan während einer Probe: „Gott, singt der schön!“

Im reichen Inhalt der Autobiografie finden sich Kapitel über seine Paraderollen, seine acht Staatsoperndirektoren. Zednik berichtet über seine Tätigkeit im Dienst der Kollegen als Betriebsrat. Er bekennt seine Liebe zur Operette. Er widmet Kapitel seinen Dirigenten und seinen Regisseuren, erzählt von seinen Zwischenstopps in Film und Fernsehen und von seinen Erfahrungen als Liedinterpret. Ich selbst erlebte ihn in einem Liederabend bei den Salzburger Festspielen und am 9. November 1982 im Wiener Konzerthaus mit Ernst Kreneks „Reisebuch aus den österreichischen Alpen“.

Heinz Zednik als Brouček © Gerhard Ringhofer

Als ich im Jahre 1974 Heinz Zednik nach einer Probe für „Kátja Kabanová“ begegnete, machte er mir gegenüber die Bemerkung: „Eine schöne Musik“. Er hat eine Beziehung zur Musik von Leoš Janáček. Volksoperndirektor Rudolf Berger erfüllte ihm dann seinen lang gehegten Wunschtraum und nahm eigens für Heinz Zednik „Die Ausflüge des Herrn Brouček“ mit ihm in der Hauptrolle ins Programm, die Zednik eine intensive Charakterstudie erlaubten.

Lothar Schweitzer, 15. Dezember 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Schweitzers Klassikwelt 23: Der Sängerfürst – Gottlob Frick und seine Zeit klassik-begeistert.de

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Lothar Schweitzer ist Apotheker im Ruhestand. Gemeinsam mit seiner Frau Sylvia schreibt er seit 2019 für klassik-begeistert.de: „Wir wohnen im 18. Wiener Gemeindebezirk  im ehemaligen Vorort Weinhaus. Sylvia ist am 12. September 1946 und ich am 9. April 1943 geboren. Sylvia hörte schon als Kind mit Freude ihrem sehr musikalischen Vater beim Klavierspiel zu und besuchte mit ihren Eltern die nahe gelegene Volksoper. Im Zuge ihrer Schauspielausbildung statierte sie in der Wiener Staatsoper und erhielt auch Gesangsunterricht (Mezzosopran). Aus familiären Rücksichten konnte sie leider einen ihr angebotenen Fixvertrag am Volkstheater nicht annehmen und übernahm später das Musikinstrumentengeschäft ihres Vaters. Ich war von Beruf Apotheker und wurde durch Crossover zum Opernnarren. Als nur für Schlager Interessierter bekam ich zu Weihnachten 1957 endlich einen Plattenspieler und auch eine Single meines Lieblingsliedes „Granada“ mit einem mir nichts sagenden Interpreten. Die Stimme fesselte mich. Am ersten Werktag nach den Feiertagen besuchte ich schon am Vormittag ein Schallplattengeschäft, um von dem Sänger Mario Lanza mehr zu hören, und kehrte mit einer LP mit Opernarien nach Hause zurück.“

Lothar und Sylvia Schweitzer

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