von Peter Sommeregger
Auch nahezu dreißig Jahre nach seinem Tod am 29. Juni 1993 in Rom, gilt der aus Bulgarien stammende Bassist immer noch als einer der historisch bedeutendsten Vertreter seines Stimmfaches.
Der am 18. Mai 1914 im bulgarischen Plowdiw geborene Sohn eines aus Makedonien stammenden Lehrers wollte zunächst Jurist werden, nachdem aber seine auffallend schöne und kräftige Stimme aufgefallen war, erhielt er ein vom Bulgarischen König Boris gestiftetes Stipendium zur Gesangsausbildung. Er verlegte seinen Lebensmittelpunkt nach Italien, das tatsächlich zu seiner dauerhaften Heimat werden sollte.
Die Wirren des zweiten Weltkrieges unterbrachen sein Studium, bei Kriegsende fand er sich in einem Internierungslager in Deutschland wieder. Nach Italien zurückgekehrt debütierte er zunächst an kleineren Bühnen in Nebenrollen, aber bereits 1947 hatte er sein Debüt an der Oper von Rom als Pimen in Mussorgskys „Boris Godunow“. In Venedig erlebte man ihn als Gurnemanz in Wagners „Parsifal“, an der Mailänder Scala trat er erneut als Pimen auf, ehe er 1949 die Titelrolle des Boris übernahm, die er weltweit sang, und mit der er bis heute identifiziert wird.
In den 1950er und 60er Jahren gastierte er an sämtlichen bedeutenden Opernhäusern Europas und der Welt, besondere Erfolge konnte er an der Londoner Covent Garden Opera feiern, an der er während seiner gesamten Karriere immer wieder auftrat. Lediglich die New Yorker Metropolitan Opera blieb ihm trotz eines Angebots verschlossen – da er aus einem kommunistischen Land stammte, verweigerten ihm die USA die Einreise. Erst 1980 konnte Christoff schließlich dort debütieren.
Am Höhepunkt seiner Karriere wurde bei dem Sänger 1964 ein Gehirntumor diagnostiziert, der aber erfolgreich entfernt werden konnte. Mit schier übermenschlicher Kraft kämpfte sich Boris Christoff danach zurück ins Leben und auf die Bühne. Seine Stimme hatte nichts von ihrer mächtigen Fülle eingebüßt, und so konnte er seine Karriere in vollem Umfang fortsetzen. Sein wandlungsfähiger, farbenreich timbrierter Bass prädestinierte ihn für ein großes Rollenspektrum, er konnte sowohl im deutschen, wie im italienischen und französischen Fach überzeugen, Glanzrollen waren da der Gurnemanz, Rocco in „Fidelio“, König Philipp in Verdis „Don Carlos“, Mephisto in Gounods „Faust“, und natürlich die großen Bass-Partien von Mussorgsky und Glinka.
Christoff konnte seine Karriere bis in die 1980er Jahre fortsetzen, wobei er seine Tätigkeit mehr und mehr auf das Konzertpodium verlagerte. Seine Lied-Interpretationen wurden zu Recht gerühmt, sie sind auch in zahlreichen Aufnahmen festgehalten. Die Schallplatten-Industrie konnte an dieser Stimme nicht vorbeigehen, so entstanden eine ganze Reihe von Einspielungen seiner Glanzrollen, wie Boris, Philipp und Mephisto. In einer Aufnahme des Boris sang er sowohl die Titelrolle, als auch den Pimen und den Warlaam.
Boris Christoff war der erste einer Reihe von bulgarischen Bassisten, die nach ihm große internationale Karrieren hatten. Der bekannteste von ihnen ist Nicolai Ghiaurov, der so etwas wie sein legitimer Nachfolger wurde.
Boris Christoff starb am 23. Juni 1993 in Rom, seine Kunst lebt aber eindrucksvoll in seinen Schallplatten fort und er gilt bis heute als der bedeutendste Bass nach Chaliapin, in dessen Tradition er sich auch sah.
Peter Sommeregger, 30. Juni 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
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