Sommereggers Klassikwelt 228: Der einstige Superstar Beniamino Gigli geriet immer mehr in Vergessenheit

Sommereggers Klassikwelt 228: Der einstige Superstar Beniamino Gigli geriet immer mehr in Vergessenheit  klassik-begeistert.de, 20. März 2024

Foto: https://commons.wikimedia.org/wiki

von Peter Sommeregger

Der Name Beniamino Giglis, der am 20. März 1890 als Sohn eines Schuhmachers in der italienischen Provinz geboren wurde, gehörte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu den Großen in der Musikwelt.

Nachdem er 1914 einen Gesangswettbewerb in Parma gewonnen hatte, entwickelte sich seine Karriere sehr schnell. Nach Auftritten in Parma, Neapel und Rom wurde er bereits 1918 an die Mailänder Scala verpflichtet, 1920 debütierte er an der Metropolitan Opera in New York. Nach dem Tod seines prominenten Landsmannes Enrico Caruso im Jahr 1921 sprach man von Gigli häufig als „Caruso Secondo.“

Nach über 10 Jahren mit erfolgreichen Auftritten an der Met verließ Gigli das Haus nach einem Streit mit dessen damaligem Direktor Gatti-Casazza und verlegte den Schwerpunkt seiner Tätigkeit wieder in seine italienische Heimat, absolvierte aber auch zahlreiche Gastspiele in Europa und Südamerika.

In die Kritik geriet Gigli durch seine angebliche Nähe zum „Duce“ Benito Mussolini. Er war angeblich dessen Lieblingssänger, und spielte 1937 die faschistische Hymne „Giovinezza“ für die Schallplatte ein.

Beniamino Gigli nutzte seine Popularität zwischen 1937 und 1955 auch durch Mitwirkung an insgesamt etwa 20 Kinofilmen. Bereits die Titel „Mutter“, „Ave Maria“, „Vergissmeinnicht“ verraten das seichte Genre, dem sie zuzurechnen sind. Während des zweiten Weltkrieges stagnierte Giglis Karriere, aber sofort nach dessen Ende kehrte er wieder auf die Bühne zurück.

In seinen letzten Jahren verlagerte er seine Auftritte mehr und mehr auf das Konzertpodium, eine umfangreiche Abschiedstournee führte ihn noch einmal an die Metropolitan Opera in New York. Gigli starb am 30. November 1957 in Rom an den Folgen einer Lungenentzündung, erst 67 Jahre alt.

Gigli, der als tief gläubig galt, spendete im Laufe seiner Karriere erhebliche Summen für die Kirche und wohltätige Zwecke. Im Gegensatz dazu führte er ein beinahe ausschweifendes Privatleben. Aus zwei Ehen hatte er fünf Kinder, darunter die ebenfalls erfolgreiche Sängerin Rina Gigli, daneben soll er aber auch mehrere uneheliche Kinder mit verschiedenen Frauen gehabt haben.

Gigli war auch ein Aushängeschild der noch jungen Schallplatten-Industrie. So sind von ihm unzählige Lieder-, Arien- und Opernaufnahmen erhalten. Diese lassen seine Stärken wie eine sichere, tragfähige Höhe erkennen, zeigen aber auch gnadenlos seine stilistischen Schwächen auf.

Der Vergleich mit Caruso verbietet sich schon durch die Verschiedenartigkeit der Stimmen. Carusos Tenor war größer dimensioniert, dunkler im Timbre, vor allem aber immer geschmackvoller in der Phrasierung und Gestaltung. Gigli platzierte gerne Schluchzer und sonstige Unarten in seinem Vortrag. Angeblich hatte Gigli auch Unterricht bei Alessandro Bonci genommen, dessen feine Phrasierung hat er sich aber nicht zu eigen gemacht.

Beniamino Giglis Gesangsstil wirkt heute erheblich altmodischer als jener seiner frühen Fachkollegen. So ist der einstige Superstar doch mehr und mehr in Vergessenheit geraten.

Peter Sommeregger, 20. März 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.

Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.

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