Emanuel List © Nicola Perscheid / de.wikipedia.org
von Peter Sommeregger
Das Stimmfach Bass kennt auch die Bezeichnung „Schwarzer Bass“, gemeint ist damit eine besonders dunkle Färbung der Stimme, wie sie etwa für Wagners Hunding oder Hagen gefordert sind. In diesen Partien feierte der Bassist Emanuel List weltweit Triumphe, seine Lebensgeschichte ist sehr ungewöhnlich und bildet die Ereignisse der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in seiner Biographie ab.
Geboren wird der Sänger als Emanuel Fleissig am 22. März 1888 in eine jüdische Familie in Wien. Bereits mit 17 Jahren singt er im Chor des Theaters an der Wien, schließt sich später einem Vokal-Quartett an, mit dem er Gastspielreisen bis nach Australien und Neuseeland unternimmt.
Im Jahr 1914 wandert er nach den USA aus, wo er seine Gesangsstudien fortsetzt, aber zunächst nur in Kleinkunstbühnen und Filmtheatern auftritt. 1921 kehrt er nach Österreich zurück, wo er 1922 an der Wiener Volksoper gastiert. Bis 1925 bleibt er an diesem Haus engagiert, wechselt danach bis 1934 an die Berliner Staatsoper, wo er u.a. in Uraufführungen von Opern Franz Schrekers und Darius Milhauds auftritt. Von Berlin aus gastiert er an mehreren europäischen Opernhäusern, auch an der Wiener Staatsoper ist er zu hören.
Anfang der 1930er Jahre tritt er in verschiedenen Partien bei den Bayreuther Festspielen auf. Aufgrund seiner jüdischen Abstammung musste er 1934 Deutschland verlassen, trat aber bis 1938 noch in Österreich auf. Im Wiener Musikverein wirkte er 1935 als Hunding in der legendären Plattenaufnahme der „Walküre“ mit Lotte Lehmann und Lauritz Melchior mit. Dieses Projekt konnte der Dirigent Bruno Walter nicht mehr vollenden, auch er wurde zur Emigration gezwungen.
Emanuel List fand von 1933 bis 1950 seine künstlerische Heimat an der Metropolitan Opera in New York, wo er u.a. als Ochs in Richard Strauss’ „Rosenkavalier“ gefeiert wurde. Von New York aus unternahm er Gastspiele an andere Opernhäuser in den USA und für mehrere Jahre an das Teatro Colón in Buenos Aires. Nach dem 2. Weltkrieg gastierte er noch laufend an europäischen Opernhäusern und bei internationalen Festivals.
Nach seinem Ausscheiden aus dem Ensemble der Metropolitan Opera kehrte er in seine Heimatstadt Wien zurück. Als Gurnemanz im „Parsifal“ beendete er 1953 am Grazer Opernhaus seine Karriere.

Sein mächtiger Bass ist auf zahlreichen Live-Mitschnitten aus der Met und anderen Häusern konserviert, und vermitteln bis heute einen Eindruck vom Volumen und dunkler Färbung dieser Ausnahmestimme.
Am 21. Juni 1967 starb Emanuel List in Wien und fand seine letzte Ruhe in der Israelitischen Abteilung des Wiener Zentralfriedhofs.
Peter Sommeregger, 18. März 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
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