Seine „Tauberlieder“ sind bis heute ein Prüfstein für Fachkollegen, von Fritz Wunderlich bis Jonas Kaufmann. Auch über 70 Jahre nach seinem Tod ist sein Nachruhm nicht verblasst.
von Peter Sommeregger
Auch gut 70 Jahre nach dem Tod des Sängers, Filmschauspielers und Komponisten Richard Tauber ist sein Name, vor allem aber seine unverwechselbare Stimme in der musikalischen Welt immer noch sehr präsent. Im Jahr 2021 wird sicher anlässlich seines 130. Geburtstages verstärkt an ihn erinnert werden, aber wirklich aus dem Fokus ist diese schillernde Figur der Oper und mehr noch der Operette nie verschwunden.
Ein glanzvolles Leben wie das seine wurde dem 1891 in einem Linzer Hotel unehelich geborenen Sohn einer Soubrette und eines jüdischen Schauspielers nicht an der Wiege gesungen. Die anfangs ungünstigen Lebensumstände besserten sich aber zusehends. Der Zwölfjährige zieht zu seinem Vater nach Wiesbaden, dieser ermöglicht ihm ein Musikstudium am renommierten Hoch’schen Konservatorium in Frankfurt. 1913 debütiert er am Chemnitzer Opernhaus, dessen Intendant Taubers Vater zu dieser Zeit ist, als Tamino in der Zauberflöte, in diesem Jahr adoptiert der Vater ihn auch. Die nächste Station ist bereits die Dresdner Hofoper, an der er sich von anfangs kleinen Rollen bis zu Hauptpartien steigert und den Grundstock für sein breit gefächertes Repertoire schafft.
Gleichzeitig mit seinem Wechsel an die Wiener Staatsoper nahm er 1921 kurzfristig ein Engagement für eine Franz-Lehár-Operette im Theater an der Wien an. Der Erfolg mit der bis dahin mäßig aufgenommenen „Frasquita“ war der Beginn einer für Tauber und Lehár schicksalhaften und höchst erfolgreichen Zusammenarbeit. Taubers weicher, einschmeichelnder Tenor, den der Sänger auch im Falsett gekonnt einsetzte, muss auch eine erotisierende Wirkung auf Frauen gehabt haben. Tauber, dem schönen Geschlecht ohnehin sehr zugetan, erwarb sich so den Ruf eines echten Womanizers, wie man das heute nennt. Das führte freilich auch dazu, dass Taubers Privatleben sich zeitweise etwas chaotisch gestaltete. Am Ende standen zwei gescheiterte Ehen und unzählige Affären.
Der Spagat zwischen einer seriösen Opernkarriere, Auftritten in Operetten und später auch noch Filmrollen gelang Tauber besser, als allen Sängern, die das nach ihm versuchten, wie Rudolf Schock. Das noch relativ junge Medium Schallplatte trug über die Jahre wesentlich zum wachsenden Ruhm des Sängers bei. Hier blieb er der Plattenfirma Odeon treu, die eine schier unerschöpfliche Zahl von Aufnahmen mit ihm produzierte. Bis heute ist keine vollständige Diskographie seiner Einspielungen verfügbar.
Geschickt kombiniert Tauber seine Engagements, parallel zu seinen Auftritten an der Berliner Staatsoper Unter den Linden tritt er auch im Theater des Westens in Operetten auf. Bald entsteht der Begriff „Tauberlied“ für die jeweils signifikanteste Nummer einer Operette. 1929 führt er die Lehár-Operette „Das Land des Lächelns“ bei ihrer Uraufführung im Berliner Metropol-Theater, dem heutigen Haus der Komischen Oper zum Welterfolg. Die Arie des Prinzen Sou-Chong „Dein ist mein ganzes Herz“ wird in der Folge so etwas wie eine Erkennungsmelodie für Tauber.
Als 1933 die Nazis in Deutschland die Macht ergreifen, wird Tauber von einer Schlägertruppe der SA auf der Straße angegriffen. Dadurch wird er sich wieder seiner jüdischen Wurzeln bewusst, obwohl sowohl sein Vater als auch er selbst katholisch getauft und seine Mutter keine Jüdin war. Er zieht die Konsequenzen und verlässt Deutschland. Anfang 1934 singt er an der Wiener Staatsoper in der Uraufführung der Lehár-Operette „Giuditta“ an der Seite von Jarmila Novotna. Das Werk hat zuerst nur mäßigen Erfolg, aber mit „Freunde, das Leben ist lebenswert“ hat er ein neues „Tauberlied“ gefunden, es wird auch eine seiner erfolgreichsten Schallplatten.
Als wäre seine Doppel-Karriere in Oper und Operette noch nicht genug, betätigt Tauber sich auch als Filmschauspieler, Dirigent, und Komponist. Sein bekanntestes Lied „Du bist die Welt für mich“ aus der Operette „Der singende Traum“ schreibt er für seinen Kollegen und Freund Joseph Schmidt, hat aber auch selbst damit erneut großen Erfolg.
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Zu Beginn des zweiten Weltkriegs verlegt Tauber seinen Lebensmittelpunkt nach England, wird 1940 auch Britischer Staatsbürger. Während der Kriegsjahre und unmittelbar danach absolviert er ausgedehnte Tourneen durch Nord-und Südamerika. Immer wieder tritt er auch an Londons Opernhaus Covent Garden auf.
Als sich die Anzeichen einer schweren Lungenkrankheit bemerkbar machen, ist er noch optimistisch, wird operiert und tritt am 27. September 1947 noch einmal in einer seiner Glanzrollen, dem Don Ottavio in Mozarts Don Giovanni auf, obwohl er nur noch über einen Lungenflügel verfügt. Teile dieser Aufführung sind als Mitschnitt erhalten. Nur gut drei Monate später, am 8. Januar 1948, stirbt Richard Tauber in London. Er findet auf dem Friedhof von Kensington West seine letzte Ruhe. Als am 20. Januar eine Trauerfeier für ihn in der Royal Albert Hall stattfindet, nehmen daran 7000 Menschen teil.
Obwohl er relativ jung starb, ist er im kollektiven Gedächtnis aller Opern-und Operettenfreunde fest verankert. Fast jedem Musikfreund ist der Name geläufig, wahrscheinlich hat jeder schon einmal Aufnahmen von ihm gehört. Seine „Tauberlieder“ sind bis heute ein Prüfstein für Fachkollegen, von Fritz Wunderlich bis Jonas Kaufmann. Auch über 70 Jahre nach seinem Tod ist sein Nachruhm nicht verblasst.
Peter Sommeregger, 12. Mai 2020, für
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Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Ricardo Muti und Anna Netrebko. Seit 25 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.