Foto: Anna Netrebko und Yusif Eyvazov © Vladimir Shirkov
Fürsorglichkeit das Wohl des Partners betreffend ist eines der wünschenswerten Charakteristika jeder funktionierenden Partnerschaft oder Ehe. Diese Fürsorglichkeit schließt naturgemäß eine Bevorzugung des Partners gegenüber Dritten ein. Das kann im Geschäftsleben manchmal schon problematische Auswirkungen haben, es wird dann als eine spezielle Form der Vetternwirtschaft betrachtet und gewertet.
von Peter Sommeregger
Auch in der Welt der Musik bilden sich immer wieder Paare, die durch die gemeinsame Liebe zum Musizieren zusammenfinden. Der Wunsch den jeweiligen künstlerischen Beruf gemeinsam mit dem Partner auszuüben, ist durchaus legitim. Problematisch wird er erst, wenn ein Teil deutlich besser und erfolgreicher ist und den anderen in seine Aufführungen, Konzerte, etc. einschleust und dadurch protegiert. Die Beispiele dafür in Vergangenheit und Gegenwart sind zahlreich, der Umgang mit dieser Problematik aber auch von Fall zu Fall verschieden.
Ein ärgerliches Beispiel war die Verbindung des Intendanten der Deutschen Oper Berlin Götz Friedrich mit der amerikanischen Sopranistin Karan Armstrong. Nicht nur, dass alle in Frage kommenden Rollen an dem Haus mit der Gattin des Intendanten besetzt wurden, darüber hinaus wurde die in Berlin lebende Künstlerin finanziell wie ein Gast inklusive Reisespesen bezahlt. Auch bei den zahlreichen Regieaufträgen für Friedrich an anderen Häusern kam kein Besetzungsbüro an der „allgegenwärtigen Gattin des Regisseurs“ vorbei, wie allgemein vermerkt wurde.
Ein perfektes Team bildeten dagegen die australische Koloratursopranistin Joan Sutherland und ihr dirigierender Gatte Richard Bonynge, der ihre gesamte, Jahrzehnte währende internationale Karriere begleitete, auch der Dirigent ihrer zahlreichen Operneinspielungen war. Es spricht für seine künstlerischen Qualitäten, dass er auch nach Sutherlands Rückzug von der Bühne und ihrem Tod vor zehn Jahren weiterhin ein gefragter Dirigent blieb.
Ein Beispiel der weniger ebenbürtigen Art ist das Ehepaar Sir Simon Rattle und Magdalena Kožená. Der Dirigent Rattle, über viele Jahre Chef der Berliner Philharmoniker, lernte in dieser Zeit die tschechische Mezzosopranistin Kožená kennen, mit der er im Laufe der Jahre drei Kinder bekam und sie schließlich auch heiratete. Immer wieder versucht Rattle, seine Frau auch als Sängerin einzusetzen, mehr als es ihre künstlerischen Qualitäten rechtfertigen würden. Peinlich war sein Versuch, die gut aussehende Ehefrau auch als Gesicht der Philharmoniker in der Printwerbung für das Orchester einzusetzen, aber das ist mittlerweile Geschichte.
Genau umgekehrt verhält es sich bei der Mezzosopranistin Elina Garanca und ihrem dirigierenden Ehemann Karel Mark Chichon. Garanca, die durch ein geschicktes Management und ein mediales Dauer-Feuerwerk ein wenig über ihre Bedeutung hinaus gehypt wird, versteht es immer wieder, auch ihren Ehemann gekonnt ins Spiel, sprich Engagement zu bringen. Dass er dabei mehr oder minder die Rolle der Kröte übernimmt, die geschluckt werden muss, sollte dem Ehepaar zu denken geben.
Ein ähnliches „Geschäftsmodell“ entwickelte die phänomenale spanische Sopranistin Montserrat Caballé gleich zwei Mal. Bereits während ihrer Ausbildung hatte sie den Tenor Bernabe Marti geheiratet. Als sie über die Jahre eine bedeutende internationale Karriere entwickelte, versuchte sie, anfangs erfolgreich, ihren Ehemann und Vater ihrer beiden Kinder daran teilhaben zu lassen. Zu dieser Zeit war sie in einer Position, dies in Vertragsverhandlungen auch durchsetzen zu können.
Eine unerfreuliche Begebenheit führte abrupt zum Ende dieser Konstellation. Als Caballé in Paris als Bellinis Norma auftrat, war Marti als Pollione besetzt. Zum Entsetzen des Publikums (und der Intendanz) musste die Aufführung nach dem ersten Akt abgebrochen werden, da der Tenor im Gegensatz zu seiner Frau nicht in der Lage war, weiter zu singen. Im Herbst und Spätherbst ihrer Karriere versuchte Caballé ein weiteres Mal, ein Familienmitglied zu protegieren, diesmal ihre Tochter Montserrat Marti. Diesmal scheiterte das Projekt an der absoluten Talentlosigkeit der jungen Frau.
Absolut auf Augenhöhe bewegte sich das seinerzeitige Traumpaar der Oper, die Mezzosopranistin Christa Ludwig und der Bassist Walter Berry. Ob gemeinsam oder getrennt genügten sie höchsten Ansprüchen, hier musste niemand protegiert werden. Es sprach für die Professionalität des Paares, dass es auch weiterhin gemeinsam auftrat, als sich die privaten Wege bereits getrennt hatten.
Ähnlich ebenbürtig waren auch die kürzlich verstorbene Mirella Freni und Nicolai Ghiaurov. Da die italienische Sopranistin und der bulgarische Bass im internationalen Ranking gleich hoch notiert waren, fiel es lange Zeit niemandem auf, dass die beiden auch privat längst ein Paar waren. Nach dem Ende ihrer Karrieren leiteten sie gemeinsam ein Gesangsstudio in Modena, in dem sie beide bis zu ihrem Tod unterrichteten.
Die derzeit wohl berühmteste Opernsängerin der Welt, die Russin Anna Netrebko erlebt das Dilemma einer liebenden Künstlerin schon zum zweiten Mal. War sie vor Jahren mit dem argentinischen Bariton Erwin Schrott, dem Vater ihres Sohnes, liiert, der zu dieser Zeit ähnliche Beliebtheitswerte wie seine Partnerin hatte, stand sie Jahre später vor einer veränderten Situation. In dem aserbaidschanischen Tenor Yusif Eyvazov hatte sie einen neuen Partner gefunden, der im Gegensatz zu ihr noch kaum bekannt war, und auch in künstlerischer Hinsicht seiner inzwischen angetrauten Ehefrau keineswegs ebenbürtig war.
Trotzdem versuchte Netrebko, ihn zu protegieren, was anfangs zum Teil hämisch kommentiert wurde. Inzwischen hat Eyvazov aber unüberhörbar große Fortschritte gemacht, was die Kultiviertheit seiner kräftigen Tenorstimme betrifft. Auch optisch hat der Tenor sein Erscheinungsbild deutlich verbessert. Durchtrainiert und erschlankt verfolgt er inzwischen zielstrebig seine weitere Profilierung und tritt mehr und mehr aus dem Schatten seiner berühmten Frau.
Die Reihe solcher Beispiele ließe sich beliebig fortsetzen. Betroffene sollten aber immer abwägen, ob sie dem weniger begabten Partner einen Gefallen tun, wenn sie seine Karriere forcieren. Große Künstler benötigen eigentlich immer einen Coach, in dieser Rolle würde sich vielleicht mancher Partner einer großen Berühmtheit wohler fühlen.
Peter Sommeregger, 3. August 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt 46: Hausbesuch beim Genie klassik-begeistert.de
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Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Ricardo Muti und Anna Netrebko. Seit 25 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.