Sommereggers Klassikwelt 49: Die komplizierte Geburt der Salzburger Festspiele

Sommereggers Klassikwelt 49: Die komplizierte Geburt der Salzburger Festspiele

Foto: Domplatz, Jedermann © SF/Neumayr/Leo

von Peter Sommeregger

Waren die Mozart-Feste zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch stark durch das Engagement und den Enthusiasmus der Sängerin Lilli Lehmann geprägt, so begann sich in den folgenden Jahren der Schriftsteller Hermann Bahr zur treibenden Kraft der Salzburger Festspielidee zu entwickeln. Bahr war selbst mit einer hoch berühmten Sängerin, nämlich Anna von Mildenburg verheiratet, die sich nach der Heirat Bahr-Mildenburg nannte. Der erfolgreiche Schriftsteller, Dramatiker und Journalist war in der österreichischen Kulturlandschaft bestens vernetzt, so gelang es ihm über die Jahre, bedeutende Persönlichkeiten für die Festspielidee zu gewinnen. Lilli Lehmann befürchtete aber eine Zersplitterung der Kräfte durch die Ausweitung der Konzeption.

Mozarteum Salzburg

Im Jahr 1917 kam es schließlich zur Gründung einer Festspielhaus-Gemeinde, die sich die Errichtung eines geeigneten Gebäudes zum Ziel setzte. Das Salzburger Stadttheater war ein armselig provinzieller Bau, das Mozarteum-Orchester galt als wenig leistungsfähig. Hier Abhilfe zu schaffen war allerdings eine vage Hoffnung für die Zukunft. Unerwartet schienen sich aber neue Hoffnungen zu regen, als Kaiser Karl I. grünes Licht für die Finanzierung der Festspiele gab. Diese Entwicklung wurde aber durch das Ende der Monarchie 1918 zunichte gemacht.

Noch kurz davor wurde aber bei einer Generalversammlung der Salzburger Festspielhaus-Gemeinde, die am 15. August 1918 im Marmorsaal des Mirabellschlosses tagte, ein Kunstrat berufen, dessen Mitglieder Max Reinhardt, Franz Schalk und Richard Strauss beauftragt wurden, künftige Festspiele zu gestalten. Max Reinhardt, der charismatische Theatermann, Richard Strauss als der prominenteste Komponist seiner Zeit und der Wiener Operndirektor Franz Schalk schienen Garanten für ein Gelingen dieses Projekts zu sein. Wenige Monate später wurden noch der Dichter Hugo von Hofmannsthal und der Bühnen- und Kostümbildner Alfred Roller in diesen Kreis aufgenommen.

Jedermann am Domplatz © Tourismus Salzburg

In den schwierigen Jahren nach dem ersten Weltkrieg war es in der neu entstandenen Republik Österreich besonders schwierig, ein Projekt dieser Größenordnung durchzusetzen. Die Prominenz und gute Vernetzung der Mitglieder des Kunstrates schufen aber nach und nach die Voraussetzungen für ein Gelingen.

Hugo von Hofmannsthals hoch gesteckte Ziele blieben vorerst zwar mehr eine Vision für die Zukunft, aber nicht zuletzt das Drängen Max Reinhardts führte dann dazu, dass tatsächlich am 22. August 1920 mit der Uraufführung von Hofmannsthals „Jedermann“ vor dem Salzburger Dom die ersten Salzburger Festspiele stattfanden. Es war ein bescheidener Anfang, aber bereits im zweiten Jahr, 1921 fanden zusätzlich mehrere Konzerte statt. Die Jedermann-Aufführungen wurden zu einem bleibenden Bestandteil der Festspiele, die Besetzung der Titelrolle und jene der attraktiven Buhlschaft sind alle Jahre wieder ein Thema.

Kleines Festspielhaus

Ein stark ausgeweitetes Programm boten die Festspiele 1922. Neben Schauspiel und Orchesterkonzerten wurde auch zum ersten Mal Oper gespielt. Richard Strauss leitete Aufführungen von Don Giovanni und Così fan tutte, die beiden Mozart-Opern wurden in Produktionen der Wiener Staatsoper gezeigt und auch aus dem Wiener Ensemble besetzt. Nach dieser Mobilisierung aller Kräfte waren die nächsten beiden Jahre eher ein Rückschritt. 1923 fanden lediglich Aufführungen des „Eingebildeten Kranken“ von Molière in der Inszenierung Max Reinhardts statt, 1924 gab es keine Festspiele.

Ein neuer Abschnitt begann 1925 , als endlich auch ein Festspielhaus eingeweiht werden konnte. Dieses später als Kleines Festspielhaus, heute nach zahlreichen Umbauten als Haus für Mozart bezeichnete Gebäude eröffnete neue Möglichkeiten und ermöglichte ein umfangreicheres Programm, worüber noch ausführlich zu berichten sein wird.

Peter Sommeregger, 18. August 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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Peter Sommeregger

Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Ricardo Muti und Anna Netrebko. Seit 25 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.

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