von Peter Sommeregger
Die am 6. Dezember 1804 in Hamburg geborene Wilhelmine Schröder ist bis heute in der Geschichte der Oper das Urbild einer deutschen Primadonna. Ihr bewegtes Leben, obwohl mit 56 Jahren bedauerlich kurz, enthält Stoff genug für mehrere Dramen- oder eine Oper.
Als Kind eines Schauspieler-Ehepaares schien für sie der Weg auf die Bühne vorbestimmt. Sie erhielt anfangs Ballettunterricht, trat bereits mit fünf Jahren erstmals auf, nach der Übersiedlung der Mutter nach Wien wurde sie dort Mitglied eines Kinderballetts. Parallel wurde sie zur Schauspielerin ausgebildet und debütierte mit nur 15 Jahren am Wiener Burgtheater, entschloss sich aber, Sängerin zu werden. Nach ihrer Gesangsausbildung debütierte sie als Pamina in Mozarts „Zauberflöte“, bald darauf sang sie mit 17 Jahren Beethovens Leonore im „Fidelio“. Der Komponist soll von ihrer Rollengestaltung sehr beeindruckt gewesen sein.
Zwei Jahre später übersiedelte sie mit ihrer Mutter nach Dresden, wo sie ihre Gesangsausbildung fortsetzte, und schließlich an die dortige Hofoper engagiert wurde, deren Mitglied sie bis 1847 blieb. Nach ihrer Heirat mit dem Schauspieler Carl Devrient führte sie bis an ihr Lebensende den Künstlernamen Schröder-Devrient, obwohl ihre Ehe nach fünf Jahren mit einer Scheidung endete. Die vier Kinder aus dieser Verbindung wurden dem Vater zugesprochen.
Freundschaften pflegte sie auch mit den Komponisten Carl Maria von Weber und Richard Wagner. Letzterer bewunderte sie als Fidelio-Leonore und als Emmeline in Weigls „Die Schweizer Familie“, sie inspirierte ihn durch ihre schauspielerische Präsenz gleich zu mehreren Rollen: 1842 verkörperte sie in der Uraufführung der Oper „Rienzi“ die Hosenrolle des Adriano, 1843 die der Senta im „Fliegenden Holländer“ und 1845 schließlich die der Venus im „Tannhäuser“. Damit schrieb sie sich endgültig in die Annalen der Operngeschichte ein. Zahlreiche Gastspiele führten sie von Dresden auch nach Berlin, Paris und London.
Das Privatleben der Künstlerin gestaltete sich ausgesprochen turbulent: 1847 heiratete sie in zweiter Ehe den sächsischen Offizier David Oskar von Döring, und musste als Offiziersgattin ihren Abschied von der Bühne nehmen. Dies führte zu einem Zusammenbruch ihrer Finanzen, da sich Döring als Betrüger herausstellte . 1848 erreichte sie die Scheidung dieser Ehe.
Im Jahr 1849 beteiligte sie sich am Dresdener Maiaufstand und wurde zeitweise sogar inhaftiert. 1850 heiratete sie in dritter Ehe den livländischen Gutsbesitzer Heinrich Anton Hermann von Bock, der ganze vierzehn Jahre jünger war. Sie folgte ihm in seine Heimat, kehrte aber bereits 1852 mit ihm nach Deutschland zurück. Das Ehepaar lebte abwechselnd in Berlin und Dresden.
Von 1856 bis 1859 nahm sie ihre Karriere, nun als Liedsängerin, wieder auf, danach zog sie sich ins Privatleben zurück und starb bereits 1860 an einem Krebsleiden.Begraben wurde sie unter dem Namen Wilhelmine von Bock auf dem Dresdener Trinitatisfriedhof, wo ihr Grab bis heute erhalten ist.
Ursprünglich hatte man ihr die Autorenschaft an dem pornographischen Roman „Memoiren einer Sängerin“ unterstellt, die jüngere Forschung hält dies aber nicht mehr für zutreffend.
Dieses so abenteuerliche Leben würde selbst genügend Stoff für eine Oper bieten, deren Handlung man möglicherweise für übertrieben und wenig glaubwürdig hielte. Das Leben schreibt eben doch immer die aufregendsten Geschichten…
Peter Sommeregger, 1. Dezember 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.